Linien- und Farbenräusche
Zweimal im Jahr zeigt das Kunstforum Münchner Bank Absolvent:innen und Meisterschüler:innen der Münchner Akademie. Jeweils zwei Positionen in Form einer Dialogausstellung. Die am 22. Juni eröffnete Schau "Meisterklasse IX" zeigt bis Oktober unter dem Titel „Linien und Farbenräusche“ Werke von Florian Huth und Joseph Wandinger. PARNASS war als Medienpartner dabei.
Die Vorstandsvorsitzenden der Bank Sandra Bindler und die Kunsthistorikerin Sonja Lechner, Geschäftsführerin von Kunstkonnex Artconsulting Sonja Lechner bemühen sich mit dem Ausstellungsformat im Kunstforum Münchner Bank um Sichtbarkeit für junge Künstler:innen und das mit einer Ausstellungsfläche im gesamten Stammhaus der Bank am Münchner Frauenplatz. Es ist eine Verkaufsausstellung der die Erlöse der Verkäufe zur Gänze an die Künstler:innen gehen. Darüber hinaus unterstützt die Bank die Künstler:innen mit einem Ankauf von jeweils einem Werk pro Künstler:in aus der Ausstellung. Unter den zahlreichen Gästen die trotz Sommerhitze und einem herannahenden heftigen Gewitter kamen, war auch die Leiterin des Kunstareals München, Laura Schieferle. Sie betonte die Bedeutung eines Engagement, wie das der Münchner Bank, um Kunst für eine breite Öffentlichkeit zugänglich zu machen und das kostenlos:. „München ist eine Kunststadt und die Münchner Bank sorgt dafür, dass alle daran teilhaben können – und das mit gleich zwei im besten Sinne niedrigschwelligen Angeboten: dem Kunstforum Münchner Bank und dem Kunstareal-Fest, welches die Münchner Bank als langjähriger Hauptförderer unterstützt. Beide Projekte sind mittlerweile fest im Münchner Kulturkalender verankert.
Florian Huth
Der 1980 in Saarbrücken geborene Florian Huth, lebt heute in München. Charakteristisch für seine künstlerische Praxis ist neben ein medienübergreifendes Arbeiten ebenso sein konzeptueller Ansatz und die Auseinandersetzung mit digitalen Tools und der Medienwelt an sich. Bereits während seines Studiums entstand die Installation „Flags“ (Twitter, Google, Facebook, ...) die 2016 vor dem Münchner Lenbachhaus zu sehen war. Basierend auf den Unternehmens-Farben von Internetkonzernen entwarf er fiktive Unternehmensflagge. Die weltweit bekannten Logos wurden in ihre prozentualen Farbanteile zerlegt und zu geometrischen Farbflächen angeordnet und ihr Wiederkennungswert abstrahiert. Das Arbeiten mit internationalen Brands beschäftigt ihn auch in seiner aktuellen Arbeit „atlas“ in dem Kunstpostkarten mit Brands mittels Offset-Lithografie überarbeitet.
Postkarten sind auch die Ausgangsbasis der Werke, die er in der Münchner Bank zeigt. Eingeladen vom Druckwerk Lustenau zu einer Artist Residency 2019 entstand eine Serie von Holzschnitten auf Papier. Ihre Wirkung ist eindrucksvoll, zunächst denkt man an einen gelungenen Dialog von Farbe und Linie, der an sich schon Spannung erzeugt. Doch ist der Hintergrund der Drucke weit konzeptueller. Die Artist in Residency wurde jeweils an einen Künstler und einen Theoretiker vergeben und mit der Aufgabenstellung versehen, sich während des Sommers mit dem Bestand des Druckwerks Lustenau auseinanderzusetzen. So arbeitet Florian Huth gemeinsam mit dem Kulturwissenschaftler Simon Nagy über sechs Wochen in Lustenau. Daraus entstanden die konzeptuellen Holzschnitte, in denen Huth die auf Postkarten abgebildeten Meisterwerke der Kunstgeschichte auf jeweils eine Farbe und zwei Linien reduzierte. Die Farbe generiert sich, vereinfacht gesagt auf den kleinsten einfachen Nenner aller im Bild vorhandenen Farben, ermittelt mittels digitaler Tools und die Linien geben die Stellung der Hauptfiguren im Bild wieder. So reduzieren sich Florian Huths Interpretation auf das Wesentlichste und zeigen dennoch die Beziehung der Akteure im Bild auf gekonnte Weise.
Joseph Wandinger
Das Werk von Joseph Wandinger scheint in seinem sprengenden Schöpfungsdrang auf den ersten Blick ein Gegenteil zu der klaren Ordnung von Florian Huths Holzschnitten darzustellen: Das Wogen und Wachsen, Wallen und Wiegen seiner Kompositionen erzeugt eine Lava von Formationen, die selbst in ihrer Monochromität polychrom wirkt. Das Ordnungsprinzip des Künstlers ist das Ungeordnete, er versetzt jedwede Form in einen Rausch: Die einzelnen Linie, die in ihrer Vielzahl das große Ganze konstituiert, ist nurmehr erahnbar, als habe sich das Material Bahn gebrochen im Bildraum.
Joseph Maurus Wandinger geboren 1987 hat eine multidisziplinäre Ausbildung absolviert – vom Geigenbauer bis zum Studium zum Gestalter im Handwerk an der Akademie für Gestaltung und Design in München, bis er zum Studium in der Klasse für Bildhauerei bei Olaf Metzel und Gerry Bibby an der Münchner Akademie. Seit 2017 betreibt Wandinger gemeinsam mit der Architektin Andrea Schelle seit 2017 das interdisziplinäre JaJaStudio für Raum und Kunstproduktion. 2022 gründete er die SOSOSO Galerie in Sendling eine Projekt – und Ausstellungsraum. Im selben Jahr war er auch Preisträger der Gisela und Erwin Steiner Stiftung. In Kunstforum der Münchner Bank zeigte Wandinger großformatige Bilder „Topographien“ als auch sehr eindrucksvolle Tuschezeichnungen.
Ein Charakteristikum seiner Werke ist die eine große Bewegtheit und Dynamik der Bildkonzeption. Die Motive wirken wie geknüllte oder geformte Papier, der Titel impliziert jedoch unmissverständlich Landschaftliches. Die vom Künstler bevorzugt farbreduzierte Verfahrensweisen zeigt auch seine Versiertheit im Umgang mit dem Raum der Leinwand der Nuancierung der Farbigkeit im Spiel von Hell und Dunkel, Licht und Schatten. Das Arbeiten mit Schwarz und Weiß gibt ihm auch trotz der Abstraktion eine große Plastizität der einzelnen Formen zu illusionieren, die er jedoch in den Tuschezeichnungen völlig zugunsten einer großen Leichtigkeit auflöst. Das es zwischen Schwarz und Weiß noch eine Fülle von Abstufungen gibt zeigt sich in den Bildern von Joseph Wandinger eindrucksvoll. Und bereits Gerhard Richter wusste die Farbe Grau zu schätzen und bezeichnete sie wie Gabriele Finaldi und Felix Krämer 2018 in ihrem Vorwort im Ausstellungskatalog Black&White. Von Dürer bis Eliasson der The National Gallery, London schreiben, als die ideale Farbe [...] für Zustände und Aussichten, die einen betreffen, für die man ein Bild finden möchte, die man begreifen möchte. Joseph Wandingers Bilder haben auch durch die Palette etwas von der Ästhetik einer Fotografie, die ebenso wie der Film stets eine Inspiration für Künstler:innen war in Schwarz-Weiß zu arbeiten. Neben dem Transport inhaltlicher Kontexte werden auch die immanenten Parameter des jeweiligen Mediums ins Zentrum gerückt.
Die Ausstellung ist bis Oktober bei freiem Eintritt werktags von 9 bis 16 Uhr zu besichtigen – jeder Besucher erhält kostenfrei einen ausstellungsbegleitenden Katalog.
Kunstforum Münchner Bank
Frauenplatz 2, 80331 München
Deutschland