Fremdenzimmer. Eine Komplizenschaft von Alfredo Barsuglia und Peter Sandbichler

FREMDENZIMMER

Kunstverein Eisenstadt, Joseph Haydn-Gasse 1, 7000 Eisenstadt

Beteiligte Künstler_innen: Alfredo Barsuglia und Peter Sandbichler

Titel: Fremdenzimmer

Datum: 08. Juni 2020 bis 30. August 2020

Fotografie und Credits: © Alfredo Barsuglia, Kunstverein Eisenstadt

Ausstellungstext

Das Kollaborative im Sinne der Komplizenschaft führt die beiden in Wien ansässigen Künstler Alfredo Barsuglia (*1980 Graz) und Peter Sandbichler (*1964 in Kufstein) zusammen. Ihre Ausstellung Fremdenzimmer ist ein Abenteuer: Sowohl für den Kunstverein Eisenstadt als auch für seine Besucher, die darin übernachten können. In gemeinsamer Autorschaft bauen die beiden Künstler dafür eine großformative Raumskulptur, die sowohl als Hotelzimmer als auch als Wunderkammer funktionieren wird. Autonomie und Partizipation werden sich hier in unerwarteten Wendungen umschlingen.

Das äußere Setting ist ein Quader, der magisch im verdunkelten Raum schwebt: Aus 82 gefalteten und geklebten, braunen Kartonmodulen zusammengesetzt, hebt er sich mit seinen 730 x 333 x 283 cm knapp vom grauen Teppichboden ab. Der raumgreifende Körper ist eine in sich geschlossene Einheit, ein „Illusionsraum“, der sich in die bestehende Architektur des Kunstvereins integriert. Gleichzeitig stellt seine Raum-im-Raum-Konstellation die äußere Haut selbst zur Schau: nach innen gewölbte, geometrische Module führen zu reizvollen, optischen Effekten. Abwechselnd vertikal und horizontal angeordnet, formieren sich die Module zu einer Art „Raumschiff“ aus dem rotes Licht heraus zu kriechen scheint. Auf seiner Oberfläche lassen sich Zeichen, Symbole und Wörter zerstreut erkennen: Trans, ehend, SF ORT, Open and Enjoy, Techn, eight 15kg, vet, port and sto, B Cycle. Ergänzt werden sie durch sichtbare Gebrauchsspuren, die der starren konstruktiven Logik des Quaders spielerisch entgegentreten. Zusammen mit der Transformation des zweidimensionalen Kartonmaterials in eine dreidimensionale Skulptur, den optischen Illusionismen und Licht-Schattenspielen wird eine ambivalente Atmosphäre erzeugt.

Das Innere der braunen Zelle bildet eine wundervolle kleine Welt der Absonderlichkeiten. Herzstück ist ein multifunktionales Designobjekt, das als Bett, Tisch, Bank und Abstellfläche fungiert. Materialpoetische Objekte aus Schnüren, Pappmaché, Stoffresten, Aluminiumstäben, Holzkugeln, getrockneten Pflanzen und Insekten präsentieren sich auf aus der Kartonwand ragenden Konsolen. Alles scheint miteinander in Verbindung zu stehen. Kunst, Wissenschaft und Technik verzahnen sich zu mikrokosmischen Geschichten. Vieles in diesem Raum erinnert an eine barocke „Kunst- und Wunderkammer“, nur dass man in dieser wirklich wohnen kann: essen, trinken, schlafen und träumen für eine Nacht!

Der vertraute aber doppeldeutige Titel der Ausstellung Fremdenzimmer formuliert dabei gegenläufige Wünsche: sich mit fremden Dingen bekannt zu machen und das Fremde in ein Zimmer zu bannen.

Nachts wird sich in dieser „Wunderkammer“ allerdings einiges ändern. Den Kunstwerken wird wie durch Zauberhand Leben eingehaucht und der/die übernachtende Besucher*in kann die wirren Facetten einer nächtlichen Phantasmagorie erleben. Das was unter Tags so klar erscheint, zeigt in den samstäglichen Nächten seine unlogische, irrationale Kehrseite. Erst das Licht des nächsten Morgens rückt die wirklichen als auch die geträumten Erlebnisse der Nacht auf Distanz und diese lassen sich kaum mehr voneinander unterscheiden. Zurückbleibt ein womöglich unordentliches Bett, eine Flasche Wein, die Reste eines nächtlichen Mahls, eine erneut erstarrte Szenerie. Diese Spuren werden am nächsten Tag (es ist ein Sonntag) für die Besucher zum sichtbaren Zeugnis für vergangene Anwesenheit und erst am darauffolgenden Samstag, wenn der Kunstverein seine Pforten wieder öffnet, beseitigt sein, sodass die Inszenierung von neuem beginnen kann. Unversehens wurde der/die Besucher zum Darsteller/zur Darstellerin eines Zwei-Personen-Schauspiels: wiederum ein kurioses „Kabinettstück“.