Städtische Galerie im Lenbachhaus

Luisenstraße 33, 80333 München
Deutschland

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Di 10 - 21 Uhr
Mi - So 10 - 18 Uhr

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Die Ausstellung Weltempfänger gibt Einblick in ein außergewöhnliches und weitgehend unbekanntes Kapitel der Moderne: Völlig unabhängig voneinander entwickelten Georgiana Houghton (1814–1884) in England, Hilma af Klint (1862–1944) in Schweden und Emma Kunz (1892–1963) in der Schweiz eine jeweils eigene abstrakte, mit Bedeutung hoch aufgeladene Bildsprache. Alle drei wollten in ihren Arbeiten Naturgesetze, Geistiges und Übersinnliches sichtbar machen; mit Ausdauer und Durchsetzungsvermögen folgten sie ihren Überzeugungen.

Ihren Werken werden kaum bekannte Filme von Harry Smith (1923–1991) und den Brüdern John Whitney (1917–1995) und James Whitney (1921–1982) an die Seite gestellt. Die Künstler produzierten im Kalifornien der Nachkriegsjahre experimentelle Filme, in denen sie nach einer Einheit verschiedener Sinneswahrnehmungen strebten. Unter Einsatz innovativer Herstellungsverfahren und neuer Medien wie Film und Computergrafik schufen sie abstrakte, esoterische Bildwelten. Zum ersten Mal präsentieren wir diese äußerst selten gezeigten Werke gemeinsam in einer Ausstellung.

Georgiana Houghton, Hilma af Klint und Emma Kunz erforschten unsichtbare Kräfte und das Transzendente; ihre in der Ausstellung gezeigten Werke basieren auf spirituellen Erfahrungen und der Kommunikation mit einer höheren Welt. Die drei Künstlerinnen verstanden sich als Medien, als Empfängerinnen von Botschaften, die vielleicht nur sie hören konnten und die sie in Form von Kunstwerken festhielten. Bei dieser Art mediumistischen Kunstschaffens tritt das Künstlersubjekt von seinem Ego zurück, gibt dieses quasi an der Ateliertür ab, und agiert als Mittler zwischen einer verborgenen und der sichtbaren Welt.

Als „Weltempfänger” konnten die Künstlerinnen die Schöpfung der Bilder einer externen Quelle zuschreiben. Dies gab ihnen die Freiheit, in ihrem Schaffen soziale, kulturelle und ästhetische Grenzen zu überwinden sowie die notwendige Energie, dies auch tatsächlich zu tun. Damit geht eine Entgrenzung des Werkbegriffs einher, der sich auch in den Arbeiten der drei Filmemacher zeigt: Harry Smith bezeichnete seine Filme als abstrakte Partituren, zu denen Jazz-Musiker live improvisieren sollten; James Whitney begriff seine Filme als Werkzeuge zur Meditation, die Einsichten in kosmische Prinzipien liefern können; und die technischen Apparaturen, die John Whitney entwickelte, waren engstens mit dem Aufkommen moderner Computertechnologie verknüpft.

Die Zusammenhänge zwischen der Entstehung der abstrakten Kunst der Moderne im 20. Jahrhundert und okkulten wie esoterischen Ideen werden schon lange erforscht. Viele Künstler suchten für spirituelle, metaphysische und utopische Themen neue Bildmittel und fanden sie in der Abstraktion. Im Zentrum dieses Forschungsinteresses steht Wassily Kandinsky, der zu den wichtigsten Künstlern im Bestand des Lenbachhauses gehört. Nicht nur seine frühesten abstrakten Bilder, sondern auch die in seiner Schrift Über das Geistige in der Kunst (1912) geäußerten Ideen bieten einen wichtigen Referenzrahmen für dieses Projekt. Es geht dabei nicht um die – letztlich unbeantwortbare – Frage, wer zuerst abstrakt malte, sondern um die vielfältigen Erscheinungsweisen der Abstraktion. Abstrakte Kunst gibt nicht die äußere, sichtbare Realität wieder, sie ist vielmehr Mitteilung von Inhalten, die jenseits unserer visuellen Wahrnehmung liegen. Ihre bildnerische Form ergibt sich – folgt man Kandinskys Auffassung – aus einer „inneren Notwendigkeit”.

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