Einblick in die Kunstszene Frankreichs

ART PARIS 2023

Grand Palais Éphémère, Foto: Art Paris 2023 © Marc Domage.

Provisorien können auch durchaus eine gewisse Eleganz entfalten – wie die temporäre Veranstaltungshalle Grand Palais Éphémère auf dem Champ de Mars mit einem atemberaubenden Blick auf den Eiffelturm. Hier fand von 31. März bis 2. April die 25. Ausgabe der Art Paris statt.


Errichtet wurde es 2021 nach Plänen des Architekten Jean-Michel Wilmotte im Auftrag der Staatlichen französischen Museen–Réunion des musées nationaux et du Grand Palais des Champs-Élysées und des Organisationskomitees der Olympischen Sommerspiele 2024. Der technische Betrieb und der Rückbau wurde dem Veranstaltungskonzern Gl Events übertragen. Das Gebäude dient als Ersatz für den wegen Renovierungsarbeiten geschlossenen Grand Palais und ist als Austragungsort für die Olympischen Spiele in Paris 2024 gedacht. Danach soll das Gebäude demontiert werden. Aber das war auch der ursprüngliche Plan für das zur Weltausstellung in Paris 1900 vor mittlerweile 123 Jahren errichtete Grand Palais.

Ein temporäres Palais anstelle eines Messezeltes – ART PARIS 2023

Fakt ist, als Austragungsort einer Kunstmesse ist es wesentlich professioneller als die noch ephemereren Messezelte, allerdings bieten Nutzungsvielfalt und auch der finanziellen Einsatz der Auftraggeber eine ungleich andere Basis. Dennoch hat man anders als aktuell in Wien den Eindruck, sowohl hinsichtlich der Bereitstellung einer Ausstellungshalle und auch der Bewerbung und Sichtbarkeit in der Stadt haben die Pariser Messen eine andere Grundlage. Wohl auch, weil die Wirtschaftlichkeit und internationale Strahlkraft des Kunststandortes Paris nicht zur Diskussion steht – beziehungsweise evident ist. Schließlich ist das Grand Palais Éphémère auch Ausstellungshalle für die Art Basel Paris+  und die Paris Photo. Organisiert wird die Messe vom Familienunternehmen French Convention unter der Direktion von Guillaume Piens. Sie ist trotz internationaler Galeriebeteiligungen eine – wie sie selbst in der Presseaussendung schreibt – regionale Messe, die sich auch an ein lokales Publikum richtet. Was die Messe in der Pariser Kunstszene oft in die Kritik brachte, jedoch durchaus Sinn macht, da die internationalere Art Paris + ein anderes Galerieportfolio zeigt, das kleinere Galerien aus Paris oder Frankreich nicht inkludiert.

Grand Palais Éphémère, Foto: Art Paris 2023 © wikicommons/Yasminkaa

Grand Palais Éphémère, Foto: Art Paris 2023 © wikicommons/Yasminkaa

Die 134 ausstellenden Galerien bieten daher vor allem einen Querschnitt durch die französische Galerienszene. Auffallend viel Kunst aus Afrika und der afrikanischen Diaspora ist zu sehen, figurative Malerei überwiegt und durch den diesjährigen speziellen Fokus auch verstärkt Fotografie. In all diesen Bereichen ist die Qualität durchaus durchwachsen. 

Zanele Muholi bei Galerie Carole Kvasnevski
Hinsichtlich Top Qualität von Künstlern afrikanischer Herkunft lohnt es vor allem bei Galerie Carole Kvasnevski vorbeizuschauen. Carole Onambélé Kvasnevski stammt aus Kamerun und gründete 2010 einen Raum in Paris mit Fokus auf kulturelle Vermittlungsprogramme, 2016 wurde die Plattform zu äußerst erfolgreichen Galerie Carole Kvasnevski, mit einem Schwerpunkt auf Up&Coming Künstler:innen aus Afrika und seiner Diaspora. Eine davon ist Zanele Muholi, die seitdem internationale Aufmerksamkeit bekam und aktuell auf im La MEP in Paris eine Einzelausstellung hat (siehe PARNASS 01). Auf der Messe sind einige Fotografien von ihr, aber auch Fotoarbeiten von Angèle Etoundi Essamba (*1962 Kamerun) und Gemälde der südafrikanischen Künstlerin Leila Rose Fanner ausgestellt.

Galerie Carole Kvasnevski, Art Paris 2023, Foto: PARNASS

Galerie Carole Kvasnevski, Art Paris 2023, Foto: PARNASS

Aus Österreich vertreten Galerie Ernst Hilger
Durchaus erfreulich verlief die Messe  für die Galerie Hilger, die als einzige aus Österreich angereist ist. Ernst Hilger ist sein langem ein Stammgast auf der Messe und verfügt dementsprechend über viele Kontakte und Gäste am Stand. Zudem vertritt er seit vielen Jahren neben anderen französischen Künstlern, den 1932 in Island geborenen seit den 1950er-Jahren in Paris lebenden Künstler Erró. Von ihm zeigt Ernst Hilger eine wunderbare Auswahl früher Collagen und Bilder, in den sich die vielfältigen Eindrücke aus den Reisen des kosmopolitischen Künstlers manifestieren – mit Erfolg wie das Sammlerinteresse zeigte. Weiters unter anderem bei Hilger Arbeiten der letzten Jahre des US-amerikanischen Street Art-Künstlers und Grafikers Shepard Fairey, der ebenfalls auf Kaufinteresse stieß. Darunter rautenförmige Mixed Media Collagen auf Papier von 2019 um je 12.000 Euro und zwei sehr schöne Werke, in den Fairy mit Siebdruck, Mixed Media und Collage auf Holz arbeitete und die preislich bei 4.900 Euro liegen:  „Eyes Open“ von 2021 und „Wide Awake Eyes Open“, entstanden 2020.

Galerie Ernst Hilger, Art Paris 2023, Foto: PARNASS

Galerie Ernst Hilger, Art Paris 2023, Foto: PARNASS

Mit in Paris hatte Ernst Hilger auch Werke des britischen Künstlers Allen Jones, und des 2018 verstorbenen französischen Malers und Filmemachers Jacques Monory, wo eine große Arbeit von 2012 in eine gute Pariser Sammlung verkauft werden konnte. Der 1934 in Paris geborene Jacques Monory zählt zu der Gruppe der Figuration Narrative, die sich von den Tendenzen der Nouveaux Réalistes deutlich abhob und neue Aspekte der kritischen Analyse der populären Bildsprache verfolgten. 1965 fand in Paris die große Ausstellung "Narrative Figuration" mit 68 Künstlern statt, in der Jacques Monory eine wesentliche Rolle spielte. Bereits damals präsentierte er nicht nur Malerei sondern auch Experimentalfilme. „Ich bin ein Maler des Kinos. Citizen Kane hat mich mehr beeindruckt als Veronese“ so Jacques Monory, was sich auch in seinen Bildern dokumentiert. Auch das Wiener mumok besitzt eine Arbeit aus den 1970er-Jahren in der Sammlung. Weiters bei Hilger: Skulpturen von Tom Sachs und die charakteristischen, figurativen Kugelschreiberzeichnungen von Assunta Abdel Azim Mohamed. Insgesamt eine feine qualitative Auswahl, die auch von den Sammlern honoriert wurde.

Galerie Ernst Hilger, Art Paris 2023, Foto: PARNASS

Galerie Ernst Hilger, Art Paris 2023, Foto: PARNASS

Junge Galerien auf der Art Paris

Ein kleiner Sektor ist Galerien gewidmet, die nicht länger als sechs Jahre am Markt sind. Neben so exotischen Einblicken wie der Galerie Rebelde aus Guatemala ist vor allem die Spaceless Gallery hier zu nennen. Auf dem gut kuratierten und gehängten Stand präsentiert Béatrice Masi, Gründerin der Galerie Spaceless, bei ihrer ersten Teilnahme auf der Art Paris einen Dialog zwischen drei aufstrebenden, in Frankreich lebenden Künstler:innen: die aus der Ukraine stammende Keramikerin Olga Sabko, Aurèce Vettier, der in seiner künstlerische Praxis auf sehr sensible Weise Poesie und künstliche Intelligenz miteinander verbindet, und Quentin Derouet, ein multidisziplinären Künstler, der Pigment gewonnen aus Rosenblüten als Malmittel verwendet. Auch das Galeriekonzept klingt interessant. Es handelt sich nicht um keine Pop Up Galerie, betont Masi, sondern um eine "Galerie mit nomadischem Charakter mit dezentralisierten Präsentationen jüngere Gegenwartskünstler aller Medien an einzigartigen Orten auf der ganzen Welt." – und aktuell wohl in Paris.

Spaceless Gallery, Art Paris 2023 Foto: PARNASS

Spaceless Gallery, Art Paris 2023 Foto: PARNASS

Nur wenige Galerien haben einen Schwerpunkt auf konkret-reduktive Kunst. Hier vor allem zu nennen die Galerie Oniris aus Rennes: Sie zeigt ausschließlich konkret-reduktive Werke von Künstlerinnen. Darunter einen Querschnitt an Arbeiten der französischen, 1924 in Budapest geborenen Pionierin der Computerkunst Vera Molnár – mit Werke aus 1979 bis 2020, weiters Aurelie Nemours (1910-2005), Ode Bertrand (*1930) und Marie-Thérèse Vacossin sowie ein Mobile der Architektin Odile Decq (*1955). Ein bemerkenswerter Stand. Am Previewtag waren durchaus schon eine Reihe von roten Punkten auszumachen – allerdings war zu vernehmen, dass es nicht bei allen Galerien ein guter Start gewesen sein soll.

Galerien wie Kamel Mennour, A&R Fleury und Lelong punkten mit Klassikern. Darunter ein sehenswerte Arbeit von Richard Serra, „Backstop I" von 2021, oder eine fast schon visionäre und vor allem sehr humorvolle Bronzeskulptur von Barry Flanagan, „Thinker on Computer“ von 1996, bei Lelong. A&R Fleury zeigte mit „The blue between the red and green“ von Sam Francis und „Composition abstraite“ von Serge Poliakoff, der in der Farbwahl Vergleiche mit dem Werk Roland Goeschls zulässt. Noch aufgefallen ein George Mathieu und Antonio Saura, beide von 1958 bei Opera Galerie. Galerie Perrotin brachte gefühlt sein ganzes Künstlerportfolio auf die Messe, darunter Sehenswertes von Bernard Frieze und Gregor Hildebrandt. 

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