Imagine: Coral Reef. Regeneratives Design
Das Wiener Designbüro EOOS denkt in Berlin über Paradigmenwechsel im Design nach. Ausgang für diese Diskussionen ist eine sehenswerte Auseinandersetzung mit der Korallenbleiche – können Mensch und Natur gemeinsam die Diskussion um Copyrights aushebeln? Und ist das überhaupt sinnvoll?
Was kann die Zukunft des Designs?
Korallen sind schön, aber bedroht. Die Korallenbleiche zeugt vom Sterben dieser besonderen Lebensform. Doch im Moment des Sterbens leuchten die Korallen noch einmal. Diesen Moment hat das Wiener Designbüro EOOS für seine neue Ausstellung „Imagine Coral Reef. Regenerative Design“ im Berliner Kunstgewerbemuseum am Kulturforum nachgebildet. Entstanden sind Papierkorallen, gehäkelt aus 30 Kilometer Krepppapier, die in einem schwarz verhängten Raum unter UV-Licht zu besichtigen sind.
Das ist hübsch anzusehen, soll hier aber nur der Anlass sein, um daraus „Leitlinien für eine regenerative Designkultur der Zukunft zu entwickeln“, wie es im Begleittext heißt. Und mit diesem Anspruch beginnen die Probleme. Denn wäre ein anderes Ausstellungsdesign gewählt worden, müsste gar kein künstliches Licht verwendet werden.
Diesen Widerspruch kann Harald Gründl nicht auflösen und will es auch nicht. Denn das Ausstellungsprojekt, das vom österreichischen Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten initiiert wurde und zusammen mit dem Institute of Design Research Vienna (IDRV) entstand, versteht sich als Anfang einer Veränderung, als Denkanstoß dafür, wie ein neues Designverständnis aussehen könnte. EOOS beruft sich auf Überlegungen des Biologen und Philosophen Andreas Weber, dessen Theorie zu Design und Kultur der Ausstellung voranstellt ist:
Was das bedeuten kann, wird durch die Ausstellung nicht unbedingt klar, einige vorgestellte Forschungen können vielleicht den Weg weisen. Mit Produkten des österreichischen Zellulosefaserherstellers Lenzing, der auch gebrauchte Fasern wiederverwendet, wird auf das Prinzip verwiesen, dass es keinen Müll in der Natur gibt. Ein anderes Objekt ist das „Vogelnest“, ein Konsolenelement für historische Gebäude, das einen Nistplatz für Mauersegler auch an ausgebauten Dachgeschossen integriert. Die Idee dazu stammt vom Zoologen Michael Stocker, der die Konsolen zusammen mit der Firma „Wiener Stuckmanufaktur“ entwickelte. Mit dem „Vogelnest“ wird eine neue Art von Design beschrieben, dessen Grundlage ein Miteinander von Mensch und Natur ist, heißt es in der Ausstellung. Dass eine solche Verbindung nicht längst selbstverständlich ist, überrascht. Andererseits widerspricht bereits die Nennung von Designern einem anderen Prinzip von Andreas Weber, der die Abkehr von Copyright und Patenten propagiert. Und so zeigt die Ausstellung vor allem: Die Ideen sind noch weit von der Wirklichkeit entfernt.
Möglicherweise kann die wiederbelebte Idee der Wunderkammer bei der Annäherung ein wenig helfen. Denn das Berliner Kunstgewerbemuseum versteht die Wunderkammer als „Experimentalraum“, in dem Themen wie „Biodiversität, Ökologie, das Anthropozän und die Rechte nicht-menschlicher Wesen verhandelt“ werden können. Mit klassischen Kunstkammer-Objekten wie Nautiluspokalen, Korallenbäumen, Keramikobjekten aus dem Jugendstil ergänzt durch zeitgenössische Erkundungen der Meereswelt baut Kuratorin Claudia Banz eine neue, eine „spekulative“ Wunderkammer als Intervention in die bestehende Dauerausstellung. Denn Claudia Banz ist überzeugt, dass das Prinzip der Wunderkammer sehr modern ist, weil es Kunst und Wissenschaftsinteresse – wieder – vereint.
Kunstgewerbemuseum Berlin
Matthäikirchplatz, 10785 Berlin
Deutschland
Imagine: Coral Reef
Regeneratives Design
bis 23. Juni 2024