Patrick Ostrowsky | Britta Rettberg
unkultiviert
Britta Rettberg, Gabelsbergerstraße 51, 80333 München
Beteiligte Künstler_innen: Patrick Ostrowsky
Titel: unkultiviert
Datum: 19. März - 29. April 2021
Ausstellungstext
Der Zustand der gebauten Umwelt spiegelt unsere Gesellschaft wider: Unser Umgang damit sagt viel über unsere Wünsche, Vorstellungen und Ziele. Architektur und Städtebau stehen im ständigen Zusammenhang mit äußeren Einflüssen und Faktoren, welche die Signatur einer bestimmten Epoche definieren. Die Spuren, die die Zeit und die Menschen hinterlassen, sind jedoch nicht immer leicht zu erkennen: Was ein unaufmerksames Auge als Ruine oder Brache einstufen mag, kann tatsächlich viel über den Zustand eines Ortes, seine Geschichte und vielleicht auch seine Zukunft aussagen. Wie könnten diese Zeichen deutlicher gemacht werden, um die materielle Erscheinung einer Epoche zu thematisieren?
Ein möglicher Ansatz findet sich in jenen künstlerischen Praktiken an der Schnittstelle verschiedener Disziplinen, wo die Konfrontation unterschiedlicher Methoden zu fruchtbaren und unerwarteten Ergebnissen beitragen kann. Bei den Arbeiten von Patrick Ostrowsky steht die Beziehung zwischen dem künstlerischen Prozess und dem umgebenden Raum im Mittelpunkt, sodass die resultierenden Werke an der Schnittstelle von Architektur und Skulptur angesiedelt sind. Die Erkundung von Ostrowskys Werk offenbart nicht nur einen spezifischen kreativen Prozess, der von der gebauten Umwelt inspiriert ist, sondern auch eine Darstellungsmethode, die sich auf den materiellen Aspekt von Orten konzentriert: Reste, Fragmente, Ruinen. Ostrowskys Werke können daher nicht nur für ihre kompositorischen, sondern auch für ihre deskriptiven Merkmale gewürdigt werden, als Momentaufnahmen einer bestimmten Epoche.
Die Skulpturen und Wandarbeiten reflektieren somit den Ort, aus dem sie entstanden sind. Objekte und Fragmente, die vor Ort gefunden wurden, sind Bestandteil der Werke und gleichzeitig Zeitkapseln, die die Spuren einer Epoche be- und enthalten. Die resultierenden Kompositionen schaffen eine Rekonfiguration des Ortes, die seinen Geist vermittelt und offenbart. Diese Herangehensweise an Skulptur und Material ist als Reaktion auf eine Vorstellung von statischer Perfektion der gebauten Umwelt und als experimentelle Untersuchung bestehender räumlicher Situationen zu verstehen.
Einige Arbeiten ähneln tatsächlichen Fragmenten eines Gebäudes, geprägt von den Spuren der Zeit und des Gebrauchs. Diese Thematisierung der Veränderlichkeit der Stoffe zeigt das Potenzial der Offenlegung von Fehlern und Zufälle, die Teil der Nutzung und der baulichen Produktion der gebauten Umwelt sind. Materialien und Fragmente werden so angeordnet, dass sie sich der neuen Konfiguration anpassen können; dieser Prozess erlaubt eine gewisse Offenheit, die die Arbeit mit unerwarteten Ergebnissen bereichern kann. Somit wirken Fehler und Zufällen an der Reflexion des Bestehenden mit und dienen als Katalysator für Neues. Als Betrachter*in empfindet man eine sinnliche Faszination für diese Skulpturen, man möchte die ruinöse Patina berühren und die Details genauer betrachten: die Materialwechsel, die wandelnden Farben, die stoffliche Aneinanderreihung.
Ostrowskys Skulpturen, die in der materiellen Dimension vorgefundener Fragmente seinen Ursprung haben, helfen uns, die materielle Erscheinung des menschlichen und zeitlichen Handelns in der gebauten Umwelt zu visualisieren. Die Prozesse der Transformation, Aneignung oder Veränderung eines Ortes spiegeln sich in Ostrowskys Arbeiten wider: Ihre Spuren bleiben in den Werken erkennbar und tragen die Geschichte eines Ortes weiter. Die Veränderlichkeit von Materialien wird in diesen Skulpturen thematisiert, um die Erfahrung eines Ortes durch das Medium der Kunst greifbar zu machen. Ostrowskys Kunstwerke können daher als zusätzliche oder alternative Darstellung des Zustands eines Ortes dienen, die seine materiellen und immateriellen Eigenschaften enthält und spürbar abbildet. Durch diese Skulpturen kann ein Ort also besser verstanden oder anders betrachtet werden. Ist es nicht das, was Kunst letztendlich tut: uns gewöhnliche oder alltägliche Dinge in einem neuen Licht wiederentdecken zu lassen?
Elettra Carnelli studierte Architektur von 2009 bis 2016 an der Accademia di Architettura in Mendrisio, Schweiz, wo sie 2016 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Entwurfsstudio von Prof. Martino Pedrozzi tätig war. Seit 2017 arbeitet sie als Architektin in Zürich. Seit 2018 kombiniert sie die praktische Tätigkeit mit Lehre und Forschung als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Urban Design der Technischen Universität München.
Die Ausstellung wird unterstützt von Stiftungsfonds und NEU START KULTUR.