Gallery Diary - Galerie Raum mit Licht | Andrea van der Straeten

Remote Horizon ist die zweite Einzelausstellung von Andrea van der Straeten in der Galerie Raum mit Licht.


Die Künstlerin wurde 1953 in Trier geboren. Bereits seit 1987 lebt sie in Wien. Sie arbeitet u.a. in den Medien Fotografie, Grafik, Film, Video und Performance. Daneben entstehen auch Artist’s Books, Soundarbeiten und Installationen. Ein häufig wiederkehrendes Element ist Sprache, die sie auf ganz unterschiedliche Art und Weise, mal mit einer gewissen Härte und Prägnanz, mal mit großer Sensibilität und einem feinen Gespür für Poesie zu ihrem Material macht. Im Vergleich zu früheren Ausstellungen spielt die Auseinandersetzung mit Sprache in dieser Ausstellung allerdings eine untergeordnete Rolle. Was die Arbeiten vereint, ist vielmehr ein künstlerisches Interesse an ambivalenten Bildstrukturen, medialen Übersetzungsprozessen, der Fragilität des Materiellen, aber auch des Seins an sich.

Die Ausstellung umfasst Arbeiten aus 32 Jahren. Insofern funktioniert sie  auch wie eine einstige Gewissheiten couragiert auf den Prüfstand stellende Revision der eigenen Arbeitsweisen seit den 1990er Jahren. Viele Werke haben stark zeichenhaften Charakter. Sie zeigen Oberflächen im Zustand der Instabilität und der Zerrissenheit. Doch genau daraus gewinnen sie auch ihre Faszination und Schönheit.

Die 2020 als Artist’s Book erschienene Serie „Collision“ kombiniert Fotos von gewaltsam zerstörten Schaufensterscheiben in verschiedenen Städten mit verschwommenen Bildern von leuchtend bunten Blumen. Die Bruchmuster sind das Resultat von Einbruchsversuchen oder sozialen Unruhen. Statt zu zerbersten bildet das Sicherheitsglas eine naturähnliche, an bizarre Spinnennetze erinnernde Struktur mit einer ganz eigenen Ästhetik.

Ausstellungsansicht, Galerie Raum mit Licht, Andrea van der Straeten, Foto: kunstdokumentation.com

Während hier die Auswirkungen punktueller Zeitmomente vorgeführt werden, beschäftigt sich Andrea van der Straeten in Arbeiten wie „Remote Horizon“ (2021) oder „Territory“ (2021) stärker mit Zeit- und Raumkontinuen. Zu sehen sind mittels Durchlicht entstandene fotografische Aufnahmen von Betttüchern, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts von Hand gewebt worden sind und durch ihren kontinuierlichen Gebrauch, aber auch durch Akte des Reparierens zu ganz unverwechselbaren „Individuen“ geworden sind, an welchen sich auch die Geschichte ihrer Benutzung ablesen lässt. Andrea van der Straeten interessiert sich jedoch weniger für den narrativen Gehalt der geflickten Bettlaken, sondern mehr für den diffizilen Akt des Übersetzens in fotografische Bilder. Gleichzeitig weisen diese Arbeiten auch eine große visuelle Verwandtschaft mit kartografischen und topografischen Darstellungen oder Landschaftsbildern auf.

 

Ausstellungsansicht, Galerie Raum mit Licht, Andrea van der Straeten, Foto: kunstdokumentation.com

So bilden sie vielleicht auch eine Brücke zu denjenigen Arbeiten, die sich noch unmittelbarer mit Phänomenen der Natur oder geologischen Vorgängen auseinandersetzen. So zeigt die Arbeit „Hush,Hush!“ (1992) Aufnahmen des Teppich-Krokodilfischs, eines Virtuosen der Mimesis, der seine Hautoberfläche perfekt an die Farben und Muster des Meeresuntergrunds anpassen kann. Die vier Polaroid-Aufnahmen der Arbeit „08/2015 # 1-4“ (2015) wiederum zeigen bizarre Lehmgesteinsformen, die plötzlich aus der Erde herausgewachsen sind.

Ausstellungsansicht, Galerie Raum mit Licht, Andrea van der Straeten, Foto: kunstdokumentation.com

Ausstellungsansicht, Galerie Raum mit Licht, Andrea van der Straeten, Foto: kunstdokumentation.com

Ausstellungsansicht, Galerie Raum mit Licht, Andrea van der Straeten, Foto: kunstdokumentation.com

In den Arbeiten „Falter #1 + #2“ (2021) verwendet Andrea van der Straeten einen, aus Recherchen über Insektenbeine entwickelten frei verfügbaren Zeichensatz (Font) der französischen Designerin Alice Savoie, den sie auf Stoffe mit Blumenmustern printet. Eine weitere Textarbeit ist die zweiteilige Schwarz-Weiß-Fotografie „Falken und Sperlinge“ (1990), basierend auf einem literarischen Zitat von T.S. Eliot. In der Videoarbeit „Nervous Yellow“ (2020) schließlich kulminiert das die gesamte Ausstellung durchziehende nervöse Zittern des Weltzusammenhangs in Form einer Zitrone, die auf einem spiralförmigen Eierbecher aus Metall thront und unablässig vor sich hin vibriert.

Galerie Raum mit Licht

Kaiserstraße 32, 1070 Wien
Österreich

ANDREA VAN DER STRAETEN

REMOTE HORIZON

bis 22.04.2022