MANFRED BOCKELMANN - Zeichnen gegen das Vergessen

Manfred Bockelmann, Herbert Baumgartner, 7 Jahre, ermordet am 12. Juni 1943 © Bildrecht, Wien 2018

Bildraum Bodensee

Bodensee, Seestraße 5, 2. St., Eingang Posthof, 6900 Bregenz
Österreich

Di, Do: 13-18 Uhr
Fr, Sa: 11-16 Uhr

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Seit mehr als zehn Jahren widmet sich Manfred Bockelmann in der über hundertvierzig Portraits umfassenden Werkgruppe "Zeichnen gegen das Vergessen" den jüngsten Opfern des NS-Regimes. Die von ihm porträtierten Kinder und Jugendlichen wurden zwischen 1941-45 am Wiener Spiegelgrund und in den Konzentrationslagern Auschwitz-Birkenau, Hartheim und Theresienstadt sowie anderen Orten systematisch ermordet. Manfred Bockelmann hat es sich zur Lebensaufgabe gesetzt dieser Vielzahl an Namen oder Nummern wieder Gesichter, eine Persönlichkeit zu geben, sie aus dem Strom des Vergessens und aus der Anonymität der Statistik herauszuziehen.

Mit Kohlestift auf grober Juteleinwand zeichnet Manfred Bockelmann in horizontalen Linien ein Abbild nach dem anderen. Dabei stützt er sich auf erkennungsdienstliche Fotos der Gestapo, SS und der Ärztedienste der jeweiligen Konzentrationslager und NS-Einrichtungen. Der Künstler zeigt keine Märtyrer, keine Leichenberge und keine von Krankheit, Folter und Erschöpfung geschundenen Personen. Er zeigt Individuen, denen das Martyrium noch bevorsteht. Bockelmanns Kinder treten mit gestriegeltem Haar in ihren besten Kleidern zur behördlich beantragten Registration an, oder versammeln sich bereits inhaftiert und kahlgeschoren vor dem Lagerfotografen. Diese Unsicherheit zwischen Leben und Tod gehört untrennbar zur Generation von Manfred Bockelmann: 1943 in Klagenfurt geboren beeinflusste die NS-Vergangenheit Österreichs seine Haltung zu seiner Arbeit als Künstler maßgeblich. Wie andere Jugendliche befragte auch Bockelmann seine Eltern zu deren Rolle und Verhalten im Dritten Reich. Und wie so viele andere, erhielt er nur unbefriedigende Antworten. Doch hat der Künstler das Fragen niemals aufgegeben.

„Was ist mit uns passiert, uns, die wir in der falschen Wiege lagen?“ flüstern geschlossene Kindermünder von den mannshohen Portraits. Bockelmanns Serie berührt so direkt und tief, dass geschehen kann, was bisher ungeschehen blieb: Das Trauern um die Kinder, um die niemand mehr weinen konnte, weil alle anderen schon tot waren. „Gegen das Vergessen“ ist ein Plädoyer für mehr Menschlichkeit und Empathie, das Manfred Bockelmann in sanfter Wucht zum Ausdruck bringt. „Die archaische, brüchige, von der Hand des Künstlers geführte Kohle wirkt auf ihre Weise gegen die Kälte und Stabilität der erkennungsdienstlichen Linse, gegen das mörderische, kein Widerreden duldende Arrangement. Dem Ernst dieses Themas kann man nur entsprechen, wenn man das Kreatürliche, das Fragile und Verletzliche, das in besonderer Weise Bedürftige annimmt und aufnimmt, es nicht versteckt, sondern es positiv bestätigt“, so der Kurator Diethard Leopold über die Serie und den Ausnahmekünstler. 

Eröffnung: Dienstag, 20. November 2018 um 19 Uhr
Begrüßung: Günter Schönberger, Bildrecht
Zur Ausstellung: Stephan Pumberger, Belvedere Museum Wien, Manfred Bockelmann, Maler und Fotograf, Christian Bernhard, Kulturlandesrat

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