Gallery Diary - Wonnerth Dejaco | Daniel Ferstl

Die Ausstellung "Lovers" von Daniel Ferstl ist bis 16. April 2022 in der Galerie Wonnerth Dejaco zu sehen.


In Daniel Ferstls Ausstellung „Lovers“ fallen zunächst die cartoonhaften Figuren auf, die eine gespaltene Existenz in den Galerieräumen fristen: zum einen als Protagonist:innen von großformatigen Porträts, die als schimmernd bunte, weiche Textilreliefs an den Wänden hängen; zum anderen in Form von Stofftieren und Sitzmöbeln im realen Raum.

1/5 | Daniel Ferstl, Dreams, 2022, acrylic on canvas, 160 x 125 cm. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

2/5 | Daniel Ferstl, A flower is all you need, 2022, foam, PU-satin, yarn, cotton, wool, pouf, 35 x 102 x 85 cm. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

 

3/5 | Daniel Ferstl, The secret of my success, 2022, PU-satin, plush, foam, wool, yarn, cotton, wood, 160 x 125 cm. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

4/5 | Daniel Ferstl, Schwarze Rose Rosemarie, 2022, PU-satin, plush, foam, plush, wool, yarn, cotton, wood, 160 x 125 cm. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

5/5 | Daniel Ferstl, AT-Field (Flower), 2022, PU-satin, plush, foam, 160 x 125 cm. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

Die Accessoires, die ihren Bildnissen den Anschein von allegorischen Darstellungen verleihen, haben sie scheinbar abgelegt. Als hätten die Figuren mit dem Verlassen des Bildträgers sowohl den physischen Halt als auch ihre Haltung verloren, wirken sie erschlafft, erschöpft, verzweifelt. Ein mögliches Narrativ dieser Inszenierung offenbart sich schnell: Ihre seidig-glänzenden, flauschig-weichen Darsteller scheinen aufgespalten in verschiedene ­Daseinsbereiche – in verschiedene, mit diesen einher gehende Bewusstseinszustände. Gegenüber den erschöpften Stoffskulpturen, mit denen die Betrachter*innen die drei­dimensionale Präsenz im Real­raum teilen, erscheinen die Bilder an der Wand wie imaginäre Projektionen – Avatare ihrer selbst. In “A Fool Such As I” (2022), zum Beispiel, steht im Zentrum des Bildes eine offensichtlich mit der Herstellung eines Selfies beschäftigte Blume. Um sie herum sind isolierte Körperteile und Fragmente von Fitnesscenterutensilien appliziert. Sauber und geordnet umgeben sie das mit muskulösen Blätter-Armen posierende Pflänzchen, als wären sie integrale Teile seines per Smartphone zu kommunizierenden Selbst-Bildes.

Daniel Ferstl, Lovers, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2022. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

To understand bad taste one must have very good taste.

John Waters, Shock Value: A Tasteful Book About Bad Taste, New York 2005

In Daniel Ferstls Kunst findet die eigene Subjektivität ein Gravitationszentrum in der emphatischen Bejahung der Oberfläche und der imaginären wie auch symbolischen Leere – in der Aufgabe des standardisiert-­idealisierten Ichs im Vertrauen auf den eigenen, wie auch immer schräg und vermeintlich kitschigen, Geschmack. Die „Leidenschaft des Geschmacksurteils ist das Innerste des Individuums“, so der Philosoph Christoph Menke. „Indem er Kraft ist – Leidenschaft (pathos) oder Energie“ wendet sich der Geschmack „als Vermögen autonomer Subjektivität“ gegen die Kontrolle durch Operationen der Reflexion und der Anpassung.[5] Dennoch ist das Geschmacksurteil niemals beliebig, oder, wie John Waters sagt:„To understand bad taste one must have very good taste.“[6]

Daniel Ferstl, Lovers, installation view, Wonnerth Dejaco, Vienna 2022. © Wonnerth Dejaco and the artist. Photo: Peter Mochi

Galerie Wonnerth Dejaco

Ballgasse 6, 1010 Wien
Österreich

Daniel Ferstl

bis 16. April 2022


[5] Christoph Menke, „Ein anderer Geschmack“, in ders. und Juliane Rebentisch (Hg.), Kreation und Depression. Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus, Berlin 2012, S. 236–237.

[6] John Waters, Shock Value: A Tasteful Book About Bad Taste, New York 2005.

Der Pressetext wurde gekürzt.