Gallery Diary: Galerie Widauer | Sunah Choi

Sunah Choi widmet sich in ihrer aktuellen Ausstellung in der Galerie Widauer der Frage nach Werkstoff und Funktion aber auch nach Form und Materialität.


Im großen Raum positioniert sie möbelähnliche Gebilde, die jedoch keine Funktionalität haben. So gruppiert sie etwa eckige Stahlelemente, vermeintliche Tische, die sie mit farbigen runden Glaskörpern kombiniert. Doch entspricht ihnen eben keine Alltagsfunktion, vielmehr geht es um reine Form-, Material- und Farbkontraste.

Das von ihr in feinen Rot-Orange oder Violett-Tönen bemalte Glas scheint gleichsam aleatorisch an scharfkantige Stahlelemente fixiert worden zu sein. Gewohnte Sehtraditionen löst die Künstlerin mit großer Leichtigkeit auf, es entstehen Materialkonstellationen, bei denen die Kontraste zwischen Kompaktheit, Festigkeit und Stabilität einerseits und semitransparenten Glasflächen in sanften Rundformen oder als geometrische Elemente im Mittelpunkt der Rezeption stehen. Die künstlerischen Möglichkeiten geschichteter Glaselemente lotet sie mit Werken wie „Ganzer Tag“ (2022) als raumgreifender Wandinstallation im großen Raum aus.Glaselemente sind auf der regelartige Stahl-Konstruktion gelegt, die an der Wand befestigt sind.Sie sind lichtdurchlässig, was zu schönen Lichtbrechungen und Schattierungen führt. Die präzise geometrische Konstruktion wird durch die sensible Behandlung der farbigen Glasoberflächen durchbrochen. Der assoziativ zu verstehende Titel bezieht sich auf die formale Aura des einzelnen Werkes. Der „ganze Tag“ erscheint als siebenteiliges Wandelement als in sich geschlossene vielfarbige Form, die in sich zu ruhen scheint.

Ausstellungsansicht, Sunah Choi, Courtesy of Galerie Widauer

Eine besonders schöne Rauminstallation ist das Werk „Lichter“, als 27-teiliges zartes „Wandbild“, das durch unterschiedliche Abstände zwischen den einzelnen kleinen Wandelementen den Raum fast wie in musikalischer Weise rhythmisiert. Jedes Element ist zugleich exaktes formales Gebilde, das jedoch durch unterschiedlich farbige Glasbeschichtungen auratischen Glanz einfängt. Durch die verschiedenen Höhen, Farbigkeiten und Positionen im Raum entstehen kleine Lichthöfe um das jeweilige Element, welche die reine Materialität und geometrische Formgebung auf sanfte Weise zugunsten subtiler Schattierungen auflösen.

Glas und Licht sind Elemente des Immateriellen, sie sind durchlässig und greifen den Raum auf, der sie umgibt. Dem gegenüber steht die Stahlkonstruktion in Sunah Chois Werken als unerschütterliches geometrisches Fundament, das als solide Basis für die schwebenden Glaselemente dient. Und so mögen die konkreten formalen Farb-konstruktionen bzw. kompositionen auch als metaphorische Referenzen an existentielle Gegensätze, an duale Prinzipien erinnern, die scheinbar unvereinbar sein mögen und sich doch auf unerwartete Weise ergänzen. Sunah Chois Werke sind geprägt von formalen, materiellen und atmosphärischen Gegensätzen wie die metallische Legierung Stahl und das auf natürlicher Herkunft basierende Element Glas, das zumeist aus einer Mischung aus den Grundstoffen Quarzsand, Soda und Kalk besteht. Die Farbe wird bei der Künstlerin als weiteres atmosphärisch aufgeladenes Element eingesetzt. Die Farbflächen sind immer noch leicht lichtdurchlässig, transparent und im Farbauftrag lebendig.

Ausstellungsansicht, Sunah Choi, Courtesy of Galerie Widauer

Die auch im Ausstellungstitel Rosa thematisierte Leichtigkeit der Umsetzung steht im Mittepunkt der künstlerischen Konzeption. Sunah Choi versteht die Ausstellung ihrer Werke als Inszenierung disparater formaler Objekte, die jedoch gerade durch scheinbar gegensätzliche Dichten, formale und atmosphärische Aspekte zu Bezugssystemen unserer Wahrnehmung werden. Eine Gruppe vermeintlicher tischartiger, auch farblich kompakter Objekte trifft auf geometrische Wandelemente und Wandinstallationen. Es ist ein wunderbares Geflecht aus raumgreifender Skulptur, mit großer Leichtigkeit gesetzten Wandelelementen und kleinen, fast fragilen Lichtformen, die ebenso den Raum erfüllen. Ein Spaziergang durch vielseitige materielle Welten, die durch die Immaterialität von Glas, Farbe und Licht zu schwerelosen aber auratisch dichten Raumbelebungen werden.

Galerie Johann Widauer

Erlerstrasse 13, 6020 Innsbruck
Österreich

Sunah Choi

bis 28. Oktober 2022