Im Porträt

Thomas J Price - Figuration als Strategie

Ausstellungsansicht, ‘Thomas J Price. Beyond Measure,’ Hauser & Wirth Downtown Los Angeles, 24 May – 20 August 2023, © Thomas J Price, © Künstler und Hauser & Wirth, Foto: Keith Lubow

Im Vorfeld seiner Einzelausstellung in der Kunsthalle Krems spricht Thomas J Price über seinen Arbeitsprozess, seine Beziehung zur Musik und die Politik der Figuration – und erinnert sich an ein in Vergessenheit geratenes Performance-Stück.


PARNASS: Können Sie mir ein wenig über die Entstehung und Planung Ihrer Arbeit erzählen?

Thomas J Price: Es geht sehr stark um die taktile Erfahrung des Modellierens. Ich beginne mit einer schimärenhaften Form, die ich in meinen Gedanken sehe, und spiele mit dieser Form in Ton. So kann ich die Details kontrollieren und mir Zeit lassen. Ich sage manchmal, es ist wie ein Roadtrip: Man kann ein paar Umwege machen, um zu sehen, wo sie hinführen.

P: Hören Sie im Atelier Musik?

TJP: Ich nutze Musik viel mehr als nur im Atelier, um mich zu motivieren – als Mittel, um bestimmte Stimmungen in mir hervorzurufen. Als ich studiert habe, wurde meine Arbeit manchmal als opernhaft bezeichnet, obwohl ich nur Objekte hergestellt habe.

P: Wenn Sie nicht im Atelier sind, was machen Sie dann? Viele Künstler sprechen zum Beispiel von Spaziergängen in der Natur ...

TJP: Ich hatte das große Glück, zwischen London und dem Land aufzuwachsen, wo die Familie meiner Mutter herkommt. Ich hatte also schon immer ein Bewusstsein für unterschiedliche Umgebungen – ich denke, wenn man es genau betrachtet, ist das der Kern meiner Praxis: Beobachtung.

P: Haben Sie viele Gelegenheiten, aufs Land zu fahren?

TJP: [Lacht] Nein, nicht so oft. Als ich bei Hauser & Wirth anfing, hatte ich eine dreimonatige Residency in Somerset, wo sie eine Galerie haben. Die Zeit, die ich dort verbracht habe, hat meine kreative Seele wieder aufgeladen. Und dann habe ich angefangen, die Bilder, über die ich schon lange nachgedacht habe, voranzutreiben.

P: Ein Aspekt der Ausstellung, den ich ansprechen möchte, ist die Überlegung, dass jene Ihrer Kunstwerke, die sich im öffentlichen Raum befinden, vielen Menschen vertraut sind, nicht jedoch Ihr Schaffensprozess und Ihr weiteres Œuvre.

TJP: Es geht mir nicht nur darum, bestimmte Kunstwerke zu präsentieren, sondern auch darum, meine Arbeitspraxis vorzustellen. Es wird ein Sammelsurium meiner skulpturalen Köpfe, die knapp unter der menschlichen Größe liegen, auf Marmorsockeln zu sehen sein. Außerdem werden wir die Entstehungsgeschichte der Werke erläutern, was wichtig ist, um eine oberflächliche Interpretation zu vermeiden. Ich freue mich besonders darauf, Archivmaterial einer Performance mit dem Titel „Licked“ zu zeigen, die ich 2001 gemacht habe und bei der ich die Wände eines Galerieraums abgeleckt habe.

Porträt Thomas J Price, © Thomas J Price, Courtesy the artist and Hauser & Wirth, Foto: Ollie Adegboye

Porträt Thomas J Price, © Thomas J Price, Courtesy the artist and Hauser & Wirth, Foto: Ollie Adegboye

P: Ist dies das erste Mal seit der ursprünglichen Aufführung, dass „Licked“ gezeigt wird?

TJP: Ja, es ist das erste Mal. Wenn ich dieses Material nun in Krems zum ersten Mal zeige, wird das etwas ganz Besonderes sein.  Ich möchte mit dieser Ausstellung die Vorstellung der Menschen davon erweitern, warum es Figuration gibt.

P: Ich würde gern auch etwas über den Ort und das Publikum erfahren. Viele Ihrer jüngsten Arbeiten waren in einem britischen Kontext verwurzelt, zum Beispiel Ihr Windrush-Projekt in Hackney ... 

TJP: Wissen Sie, das erinnert mich daran, wie ich in Rotterdam eine Arbeit über eine junge schwarze Frau im öffentlichen Raum präsentiert habe. Viele Menschen fanden sich in diesem Werk wieder, sahen sich zum ersten Mal im öffentlichen Raum dargestellt. Aber es gab auch Leute, die in den Zeitungen schrieben:  Das sind nicht wir. Das ist nicht Rotterdam. Das finde ich interessant, denn das bedeutet, dass sie eine ganz bestimmte Vorstellung davon haben, was die Identität Rotterdams sein sollte. Offensichtlich gehören junge schwarze Frauen nicht dazu.

Meinungen wie diese haben die Gesellschaft fest im Würgegriff. Aber sie werden selten ausgesprochen, weil sie nie in Frage gestellt wurden, vor allem in Europa. Doch sobald man sie auch nur ein bisschen in Frage stellt, kommen sie zum Vorschein. Und ich war immer der Meinung, dass Kunst Debatten auslösen kann. Ich denke, das ist mir gelungen.

Thomas J Price, Licked, 2001, Performance, © Thomas J Price, Courtesy the artist and Hauser & Wirth

Thomas J Price, Licked, 2001, Performance, © Thomas J Price, Courtesy the artist and Hauser & Wirth

Thomas J Price, Ancient Feelings, 2023, Pink marble, 53.7 x 31.8 x 58.5 cm, Foto: Keith Lubow

Thomas J Price, Ancient Feelings, 2023, Pink marble, 53.7 x 31.8 x 58.5 cm, Foto: Keith Lubow

Kunsthalle Krems

Museumsplatz 5, 3500 Krems an der Donau
Österreich

Thomas J Price
Matter of Place

Bis 22. September 2024


Dieser Text wurde gekürzt. Den ganzen Beitrag lesen Sie in unserer Frühlingsausgabe

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