Artikulationen von Körper, Sinn, Welt

Im Porträt: Katinka Bock

Zwischen Sensibilität und Melancholie gehört das von feinem Witz durchzogene Werk der 47-jährigen Bildhauerin zu jenen zeitgenössischen Raumkörpern, die mit großer Präzision orts- und materialspezifische Stimmungen aufspüren. So versetzt Katinka Bock Orte und Objekte in bedeutungsvolle Vibration.


In ihrer Fotografie-Ausstellung „Der Sonnenstich“ in der Pariser Fondation Ricard erklärte mir die Künstlerin vergangenen Februar gestisch den Spielraum für Formwerdung. Formte mit den Fingern beider Hände rechtwinklig die Tischkante nach, führte dann die Arme diagonal nach oben in die Luft, bewegte sie plötzlich auseinander, mit einem Geräusch: „Pffff. Eine Geste, die Raum bildet. Sie bleibt hängen, wie ein Nachbild, wie die Abdrücke von Gras auf der Haut nach einem Mittagsschlaf in der Sommerwiese. Eine ihrer Fotografien zeigt diese Abdrücke – unklar, ob hier Schmerz im Spiel ist. So ist die Kunst der 1976 in Frankfurt am Main geborenen Bildhauerin: Sie trägt Erinnerung durch Gesten, löst Vorstellungen aus, weckt Körper-Sinn.

Zwei Monate später stehe ich vor ihrem Atelier in einem dieser Pariser Winkel, ein Neubau in einer Sackgasse. Eine große Glastür schwingt blitzend in der Sonne auf, Katinka Bock kommt freundlich heraus, nicht gleich lächelnd. Unverbindlichkeit ist nicht ihre Art. Wir kennen uns, beide aus Hessen in Deutschland stammend, nahmen wir am Aufschwung der Pariser Kunstszene im Paris der Zehnerjahre teil. Bock entwickelte nach dem Studium in Berlin und an der Lyoner Kunsthochschule stetig ihre Arbeit weiter. 2012, im Jahr ihres Aufenthalts in der Villa Medici, kam der Ricard-Preis, der angesehenste kuratierte Kunstpreis Frankreichs, neben dem von Sammlern ausgelobten Prix Duchamp, für den sie 2019 nominiert war.

Das Pariser Atelier ist hoch, schmal und licht. Überall stehen oder liegen Arbeiten, ein Foto hängt an der Wand: Kinderhände, die mit Kügelchen hantieren. Es entstand beim Archäologen und Kunsthändler Jean David Cahn. Der Bruder der bekannten Malerin, wie Bock von der Galerie Jocelyn Wolff vertreten, lud sie nach Basel ein, um mit teils prähistorischen Objekten zu arbeiten. Bock kam mit ihren Kindern, fotografierte sie dort.

Atelieransicht, Katinka Bock, Paris, 2023, Foto: Katinka Bock

Formen des Umgangs und der Umgebung beschäftigen die Künstlerin: Hinten in der Ecke lehnt ein Kupferstab an der Wand, oben abgeknickt, umgeben von einer Keramiktülle, am Boden in einem geviertelten Holz-Zylinder steckend. „Staubsauger sind wie Heizungen wiederkehrende Form-Vorbilder, fast ein bisschen eine Obsession“, lacht sie. Hier ginge es ihr „um diesen unnachahmlichen Knick am oberen Ende, sicherlich für bessere Handhabbarkeit.“ Für sie sei er Geste im Raum, Verbindung zwischen Material und Körper. Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Sommerausgabe.

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