Der Elefant ist tot!

Die 9. Ausgabe der viennacontemporary

Die viennacontemporary geht in die Offensive: Nach einigen Jahren fragwürdigen Nomadentums und undurchsichtiger Beteiligtenstruktur präsentiert sich die Kunstmesse gestärkt und hoffnungsfroh – die Altlasten sind entsorgt und ab 2024 steht die Rückkehr in die Messe Wien auf dem Programm.


Deutlich angesprochen wurde er äußerst selten. Der Elefant unter dem Dach der Wiener wie heimischen Kunstszene hat einen Namen: Kunstmessen. Es gibt kaum ein Land, in dem die Organisation und Durchführung von zeitgenössischen Kunstmessen mit einem derartigen Hickhack und Tohuwabohu begleitet wird. In den vergangenen Jahren wurde Sammlern wie kunstinteressierten Beobachtern der Eindruck vermittelt, dass das personelle oder finanzielle Scheitern einer Messe nicht unmittelbar Reduktion bedeutet, sondern die Szenerie an ein Medusenhaupt erinnert: Es wurden mehr. Allein von Anfang September bis Mitte Oktober machen sich in Wien fünf Messen (Parallel, viennacontemporay, Art Vienna, Art Austria und Fair for Art) auf die Suche nach spendierfreudigen Kunstliebhabern. Und das in einem Kunstmarkt, dessen Ankäufsquote im internationalen Vergleich, bei allen gemächlichen Steigerungsraten, als bescheiden beschrieben wird. In Österreich als einem der wohlhabendsten Länder der Welt rangiert das Sammeln zeitgenössischer Kunst auf den hinteren Rängen.

Aber zurück zur viennacontemporary: Die hatte ihren ganz eigenen Elefanten in Form des ehemaligen Besitzers Dmitry Aksenov. In den vergangenen Jahren sorgte der russische Immobilienmagnat für Kontroversen in der Galerienszene. Es wurde ihm ein Naheverhältnis zum Diktator Putin nachgesagt und manch einer verband seine Teilnahme an der Messe mit dem Ausscheiden des Russen. Nach einigem Ärger im vergangenen Jahr, als Aksenov im Firmenbuch noch als Mitgesellschafter geführt wurde, ist heuer alles paletti: VCT-Geschäftsführer sprach bei der Eröffnung den Elefanten deutlich an. Die Mühlen der österreichischen Bürokratie bei Unternehmensumgründungen mahlen extrem langsam, aber nun ist Aksenov amtlich passé. Daher fließt kein Geld mehr von dieser Seite, wie Huber betont. Um sofort in die Offensive zu wechseln: Die viennacontemporary wird nicht nur den Ort wechseln und quasi ein Comeback im Messegelände feiern, sondern auch auf 100 Galerien aufstocken. »Unser Anspruch ist definitiv, die weitaus wichtigste internationale Kunstmesse in Österreich zu werden«, unterstreicht Huber.

Soweit die Pläne der VCT für das kommende Jahr – wie inszeniert sie sich heuer? Durch die Zusatznutzung eines Zelts im Stadtpark präsentiert sie sich räumlich um vieles großzügiger. Ein Moment, der den individuellen Kunstgenuss um ein Vielfaches steigert. Nach der beängstigenden Enge des Vorjahrs verstärkt die VCT ihr internationales Flair. 61 Aussteller sind verzeichnet, wovon 21 aus dem Ausland angereist sind. Der Schwerpunkt Zentral- und Osteuropa steht weiter im Fokus.

Galerienpräsentationen, die beim ersten Rundgang aufgefallen sind: Pedro Cera aus Lissabon stellt die starken Schwarz-Weiß-Arbeiten von Adam Pendleton (65.000 bis 92.000 Euro) der farblich nuancierten Malerei der jungen Künstlerin Ana Manso gegenüber (Leinwand 9700 Euro). Bei Persons Projects aus Berlin ist es eine unglaublich intensive Arbeit von Pawel Ksiazek, die für Aufsehen sorgt (16.000 Euro). Steve Turner aus Los Angeles gibt sein Aussteller-Comeback in Wien und zeigt zwei Künstlerinnen, die hier studieren. Besonders die vielschichtigen Arbeiten von Brittany Tucker, die täglichen Rassismus und Unterdrückung auf originäre malerische Weise behandeln, stoßen auf Interesse (2500 bis 10.000 Euro). Eine wunderbare Entdeckung sind die fragilen, mehrschichtigen Collagen von Alessandro De Alexandris am Stand von 10 AM ART aus Mailand: Über Jahrzehnte hat der Künstler versucht, mit dieser feinen, kleinteiligen Serie den Freitod seiner Frau zu verarbeiten (2600 Euro). Die Galerie 3 widmet der Künstlerin Iris Andraschek eine Solopräsentation und nach einigen institutionellen Ausstellungen (u.a. Lentos, Linz) ist das eine gute Möglichkeit in die unterschiedlichen Arbeitsphasen der Künstlerin einzutauchen – bemerkenswert ihre neuen intensiven Zeichnungen mit Texten (3600 bis 5400 Euro).

Überaus gelungen ist auch der Stand von Krobath mit einer Personale von Fritz Panzer, die den Facettenreichtum des Künstlers ausgezeichnet dokumentiert (1500 bis 11.000 Euro). Eine Präsentation, die zwischen Tragik und Humor pendelt, gelingt dem Künstler Sharif Baruwa bei EXILE. Im »Jugendzimmer« beschreibt er in verschiedenen Medien sein Aufwachsen als Farbiger in einem abgelegenen Tal Südtirols. Eben nicht nur die tragischen Elemente, sondern auch mit einer Portion Ironie. Wie die Kultivierung seiner Signatur (ab 3000 Euro) – sehenswert. Bei Shore erzählt Dan Vogt mit etwas Augenzwinkern die Weltgeschichte neu: Durch seine Skulptur aus zerschnittenen und neu zusammengesetzten Lexika ergeben sich vollkommen neue Aspekte der Geschichte (3000 Euro). Am Stand von Wonnerth Dejaco vermittelt Brishty Alam die Bedeutung von Fisch in ihrem Heimatland Bangladesch – von Zeichnungen bis Skulpturen (z.B. Sushi aus Ton; 350 bis 6200 Euro).

Brishty Alam, Wonnerth Dejaco, Exhbition View, ZONE1, viennacontemporary 2023, Kursalon Vienna, photo: kunst-dolumentation.com

viennacontemporary

Kursalon Vienna
Johannesgasse 33
1010 Wien
Österreich

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