Herwig Turk & Gebhard Sengmüller
Noch bis 22. April ist die Ausstellung „Donau: Schichtwechsel im Lückenraum von Herwig Turk und Gebhard Sengmüller in der Galerie Rauminhalt zu sehen. Eine bemerkenswerte Schau, die einen Einblick in ein Projekt gibt, in dem Turk und Sengmüller gemeinsam mit Wissenschaftler:innen die Donau südöstlich von Wien erkunden. Eine Landschaft in einem brisanten Spannungsfeld.
Wie sehr die Regulierung der Flüsse diese Landschaft umformt, darauf macht auch die Installation aus verschieden großen und farbigen Flusssteinen aufmerksam. Diese stammen aus den sogenannten Flusslabors, die von der Universität für Bodenkultur, der Technischen Universität und den Landwirtschaftsministerium betrieben werden. Anhand der verschiedenen Gesteinstypen kann unter anderem die Auswirkung von Hochwasser dokumentiert werden. Auf den Steine haben die Künstler Röntgenbilder von Fischarten gelasert, die durch die Regulierung der Donau in ihrer Population zurückgedrängt wurden, als antizipierte Fossilien.
Eine Region, die zwischen Industriegebiet, Naherholungsraum und dem ökologisch sensiblen Nationalpark Donau-Auen liegt und durch Einbauten, Regulierungen, Befestigungen und Kriegshandlungen in den letzten Jahrhunderten stark überformt wurde. "Eine Landschaft, die große Gegensätze und auch Nutzungskonflikte auf kleinstem Raum beinhaltet." so Turk. Herwig Turk hat Erfahrung mit der Anamnese von Landschaften. So hat er in den letzten Jahren über einen der wenigen Wildflüsse Europas, den Tagliamento in Italien gearbeitet, der über einzigartiges Ökosystem und verfügt über eine im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hohe Diversität an Tier- und Pflanzenarten. In einem aktuellen Projekt widmet er sich der Vjosa in Albanien – Wildflüsse wie es sie im deutschsprachgigen Raum so nicht mehr gibt.
Die Ausstellung taucht ein in die Geschichte der Region und verbindet Historisches mit wissenschaftlichen Fakten und künstlerischen Artefakten, wie die Lederhose, auf die der Besuch des nationalsozialistisches Politikers Hermann Göring in der Lobau tätowiert ist. "Die Lobau war seit den Habsburgern ein beliebtes Jagdrevier, in der Rot- und Schwarzwild zum Zwecke des Abschusses angesiedelt wurde. Bei den Überbauungsplänen der Nationalsozialisten spielte die Jagdleidenschaft Görings eine große Rolle, die verhinderte, dass in der Region große Industrieanlagen gebaut wurden."– sein Besuch nun verewigt auf Hirschleder. Auf der anderen Seite zeigt eine Tafel mit historischen Aufnahmen die Bauarbeiten der Hafenanlage, die zum Großteil von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern ausgeführt wurden. Die Kriegsaktivitäten so Turk haben sich seit Napoleon, der den Auwald massiv roden ließ, in die Region eingeschrieben.
Neue Herausforderungen für die Lobau – Drohende Austrocknung.
Gegenwärtig steht die Lobau vor neuen Herausforderungen. Wo früher die Flussarme der Donau die Landschaft immer wieder neu geformt und den Auwald geflutet haben, ist dieser natürliche Austausch seit der Regulierung der Donau zum Hochwasserschutz vor rund 150 Jahren nachgeradezu erstarrt. Mit der späteren Umgestaltung durch Überlastungsgerinne und Nationalpark könnte sogar von einem hochgradig extern geregelten Stoffwechsel gesprochen werden.Der Austausch des Wasser, der Zufluss der Donau ist seitdem immer weniger geworden und weitgehend unterbunden, der fortschreitende Klimawandel trägt das übrige dazu bei – es droht die Austrocknung des Auwalds.
Um die Austrocknung des Gebiets zu verhindern werden große Mengen Wasser aus der Donau in die Obere Lobau eingeleitet, was wieder zu Diskussionen um die des Trinkwassers führt. Wie sich der Tunnelbau auswirkt würde, haben Turk und Sengmüller mit Wissenschafler:innen besprochen, die dieses Vorhaben aus verschiedenen Blickwinkel beleuchten.
Was kann die Kunst zu diesem Thema leisten?
Die Ausstellung zeigt geradezu idealtypisch wie Kunst komplexe und vielfältige wissenschaftliche Untersuchungen durch künstlerische Methoden übersetzen kann und dadurch einerseits Vertreter:innen verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen, die Öffentlichkeit per se, Schüler:innen und Studierende, zusammenbringen kann.
Das ist möglich, so Herwig Turk, „weil wir keine Agenda in dem Sinn haben, wir sind wederTunnelbauer, noch Beschützer des Zitronenfalters. Denn es gibt viele Partikularinteressen doch in den Diskussionen schaffen wir es, diese zu vereinen und für die Gesellschaft zu übersetzen – hier liegen auch die Möglichkeiten solcher künstlerischen Projekte: die Stimme zu erheben und verschiedene Sparten zusammenbringen und so andere Blickwinkel aufzuzeigen. Die Kunst kann Themen eine Plattform bieten, die sonst nur in Fachmagazinen publiziert werden.“ Die sehr umfangreichen und spezialisierten Forschungsergebnisse verschiedener Disziplinen werden zu einem feingliedrigen „Hyperobject” transformiert, in dem Besucher:innen in verschiedene Wahrnehmungsräume und Wissensgebiete eintauchen können. Denn so Herwig Turk abschließend: „Die Kühlungseffekte der Au und der Donauinsel, ihre Funktion als Grünland und Naherholungsgebiet werden in Zukunft noch viel wichtiger sein als je zuvor.“ Ein Diskurs und ein Bewusstsein für die Fragilität dieser Region ist wichtig, denn man muss sich überlegen, ob man die Ressourcen weiterhin in den Autoverkehr stecken möchte, oder in andere, zukunftsorientierte Ziele.
rauminhalt_harald bichler
Schleifmühlgasse 13, 1040 Wien
Österreich