Die Pionierin mit dem Schweinefisch

Nachruf Gertie Fröhlich 1930 – 2020

Wenn Gertie (Gertrude) Fröhlich die 1954 auf ihre Anregung hin von Domprediger Monsignore Otto Mauer geründete Avantgardegalerie ironisch als „Pfadfindergalerie“ bezeichnete, weist dies auf ihre gute Kenntnis der Wiener Kunstszene nach 1945 hin. Robert Fleck hat dies in seinem Buch über die Galerie festgehalten, wie auch Fröhlichs Kontakte zum jüdischen Vorbesitzer Otto Kallir-Nirenstein und seiner Tochter Eva Maria. Da diese die Neue Galerie des Vaters in der Grünangergasse 1 nicht weiterführen wollte, die bis 1952 von Vita Künstler geleitet wurde, überredete Fröhlich Otto Mauer, Chef ihres Sommerjobs bei der Katholischen Aktion/Akademikerverband, nicht nur einige Räume zu mieten, sondern darin auch die Galerie (nächst) St. Stephan zu begründen. Neben ihrer Tätigkeit als Sekretärin (offiziell) machte sie das Programm und organisierte die Ausstellungen (inoffiziell) abends, tagsüber studierte Fröhlich bis 1956 an der Akademie bei Albert Paris Gütersloh Malerei. 1956 diplomierte sie und erhielt als erste Auszeichnung den Herbert Boeckl-Preis.

Davor war die 1930 in der Slowakei geborenen Tochter eines Lehrers und Organisten sowie einer Grafikerin in Preßburg aufs Gymnasium gegangen und litt wie ihre drei Schwestern am Trauma einer gefährlichen Flucht 1944 in den Westen zu Verwandten in Vöcklabruck. Die verlorene Heimat mit Gutshof und Fischteichen sollte sich später in ihren Plakaten und ihrer Malerei in „träumerischem Stil“ (Hans Rauscher) wiederfinden. Sie studierte auch Bühnenbild und -kostüm am Max Reinhardt-Seminar, dazu Typografie und diese Vielseitigkeit bewirkte, dass sie nicht nur künstlerische Grafik bis hinein in die Werbung durch Plakate, Logos, Corporate Identities, Briefköpfe und Vignetten in Brotberufe umwandelte, sondern auch als Kostümbildnerin für das Theater der Jugend, später auch das Vienna English Theater tätig war. Grafik für Zeitschriften wie die Wochenpresse, Die Furche und das Redaktionssekretariat für Neue Wege sind weniger bekannt als ihre über hundert Plakate, Flyer und Eintrittskarten für das 1964 von Peter Kubelka gegründete Filmmuseum, für die sie in Frankreich, England und den USA ausgezeichnet wurde. Gerte Fröhlichs künstlerischer Stil in ihren Federzeichnungen oder Aquarellen blieb trotz ihrer Nähe zur abstrakten Malergruppe der Galerie St. Stephan dem fantastischen Menschenbild treu, allerdings nie im Stil von Ernst Fuchs und Co. Sie zeigte 1956 die Realistin Käthe Kollwitz in der Galerie, davor 1955 eine interessante Schau zur Kinderkunst (mit ihrem Plakat) - diese Neigung zu naiver Ursprungskunst, später erst von Jean Dubuffet mit dem Namen Art Brut belegt, galt ihre Sympathie, sichtbar an manchem Motiv wie Schafen auf grüner Weide nebst Fischweiher und blauem Himmel mit Wolkenbäuschen. Die Zeichnungen kombinieren das bewusst „Naive“ mit einem für die 1970er Jahre typischen fantastisch-poetischen Zug, der heute einer österreichischen Variante der Pop Art zugerechnet wird.

ihre Bescheidenheit verhinderte lebenslang die Inanspruchnahme ihrer Pionierleistung bei der Galeriegründung.

1956 wurde Fröhlich schwanger und heiratete Markus Prachensky, Sohn Nikolaus wurde geboren und die Galerieagenda von der Malergruppe (Prachensky, Hollegha, Mikl und Rainer) übernommen. Wie lange sie weiter im Background die Fäden zog, ist unbekannt, denn ihre Bescheidenheit verhinderte lebenslang die Inanspruchnahme ihrer Pionierleistung bei der Galeriegründung. Die Wiener Avantgarde traf sich weiterhin in ihrer gemeinsamen Wohnung Sonnenfelsgasse 11, es gab Happenings, Diskussionen und zu den Malern gesellten sich Architekten wie Hans Hollein nebst Filmemachern Peter Kubelka und Ferry Radax.

Ab 1957 lebte Fröhlich mit Kubelka, bekam ein Stipendium nach Schweden, die gemeinsame Tochter Marieli ist heute selber Filmemacherin. Fröhlich erfand 1964 das Leitmotiv des Filmmuseums, einen „Schweinefisch“, nach dem Fabelwesen Zyphius von 1558. 1967 arbeitete sie in ein Verlagshaus nach New York, lebte dort einige Jahre, teils mit Kubelka, der bis 1984 im Filmmuseum ihre Plakate verwendete, die zeigte sie später in der Galerie von Peter Pakesch und in John Sailers Ulysses. Meist waren ihre wenigen Werke schnell ausverkauft, 1982 bekam sie den Preis der Stadt Wien, 1993 verlieh man ihr für die Pioniertätigkeit den Professorentitel. Fröhlichs Vielseitigkeit führte im Sinne erweiterter Kunst auch zu zwei großen Teppichaufträgen und zu besonderer „Eat Art“. In ihrer Lebkuchen Manufaktur machte sie figürliche Objekte, die André Heller auch in Hamburg bei „Luna Luna“ zeigte. In den 1980er Jahren kam als neue Herausforderung die grafische Dokumentation für die österreichischen Ausgrabungen in Ägypten. Am 17.5. ist Gertie Fröhlich, kurz vor ihrem 90. Geburtstag (am 29.6.) im Künstlerheim in Baden verstorben.

Das könnte Sie auch interessieren