Nachruf

Wolfgang Hollegha ist gestorben

Wolfgang Hollegha ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Er gilt als einer der wichtigsten abstrakten Künstler Österreichs und entwickelte einen eigenen Stil der oft als „Naturlyrismus“ bezeichnet wurde. Früh wurde ihm internationale Aufmerksamkeit geschenkt, doch zog er der Weltkarriere ein Künstlerleben im steirischen Rechberg vor. „Weltkunst im Versteck der Provinz“, beschrieb der Kunsthistoriker und Kurator Günther Holler-Schuster einmal das Leben des Künstlers.


Nach dem frühen Tod seiner Eltern, wuchs Hollegha, der 1929 in Klagenfurt geboren wurde, bei seinen Verwandten in der Steiermark auf, maturierte in Graz und studierte 1947 bis 1954 an der Akademie der bildenden Künste in Wien in der Meisterklasse Josef Dobrowsky. Mit Josef Mikl, Markus Prachensky und Arnulf Rainer gründete er 1956 die „Malergruppe St. Stephan", die als Avantgarde der abstrakten Kunst galt. Vor allem in den USA konnte er frühe Erfolge feiern, so erhielt er 1958 den Guggenheim-Preis und der New Yorker Kunstkritiker Clement Greenberg wurde auf ihn aufmerksam und präsentierte seine Werken in einer Gruppenausstellung gemeinsam mit Arbeiten von Morris Louis, Barnett Newman, Kenneth Noland und David Smith und zeigte 1960 eine Personale des jungen Künstlers. Hollegha reüssierte in der New Yorker Nachkriegsmoderne, wurde mit dem Carnegie-Preis Pittsburgh ausgezeichnet und stellte mehrfach im Guggenheim aus, 1964 präsentierte er sein Werk bei der „documenta III" in Kassel. „Es ist wohl eine kunsthistorische Überraschung, dass Hollegha als einer der ganz wenigen europäischen Maler ein derartig selbstverständliches Naheverhältnis zur amerikanischen Malerei der Nachkriegszeit aufweist“, so Günther Holler-Schuster im Katalog der Galerie Welz, die dem Künstler 2019 eine umfangreiche Personale widmete. Mit Künstlern wie Sam Francis, Helen Frankenthaler, oder Morris Louis, mit denen Hollegha in den USA in den 1960er-Jahren ausstellte, „teilte er sowohl die Revolution des Bildraumes, das Großformat als auch die grundsätzliche Bildauffassung.“

Doch Hollegha entschied sich gegen eine Karriere in den USA, kaufte einen 400 Jahre alten Bauernhof hoch oben am Rechberg in der Steiermark und baute oberhalb des Bauernhofes ein lichtdurchflutetes Sommeratelier. In den Wintermonaten arbeitete er allerdings in seinem Bauernhaus, wo er sich ebenfalls am Dachboden ein großes Atelier eingerichtet hat. Ebendort haben Clarissa Mayer-Heinisch und  Chefredakteurin Silvie Aigner den Künstler damals zu seinem 90. Geburtstag besucht.

Im Inneren elegante, beinahe archaische Bescheidenheit und einnehmende Stille. Nach oben hin öffnet sich das Haus zu zwei großzügigen, hellen Ateliers. „Das Winteratelier und ein Bilderdepot“, wie uns Hollegha bei unserem Besuch erzählt.

Hollegha sah die frühe Entdeckung Greenbergs und vor allem auch in dessen Kunstauffassung auch als Einengung. „Wäre ich dort geblieben, was wäre passiert?“, fragt er im Gespräch: „Ich wäre ein Galeriemaler geworden, ohne meinen eigenen Ideen nachzugehen. Ja, ich hätte erfolgreicher sein können, wäre ich in New York geblieben. Aber dort zu leben hat mich nie interessiert.“

Wolfgang Hollegha, Foto: PARNASS

Anfang der 1960er-Jahre zieht er sich am Rechberg bei Semriach vom Trubel der Großstadt zurück, auch während seiner Zeit an der Akademie der bildenden Künste in Wien, wo er von 1972 bis 1997 unterrichtete. „Es ist ein Kosmos, der da entstanden ist, dem man sehr sensibel begegnen muss. Dann allerdings eröffnet er einem jeden etwas, was man sich zuvor kaum vorstellen konnte“, so Holler-Schuster. Grundlage seiner Kunst ist die Naturbetrachtung, doch wird das reale Erlebnis, das sie in vielen seiner Zeichnungen noch manifestiert und sichtbar bleibt in der Folge einer Transformation unterzogen.

Für mich ist das, was ich sehe, eine Art von Wahrheit.

Wolfgang Hollegha

Ausgehend von der sichtbaren Natur übersetzt Hollegha seine Wahrnehmungen in ein System von Farbflecken, sie bilden ein Äquivalent zum ursprünglichen Gegenstand oder wie Hollegha meint: „Ich will nicht von der Natur weg, sondern mit Hilfe der Abstraktion zur Natur hin. Wenn ich ein Motiv sehe, habe ich eine Ahnung. Es entsteht ein Vokabular von Bewegungen, die etwas bewirken. Wenn man durch den Wald geht, ist alles ein bisschen schief. Dieses Organische, Gewachsene, Verwortakelte inspiriert mich. Für mich ist das, was ich sehe, eine Art von Wahrheit. Die geometrische Form ist absolut richtig, aber absolut unvereinbar mit der Verschiedenheit, der Individualität der Menschen. Die Einheit von Kontrasten: Das ist für mich Malerei“, beschrieb Hollegha einmal seine Malmethode.

Man muss den Zusammenhang finden, das Bild muss geschlossen sein, weil es nur dann richtig ist.“ Seine Bilder sind nur auf den ersten Blick zufällig und spontan. Von der Auswahl der Farbtöne bis zu ihrer Setzung am Bildgrund ist jedoch alles geplant. Stets arbeitet Hollegha mit einem Repertoire von sorgfältig ausgewählten acht bis zehn Farbtönen, die er durch langsames Schütten auf die Leinwand aufgetragen wird.

Wolfgang Hollegha, Foto: PARNASS

Es ist ein Art malerisches Begreifen der Natur (Günther Holler-Schuster) und so übersetzt er seine Wahrnehmungen zeitlebens in Farbe und Geste und zumeist in großen Formaten. Als einer der österreichischen Revolutionäre des Bildraums, würdigte ihn die Wiener Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler in ihrem Nachruf, der sich „als österreichischer Avantgardist in die Kunstgeschichte einschreiben wird.“

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