Galerie am Stein

Stift Reichersberg, 4981 Reichersberg am Inn 1
Österreich

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Donnerstag - Freitag: 16 - 19 Uhr
Samstag: 10 - 12 Uhr
und nach Vereinbarung

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Eröffnung: Freitag, 20. September 2019, 19 Uhr


60 – 30 – 90. Arnulf Rainer in der „Galerie am Stein“

Zwischen Arnulf Rainer und der aktuellen Ausstellung an diesem besonderen Ort besteht eine bemerkenswerte Verbindung. Monika Perzl hat ihre „Galerie am Stein“ im Jahre 1989 in Schärding eröffnet. In ihrer ersten Ausstellung präsentierte sie Werke eines der wichtigsten Vertreter österreichischer Kunst der Nachkriegszeit, des von ihr schon lange beobachteten Künstlers Arnulf Rainer. Dieser hatte damals seinen 60igsten Geburtstag gefeiert. Der Grundstein für ein inzwischen 30-jähriges Bestehen und Wirken der „Galerie am Stein“ war somit gelegt worden. Mit Monika Perzl hat sie sich für die anspruchsvolle Kunstszene zu einer Kultadresse für zeitgenössische Kunst fern der üblichen Kunstzentren entwickelt (1). Kürzlich ist die Galerie im Herbst 2018 aus den etablierten Schärdinger Gewölben in die großzügigen Räume des Stiftes Reichersberg übersiedelt.

Arnulf Rainer und Monika Perzl. Beiden gemeinsam ist ihre jeweilige kontinuierliche und kompromisslose Arbeit auf dem Kunstsektor aus intensivem innerem Drang heraus. Mit den aktuellsten Ausstellungen geht Monika Perzl ihren von Anbeginn eingeschlagen Weg der Präsentation hochkarätiger Gegenwartskunst kompromisslos weiter.

Nun feiert Arnulf Rainer seinen 90igsten Geburtstag. Die 250m2 Ausstellungsfläche in den neu adaptierten repräsentativen Galerieräumen des Reichersberger Burgkellers sind mit jüngsten Bildserienvon Arnulf Rainer aus dem Zeitraum von 2009-2015 bespielt. Der erste Eindruck dieser überwiegend in kleineren Formaten ausgeführten Acrylmalereien auf Papier: Energetisch, gestisch, klar konstruiert und meditativ, durchaus farbenreich, mit lyrisch-poetischen Zügen. Deutlich kommt der rainer’sche Körpereinsatz in den variantenreich gewischten vertikalen Bogen- und Schwingformen zum Ausdruck. Jede dieser Bewegungsspuren ist in einer ganz spezifischen Farbe in unterschiedlichen Hell-Dunkeltönen ausgeführt. Das Spektrum erstreckt sich von reduzierten Kombinationen weniger Farben bis zu mehrfarbigen Kompositionen. Dunkle und gedämpfte Farben variieren bzw. kontrastieren mit leuchtkräftigen. In ihren Überlagerungen ergeben sie ein orchestrales Zusammenspiel und erzielen tiefe Bildräume.

Der nüchtern gewählten und gezielt eingesetzten Farbsubstanz wird die Freiheit selbständiger vitaler Bewegung überlassen. Sie darf, den Gesetzen der Gravitation folgend, fließen. Spritzen ist erwünscht und verleiht den Malereien tendenziell Grenzen sprengende explosive Charakterzüge. Rainer, der auf ein komplexes Œuvre zurückblicken kann, zeigt sich hier voller Freude an der Malerei, am Kolorit, am Ausdruck, am Meditativen. Er weiß rationale Kompositionen emotional umzusetzen und natürlich ebenso mit den Problemen der Malerei wie mit der Kunstgeschichte zu spielen. Transparenzen und das je nach Werk mehr oder weniger dominierende Sichtbarlassen weißer Leinwandflächen sind charakteristisch.Wichtige malerische Gestaltungsprinzipen werden aus früheren Werkreihen, wie den für Rainer essenziellen Kreuzen (2), übernommen und weiter entwickelt. Die jüngsten Arbeiten führen vor allem die erhöhte Farbigkeit, Transparenz und Leichtigkeit der Schleierbilder seit 1990 fort. In reduziertem Maße lassen die dichteren und dunkleren der jüngsten Werke die fälschlich oft als aggressive Akte interpretierten Übermalungen und Zumalungen erahnen, jenen für ihn typischen neuen künstlerischen Ausdrucksformen, die ihn ein Künstlerleben lang begleitet haben.

Arnulf Rainers Kunst wurzelt in der schwierigen, von Pessimismus geprägten Nachkriegszeit der jungen Republik Österreich. Sie musste sich in einer Gesellschaft entwickeln, die innovativen und modernen Kunsttendenzen gleichgültig und verständnislos gegenüberstand. Jan Hein Sassen attestiert in Arnulf Rainers Œuvre drei Hauptmerkmale: das Existentielle, das Kontemplative und das Expressive. (3) In diesen reifen Werken dominiert die Gelassenheit, das zwanglose freie Atmen-Können. Beruhigt scheint der Kampf.

Vielleicht trifft auch der Begriff „Versöhnung“ den Geist dieser Bilder:Versöhnung mit der reinen Malerei (entgegen seiner „Malerei um die Malerei zu verlassen“, 1952) (4), Versöhnung auch mit dem rätselhaften Menschendasein hier auf Erden. Und so man will, so kann man in ihrer betonten Vertikalität, einem Stilmerkmal besonders der französischen Gotik, auch eine subtile religiöse Komponente sehen. Es müssen nicht immer Kreuzeoder Christusköpfe sein, wenn es bei Arnulf Rainer um das Religiöse, das Mystische geht.


1) Siehe dazu: Florian Steininger, 25 Jahre Galerie am Stein, in: PARNASS, Kunstmagazin, 11/2014.

2) Das Kreuzmotiv - nicht aus christlichem Bekenntnis, sondern aus innerer Not heraus kommend - zieht sich variantenreich und vieldeutig durch Rainers Gesamtwerk. In das Kreuz ließ er alle Techniken und Elemente seines Schaffens einfließen. Siehe dazu: Carl Aigner, Das Kreuz mit der Kunst, Arnulf Rainer zum 80. Geburtstag, Galerie am Stein, Schärding, 2009, S. 9-10; sowie Kapitel über „Das Kreuz“ in: Gustav Schörghofer, Drei im Blau: Kunst und Glaube, Residenz Verlag, Salzburg – St. Pölten – Wien 2013.

3) Jan Hein Sassen, Arnulf Rainer, Ein europäischer Maler, in: Kat. Arnulf Rainer, Neue Bilder 1996-1999, Schleierbilder, Diagonalmalerei, Neue Fingermalereien, Galerie Ulysses, Wien 2000, S. 7.

4) Im Katalog zur Einzelausstellung in der Zimmergalerie Franck in Frankfurt am Main wurden Rainers Textmanifeste „Malerei um die Malerei zu verlassen“ und „Das Einzige gegen das Andere“ 1952 abgedruckt. Eine der ersten Manifestationen des Informel in Mitteleuropa.

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