PARNASS 03/2011

PARNASS 03/2011

30 Jahre PARNASS · Museumsszene neu

Zeitschriften-Jubiläum
Jugendfrische Neugier für die Kunst


Als Charlotte Kreuzmayr 1981 die erste Ausgabe des "Parnass" aus der Taufe hob, glaubte kaum jemand an ein langes Leben der Kunstzeitschrift. Nun feiert sie dreißigjähriges Bestehen. Und ein Ende ist nicht abzusehen.


Wo ist sie heute, die neue zusammenfassende Idee? Wo der kritische und skeptische Geist der Kunst? Und wie steht die Gesellschaft dazu? Geben wir der Kunst in Zukunft die Chance, neue Entdeckungen zu machen? Sind wir bereit, uns damit auch auseinanderzusetzen?

Charlotte Kreuzmayr

Programmatische Fragen über Fragen, die Charlotte Kreuzmayr in einem ihrer Editorials Ende der 1980er-Jahre stellte. Und diese jugendfrische Neugier, das Nachfragen, Offenlegen, Darstellen hält bis heute an. Jede einzelne Ausgabe des Parnass ist Nachschlagewerk und Sammelstück gleichermaßen, zu Themen aus Theater, Musik, Literatur, Philosophie und, natürlich, Kunst. Mehr als 130 Porträts von Künstlern des 19. und 20. Jahrhunderts werden von fast doppelt so vielen über zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler sogar noch getoppt.


Dreißig Jahre sind eine lange Zeit für eine Kunstzeitschrift, die ursprünglich vor allem gegründet wurde, um in der väterlichen Druckerei in Linz einen eigenständigen Aufgabenbereich zu finden. Der Traumberuf war für die Absolventin der Graphischen Lehranstalt eigentlich Innenarchitektin, "doch das wurde mir ausgeredet - und es stimmte ja auch für die 80er-Jahre: Privat wollte sich das niemand leisten. Man konnte höchstens Hotels oder Geschäfte einrichten."


Also wurde sie Jobhopperin in Vaters Druckerei, sprang ein, wenn wer auf Urlaub oder krank war. Und sann auf einen Aufgabenbereich, "in dem mir niemand dreinreden konnte. Von Kunst hatte mein Vater keine Ahnung. Und als ich herausfand, dass es keine österreichweite Kunst- und Kulturzeitschrift gab, habe ich ihm zu Weihnachten den Vorschlag unterbreitet. Er hat zu meiner Überraschung sofort die Finanzierung zugesagt. Vielleicht hat er es mir zuerst nicht wirklich zugetraut. Aber er war dann schnell begeistert. Er stand immer zu mir und hat mir nie das Gefühl gegeben, dass ihm die Zeitschrift eine finanzielle Last sei."


Aber ehe Parnass - in der griechischen Mythologie Sitz der Musen - in der Wiener Albertina präsentiert werden konnte, klapperte die damals 26 Jahre alte, angehende Herausgeberin und Chefredakteurin Museen, Theater und Kunsthändler ab, unterbreitete ihre Ideen, keilte Anzeigen, suchte Schreiber. Häufigste Reaktion: "Na, schauen wir uns erst einmal die erste Ausgabe an, ehe wir uns engagieren." Peter Baum, damals Leiter der Neuen Galerie Linz, schrieb für die allererste Ausgabe im September 1981. "Zu ihm", sagt Kreuzmayr, "bin ich mich anfangs auch immer ausweinen gegangen."


Johann Kräftner, nun verantwortlich für die fürstliche Sammlung der Liechtensteins, war ebenfalls ein Autor der ersten Stunde, Matthäus Kattinger war für den Kunstmarkt zuständig, mit Franz Zoglauer hielt die Opern- und Theaterwelt in dem Linzer Parnass Einzug. Oder Herbert Giese, vielen zunächst als Künstler-Porträtist in Erinnerung, später als scharfzüngiger, klarsichtiger Kolumnist - und als solcher spitzt er immer noch vier Mal im Jahr seine Feder. Mittlerweile hat sie ein engmaschiges Korrespondentennetz geknüpft, kann aus einem Pool von dreißig, vierzig Autoren und Autorinnen schöpfen und sich "der Angebote - auch aus Deutschland - nicht erwehren."


Als der Vater die Linzer Druckerei verkaufte, war das Zeitungskind gerade einmal zehn Jahre alt. Kreuzmayr übersiedelte sich und ihr Einfraubüro nach Wien - und dachte ernsthaft ans Aufhören.

Mein Vater hatte Parnass als Imageprodukt seiner Firma gesehen, ich musste nicht an die Finanzierung denken, konnte mich nur auf den Inhalt konzentrieren. Die erste Zeit in Wien war wirklich hart, ich war plötzlich für alles allein verantwortlich, hatte aber keine Infrastruktur, kein Fax, keinen Computer, keine Sekretärin. Das Einzige, was ich hatte, war der Name Parnass. Ich habe mich nicht mehr rausgesehen, aber die Kunsthändler haben mich sehr unterstützt und fleißig inseriert

Charlotte Kreuzmayr


Das und eine 500.000 Schilling hohe Subventionsspritze vertrieben die gröbsten Finanzsorgen. Mittlerweile hat sich die ministerielle Förderung auf 20.000 Euro jährlich reduziert; im Wesentlichen finanziert sich die Kunstzeitschrift über Abonnements - viele auch aus Deutschland - sowie, natürlich, über Anzeigen. Und die kommen nach wie vor zu einem großen Teil von Galeristen und Kunsthändlern. Mit einem von ihnen ist sie seit drei Jahren verheiratet: Michael Kovacek, Miteigentümer des Auktionshauses im Palais Kinsky. Vorteile für die Kunsthandlungen Kovacek und Zetter-Kovacek oder für das Kinsky gäbe es nicht, im Gegenteil: "Ich habe meinen Mann immer strenger behandelt als alle anderen. Natürlich berichten wir über das Dorotheum im gleichen Ausmaß wie über das Kinsky. Ich richte die Inhalte nicht nach den Inseraten aus, sondern ich verlasse mich auf meine Intuition, welche Themen - abseits der aktuellen Berichterstattung - interessant sind."

Anfangs brachte Kreuzmayr, elegante Personalunion aus Herausgeberin, Anzeigenchefin und Chefredakteurin, zusätzlich zu den zweimonatlich erscheinenden Ausgaben auch 18 Sonderhefte heraus, beleuchtete Barock und Jugendstil, Kunst von Frauen oder den Wert der Kunst. Seit 2002 sind die Schwerpunktthemen integraler Bestandteil der mindestens 176 Seiten starken Zeitschrift, die nun viermal jährlich erscheint. Abgesehen davon, dass sie gern mehr Zeit hätte, um selber zu schreiben, Ermüdungserscheinungen haben sich auch im dreißigsten Jahr des Bestehens nicht eingestellt

Es ist eine so interessante und schöne Tätigkeit! Ich glaube, ich habe durch den Parnass und meine Arbeit mehr über Kunst gelernt, als wenn ich, wie ich ja ursprünglich wollte, Kunstgeschichte studiert hätte. Ich habe ständig mit interessanten Menschen zu tun. Und es macht mir auch nichts aus, dass ich für alles verantwortlich bin. Ich mache das schon so lange, dass es mich nicht mehr so belastet wie früher.

Charlotte Kreuzmayr


(Andrea Schurian / DER STANDARD, Printausgabe, 19./20.11.2011)
www.derstandard.at

 

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