Rade Petrasevic bei KOENIG2, Wien

Rade Petrasevic, I don't think she's a woman,2019, Ausstellungsansicht, KOENIG2 by_robbygreif, Wien © Foto: Philipp Friedrich

KOENIG2 by_robbygreif

Margaretenstraße 5 , 1040 Wien
Österreich

KünstlerIn: Rade Petrasevic

Titel: I don’t think she’s a woman

Datum: 28. Juni 2019 – 27. Juli 2019

Fotografie: Courtesy of the artist and KOENIG2 by_robbygreif | Photos: © Philipp Friedrich

Ausstellungstext:

Rade Petrasevic (geb. 1982 in Wien, lebt und arbeitet ebenda) arbeitet innerhalb figurativer Pseudonarrative. Vordergründig generiert er diese mithilfe von Motiven und Indikatoren einer scheinbar traditionellen Position in der Malerei und eröffnet in seinen Stillleben und Akten Assoziationen zur klassischen Moderne, sowie zeitweise zum japanischen Traditionsgenre Shunga. Petrasevics Themen sind unzählige Male in der Kunstgeschichte ausgereizt worden, und gerade aufgrund dieser universellen Zugänglichkeit interessiert ihn das Hantieren mit Klischees und Stereotypen – ohne auf eine Transformation hin zu (körperlicher) Verformung, Sex und Fetisch zu verzichten. Denn es sind nicht die intimen Idyllen eines Édouard Vuillard und der Nabis, nicht die rohe Farbgewalt von Henri Matisse und den Fauvisten oder die repetitiven, gehaltvollen Sujets Pablo Picassos, sondern eine Aneignung derer Techniken, Intentionen und Themen für eine durchaus humorvolle wie zeitgenössische Reinkarnation. Die Vorbildwirkung der Kunstgiganten des 20. Jahrhunderts belegen einerseits die Tätowierungen des Künstlers, der sich ihre Namen verewigen ließ, andererseits die persönliche Auswahl an Zitaten, die Rade Petrasevic für diese Ausstellung unten zusammengetragen hat.

Der Duktus der in Öl gearbeiteten Bilder ist jedoch ein vollständig anderer als der seiner Vorgänger: als wären sie mit dickem Filzstift in rauer Art gekritzelt, flirren die intensiven Farben vor dem Auge. Die Zeichnung ist es dabei, die über die Malerei dominiert – in enger Wechselwirkung einander bedingend. Denn in der Betonung auf Zeichnung, die oft hinter der Malerei als Vorstudie zurücktritt, äußert der Künstler den Wunsch, ihren Stellenwert aufzubessern. Seine Arbeiten funktionieren entsprechend gleichsam in fluide gehaltenen Grenzen zwischen beiden. Leinwand und Polyethylen-Vinylacetat (kurz PEVA) dienen dem Öl gleichberechtigt als Untergrund. Die Arbeiten auf Kunststoff, aus dem handelsübliche Duschvorhänge gefertigt werden, sind in der Ausstellung für KOENIG2 überpräsent: Ein Dutzend bemalte Folien hängen von Stahlseilen. Durch ihre Raffungen verweigern sie dem Betrachter den gewohnten vollständigen und ruhigen Blick auf die Arbeiten. Die Inszenierung der Dichte an Farben, Formen und überlagernden Schichten steht im Vordergrund, ebenso der unwillkürliche Anflug von Ekel, bedenkt man die Gewohnheit des Materials, sich bei Nässe an den Körper des Duschenden anzuschmiegen. Diese haptische Qualität entbehrt ebenso wie die Auswahl und Platzierung der Arbeiten einem Narrativ, denn es fehlt der Praxis des Künstlers ausdrücklich jedes Gefühl von Geschichten und ihrer Erzählung. Dies wiederrum wird durch die abstrakt bemalten Kacheln verstärkt, deren Behandlung von Form lediglich in ihrem eigenen quadratischen Wesen enthalten ist.

Dennoch schwingt ein Thema durch den Raum, welches Ausdruck im Titel findet: I don’t think she’s a woman ist eine Referenz auf ein Interview von Rupert Everett, welches dieser 2016 der britischen Times gab. Darin spricht der homosexuelle Schauspieler und Autor offen über seinen mittlerweile überholten Kindheitswunsch, eine Frau zu sein. Gleichzeitig eröffnete er brüsk, die transsexuelle Sport- und TV-Persönlichkeit Caitlyn Jenner, vormals William Bruce Jenner, solle es ebenso einfach überwinden, denn sie sei keine Frau, sondern: „She‘s a crossdressing man.“ Es ist kein vereinzelter Vorfall, denn er erinnert stark an die Affäre Piers Morgan im letztjährigen Interview mit Caitlyn Jenner. In der Sendung Piers Morgan's Life Stories vollzog sich ein Affront gegenüber der gesamten LGBTQIA+ Community, wofür Morgan seither auf Schärfste kritisiert wird. Auch dieser hatte sich über die Geschlechtsumwandlung Jenners lustig gemacht. Dass Körper und Nacktheit für Rade Petrasevic zunehmend von Bedeutung sind, ist nicht zu leugnen. In der Auseinandersetzung mit Themen wie Sex, Homosexualität, Kitsch, Liebe, Freundschaft und in letzter Konsequenz Fetisch spannen seine Arbeiten den entscheidenden Bogen ins 21. Jahrhundert.

- Andrea Kopranovic