"Female Identities in Chinese Contemporary Art"

Chinesisch, weiblich, zeitgenössisch: STEPPING OUT! im MDM Salzburg

“STEPPING OUT!” zeigt Werke von 26 zeitgenössischen Künstlerinnen aus Festlandchina. Die Ausstellung setzt der in der westlichen Welt seit 25 Jahren herrschenden männlichen Dominanz in Präsentationen aktueller chinesischer Kunst ein kraftvolles weibliches Statement entgegen.


Das Museum der Moderne Salzburg ist die dritte Station der Ausstellung, die zuvor im Lillehammer Kunstmuseum in Norwegen und im Kunstforeningen GL STRAND in Kopenhagen zu sehen war und in intensiver Zusammenarbeit entstanden ist. Initiator Nils Ohlsen vom Lillehammer Kunstmuseum wurde nicht nur von den Kuratorinnen Christina Penetsdorfer (MdM Sbg.) und Anne Kielgast (Kunstforeningen GL STRAND) unterstützt. Mit dem Kurator Feng Boyi aus Peking und der Künstlerin Liu Xi aus Shanghai wurden auch aktive Akteure der chinesischen Kunstszene ins kuratorische Team geholt um einer möglichst authentischen Veranschaulichung gerecht zu werden.

Obwohl seit den späten 1980er-Jahren auch in China Frauen mit Vehemenz die männliche Dominanz im zeitgenössischen Kunstgeschehen aufbrachen und öffentlich markante Auftritte setzten, war (und ist) ihr Potenzial im westlichen Raum kaum präsent, lag die Konzeption von Ausstellungen und anderer Öffentlichkeitsarbeit doch meist in männlicher Hand. Nun gibt die vielgestaltige multimediale Schau einen Einblick in das Schaffen von etwa drei Generationen chinesischer Künstlerinnen. Die Palette reicht von Pionierinnen, die noch vom Trauma der Kulturrevolution der 1960er-Jahre geprägt sind, bis zu jüngsten und weithin weniger bekannten Positionen. Die wirtschaftliche Öffnung Chinas in den 1980er-Jahren ermöglichte auch den Frauen einen Austausch mit der westlichen Welt und führte zu neugierigen, experimentellen und aktionistischen Ausdrucksformen. Der Aufstieg Chinas zur Weltwirtschaftsmacht und der damit einhergehende Turbokapitalismus der jüngsten Geschichte finden ihre kritische Reflexion in den jüngeren Werken. 

Drastisch, aber poetisch

Der Erzählstrang der Schau verläuft thematisch, er zeigt die Frau als verletzliches Individuum, ausgesetzt einem Spannungsfeld zwischen Macht der Tradition von Patriarchat und Hierarchie, parteipolitischer Ideologie und wirtschaftlichem Umbruch. Seit Beginn der 1990er-Jahre setzen die Künstlerinnen vor allem ihren eigenen Körper als zentrales Medium ein, das mitunter schmerzhaft und schonungslos in Szene gesetzt wird. Von einer mehr universellen Ebene mit allgemein gesellschaftlicher Thematik gelangt die Narration zu persönlicher Intensität, thematisiert Sexualität, Wut und Machtlosigkeit und spiegelt in drastischen, aber auch in poetischen Werken die unmittelbare Wirklichkeit im gegenwärtigen China ab.

Gleichwohl die Künstlerinnen das Frausein, ihre Identität und eigene Subjektivität in den Focus ihres vielfältigen Schaffens stellen, distanzieren sie sich meist von unserem Begriff des Feminismus. Unter Mao sollte das Frauenbild mit dem Leitspruch „Frauen tragen die Hälfte des Himmels“ dem des Mannes möglichst identisch gemacht, d.h. diesem angeglichen werden, was bis heute nachhallt. Ein Feminismus widerspräche demnach einer einigenden sozialen Solidarität. Es geht weniger um die Relation zum männlichen Geschlecht, sondern vielmehr darum, die verlorene subjektive Weiblichkeit wiederzugewinnen, durch Strategien der Vergewisserung und Vergegenwärtigung.

Luo Yang, aus der Serie „Girls“, 2008–17, chromogener Abzug, Courtesy of Luo Yang, © Luo Yang

Luo Yang, aus der Serie „Girls“, 2008–17, chromogener Abzug, Courtesy of Luo Yang, © Luo Yang

Und dazu ermöglicht „STEPPING OUT!“ den Künstlerinnen einen kühnen nicht zensurierten Auftritt, der heute in China nicht realisierbar wäre, und uns einen spannenden und nachhaltenden Einblick in ihr brisantes und vielschichtiges Werk.

Geng Xue, Mr. Sea, 2014, High-Definition-Video (Farbe, Ton), 14 Min., Courtesy of Geng Xue, © Geng Xue

Geng Xue, Mr. Sea, 2014, High-Definition-Video (Farbe, Ton), 14 Min., Courtesy of Geng Xue, © Geng Xue

He Chengyao, Testimony, 2001–02, 3 chromogene Abzüge, Courtesy of He Chengyao, © He Chengyao

He Chengyao, Testimony, 2001–02, 3 chromogene Abzüge, Courtesy of He Chengyao, © He Chengyao

Li Xinmo, Nowhere to Say Goodbye, 2011, Video der Performance, 2011, Dingshun Contemporary Art Space, Peking, Video (Farbe, Ton), 19:06 Min, Courtesy of Li Xinmo, © Li Xinmo

Li Xinmo, Nowhere to Say Goodbye, 2011, Video der Performance, 2011, Dingshun Contemporary Art Space, Peking, Video (Farbe, Ton), 19:06 Min, Courtesy of Li Xinmo, © Li Xinmo

Cao Fei, Whose Utopia, 2006, Video (Farbe, Ton), 20:20 Min., Courtesy of the artist, Vitamin Creative Space, and Sprüth Magers, © Cao Fei

Cao Fei, Whose Utopia, 2006, Video (Farbe, Ton), 20:20 Min., Courtesy of the artist, Vitamin Creative Space, and Sprüth Magers, © Cao Fei

Luo Yang, Xiyuan (Flowers), 2017, aus der Serie „Girls“, 2008–17, chromogener Abzug, Courtesy of Luo Yang, © Luo Yang

Luo Yang, Xiyuan (Flowers), 2017, aus der Serie „Girls“, 2008–17, chromogener Abzug, Courtesy of Luo Yang, © Luo Yang

Bu Hua, Savage Growth, 2008, Flash Animation (Farbe, Ton), 3:52 Min., Courtesy of Bu Hua, © Bu Hua

Bu Hua, Savage Growth, 2008, Flash Animation (Farbe, Ton), 3:52 Min., Courtesy of Bu Hua, © Bu Hua

Museum der Moderne Salzburg-Mönchsberg

Mönchsberg 32, 5020 Salzburg
Österreich