Kunstsalon FLUC | Borrowed Time / Geliehene Zeit

Fluc & Fluc Wanne

Praterstern 5, 1020 Wien
Österreich

-
Zurück

Borrowed Time / Geliehene Zeit - Billboards im Außenraum rund um das FLUC, Eröffnung: 8. Juli 2020 Kuratiert von Gülsen Bal und Walter Seidl


KünstlerInnen:

Songül Boyraz
Luiza Margan
Nasan Tur
Christina Werner

Die Ausstellung Borrowed Time / Geliehene Zeit setzt sich mit ungewissen bzw. unkontrollierbaren Mechanismen auseinander, die zu unvorhersehbaren Ergebnissen führen, jedoch nicht endlos aufgeschoben werden können und denen sich KünstlerInnen in spezifischer Art und Weise nähern. Die hier vertretenen Positionen verweisen auf unterschiedliche kulturelle Kontexte bzw. Narrative und untersuchen Phänomene, die politscher und gesellschaftlicher Natur sind und im Alltagsbild nicht immer wahrgenommen werden, jedoch konstitutiv für Veränderungen innerhalb der Gesellschaft stehen. Die vier eingeladenen KünstlerInnen setzen sich vorwiegend mit Situationen in ihren Herkunftsländern auseinander und rekurrieren auf spezifische gesellschaftliche Muster, die aus einer bestimmten Geschichte und Tradition heraus resultieren. Hierbei handelt es sich um die Beobachtung von Details, die von der Allgemeinheit nicht notwendiger Weise erkannt werden, jedoch Fragen nach der Gültigkeit und Bedeutung der dadurch entstehenden Phänomene aufwerfen. Warum kommt es zu gewissen Handlungsweisen, welcher kulturellen Sphäre sind diese zuzuordnen und welche politischen Auswirkungen haben diese auf die Strukturen in den einzelnen Ländern, bei denen Nationalstaatlichkeit oftmals wieder in den Vordergrund der Debatte rückt. Die KünstlerInnen extrapolieren Momente der Zeit, deren Handlungen nicht ohne Wirkung für die Aktionen der darauffolgenden Generationen bleiben. Es gilt, jene geliehene Zeit in ihrer momentanen Verfasstheit aufzugreifen und zu untersuchen, welche Modelle künftiger Gesellschaftsvarianten davon abgeleitet werden können. Die einzelnen Positionen ergründen Möglichkeiten der Artikulation im Außenraum und fordern einen Perspektivitätswechsel ein bzw. eine Kontemplation der verhandelten Themen in ihrer Spezifizität und eigentlichen Bedeutung.

Songül Boyraz | Hatasiz kul ol / Be without faults!

Die Arbeiten von Songül Boyraz beschäftigen sich mit dem Körper als performatives Instrument, um Emotionen auszudrücken. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist ein Phänomen der türkischen Popkultur: Jugendliche ritzen sich Songtexte brutal mit der Rasierklinge in den Körper, als Ausdruck einer Haltung und als Möglichkeit, sich als Teil eines rebellierenden Kollektivs zu definieren. Die Botschaften der Lieder werden direkt über den eigenen Körper ausgelebt und finden so ihren Ausdruck in einer öffentlichen Sichtbarkeit. Boyraz spürt diesem Phänomen nach, indem sie sich selbst mit der Rasierklinge einen Satz in die Haut einschreibt und das Ergebnis fotografisch festhält. Doch verändert sie den Sinn eines Liedtextes und formt aus »Hatasiz kul olmaz« einen affirmativen Ausruf. Aus: »Es gibt keinen Menschen ohne Fehler« wird der Aufruf: »Hatasiz kul ol!« – »Sei ein Mensch ohne Fehler«. songuelboyraz.com

Luiza Margan | Geld in Kinder Händen

Geld in Kinder Händen thematisiert den Umgang mit Geld von Kindern. Das Sujet stammt von Heinz Traimer und wurde für ein Kinderbuch über Wirtschaft aus dem Jahr 1967 gestaltet. In Zusammenhang mit dem öffentlichen Raum stellt sich aktuell die Frage, wie Kinder illegal auf der Straße organisiert sind und prekäre Situationen mimiken, die bei den vorbeigehenden PassantInnen Gefühle der Unzulänglichkeit suggerieren und diese zu Spenden verleiten. Ein Großteil dieser organisierten Gruppen stammt aus Roma Familien, wodurch ihr ungeregelter Status innerhalb der Gesellschaft zur Diskussion steht. Andererseits thematisiert das Billboard die zunehmende Kapitalisierung der Gesellschaft, in der Kindern heute viel mehr finanzielle Freiheiten zugestanden werden, als dies früher der Fall war, sie sich dadurch aber zunehmend von ihren Eltern entfremden und sich die Perspektiven auf die Realität verschieben. luizamargan.net

Nasan Tur | Morality is Ridiculous

Nasan Turs Installationen, Performances und multimediale Arbeiten ironisieren Vorgänge des Alltags, von Öffentlichkeit und Politik und sind von einer Vielzahl an Techniken gekennzeichnet. Die Vorlage für das Billboard am FLUC ist eine Holztafeldruckplatte, eines der ältesten Druckverfahren, das in seiner Herstellung einem langen Prozess unterliegt, der eine entschleunigende Wirkung zeigt und somit aktuell Relevanz besitzt. Die seitenverkehrte Schreibweise entspricht der Druckvorlage und hinterfragt gleichzeitig Vorstellungen von einer Realität, in der nichts mehr so erscheint, wie es einst der Fall war. Lesen und Gegenlesen, Repräsentation und Deprivation, Tur verweist hier auf Cut und Paste Techniken ebenso wie auf philosophische Fragestellungen und Momente einer Verifizierung oder Falsifizierung. nasantur.com

Christina Werner | aus der Serie: Neues Europa

Christina Werner thematisiert die Ästhetisierung rechter Machtbestrebungen und die mediale Präsenz, die rechtspopulistische PolitikerInnen dabei erlangen. Dafür untersucht sie wiederkehrende Inszenierungs- und Repräsentationsstrategien, Gesten, Mimiken, Rhetoriken und Symbole, die moderne Erscheinungsformen annehmen, jedoch faschistische Züge aufweisen. Werner verarbeitet dazu gesammeltes Material – eigene sowie gefundene Fotografien und Videobilder, die zeigen, wie sich Geschichte potenziell wiederholt, bewusst verdrängt und zweckdienlich umgedeutet wird. Mit unterschiedlichen Präsentationsformaten verweist die Künstlerin auf mediale Räume rechtspopulistischer Auftritte von der Bühne bis zum Buch. Das Billboard zeigt den Ausschnitt einer Gestikulierung von Nicolas Sarkozy aus dem Jahr 2010, als er verkündete, 700 Roma nach Rumänien und Bulgarien abschieben zu wollen. christinawerner.com

Newsletter

Der PARNASS Newsletter informiert Sie immer über die aktuellsten Kunstthemen: