Farewell: Significant Other schließt Space mit Werner Würtinger

Bonjour Monsieur Vladimir T.

Significant OtherBurggasse 24/4, 1070 Wien

Beteiligte Künstler_innen: Werner Würtinger, Kuratiert von Josef Dabernig

Titel: Bonjour Monsieur Vladimir T.

Datum: 30. September − 30. Oktober 2021


Ausstellungstext

Significant Other, im Juli 2017 von Laura Amann und Jen Kratochvil gegründet, produzierte über den Zeitraum von knapp drei Jahren ein gutes Dutzend Ausstellungen und etablierte sich sehr schnell im nicht ganz übersichtlichen Wirrwarr der Wiener Independent Spaces. Namen wie Céline Condorelli, Wendelien van Oldenborgh oder Haris Epaminonda verorteten den bizarr geschnittenen, straßenseitig gelegenen Raum zwischen installativ-bildhauerischem Focus und cinematischer Schlagseite. Amann und Kratochvil konnten sich damit für neue Aufgaben in den Kunsthallen Wien und Bratislava profilieren. Den Schlussakzent für Significant Other setzt – geradezu folgerichtig im Bogen Ihrer konzisen Programmierung – Werner Würtinger.

Würtinger repräsentiert mit seiner frühen Überwindung des Figurativen und einem stark ausgeprägten Konstruktivismus die verschüttete Tradition der Österreichischen Nachkriegs-Bildhauerei. Als einflussreicher Lehrer vermittelte er eine Unzahl junger BildhauerInnen in den institutionellen Raum. Werner Würtinger entspricht dem Schnittstellen-Künstler, dem sprichwörtlichen Scharnier zwischen Räumen und Generationen. Significant Other freut sich, mit Würtinger jenen Bogen zu schließen, der Programmierung als Entdeckung begreift und in dessen Prämisse die Vermittlung als kreativen Prozess, als Werkzeug jenseits institutioneller Zwänge und insbesondere als zwischenmenschliches Handeln Raum einnimmt.

Was liegt näher, als sich bei Raumknappheit mit dem – wie es Werner Würtinger nennt – Phänomen der raumsparenden Skulptur zu beschäftigen. Umso mehr, als Significant Other’s L-förmig kompakter Raum mit vier unterschiedlich ausgeführten Türen, einem Auslagefenster, eingezogener Decke mit Sichtverblendung sowie Strom- und Gaszähler eine komplex artikulierte Vorgabe darstellt. In diesem Kabinett des Dr. Caligari konzipiert Würtinger linker Hand, an einer der wenigen ruhigen Wandflächen, ein bildartiges Objekt: Holzrahmen definieren eine Überlagerung, wobei sich eine der Ebenen mittels Scharnier in den Raum drehen lässt.

Werner Würtinger bringt die Wechselwirkung von Objekt und Bezugsebenen vielfältig zum Klingen. Vergegenwärtigen wir uns die Idee der freien Standplastik aus der Geschichte, so haben wir es semantisch mit einem Autonomie- bis Autoritätskonstrukt zu tun. Heiligenfiguren und Herrscherbüsten sprechen diesbezüglich für sich selbst. Umgekehrt sind Freiplastiken in allen erdenklichen Hochkulturen auch Teil eines räumlichen wie symbolischen Bezugsgeflechts. Würtingers Interesse gilt den Widersprüchen einer zwischen autarken und referentiellen Überlegungen oszillierenden Bildhauerei.

Der Wandbezug seiner für Significant Other realisierten Arbeit ist weniger der Funktion des Aufhängens eines Objekts als einem wechselseitigen Dialog zwischen Raum, Wand und Objekt geschuldet. Der Künstler pflanzt sich auf einer Meta-Ebene nicht mittig im Raum auf, um etwas zu sagen. Vielmehr überaffimiert er das dort fehlende Raumzentrum mit der bewussten Anlehnung an die Wand und einem unbestimmten Heraustreten aus derselben. Würtingers Plastik verhält sich wie ein Zaungast, der vorbeikommt, kommuniziert und sich in Abkehr zu Tugendhaften wie Moralaposteln und Kapitalisten gleich einem Dandy oder Situationisten in Szene setzt.

Werner Würtingers post-figurativer Plastik ist etwas zutiefst Ephemeres zu bescheinigen. Sie kommuniziert mit dem Raum jenseits zentristischer Überlegungen. Darüber hinaus artikuliert sie Fragen der Ökonomie, indem sie ein reduziertes Raumprogramm nochmals für sich bekräftigt. Würtinger verweist hier nicht durch Zufall auf Margarethe Schütte-Lihotzky’s Frankfurter Küche, deren Ziel vor knapp 100 Jahren die Optimierung der Arbeitsabläufe im Haushalt war. Frank Stella’s Shaped Canvases stellen einen weiteren Referenzbogen dar, wenn es um das Verhältnis von Malerei und Plastik geht. Stella’s zunehmend entgrenzte Malerei als geradezu Picturesque Hellenism erfährt bei Würtinger eher die Gegenbewegung der akzentuierten, in der Regel jedoch verhalten bemalten Plastik bzw. Raumzeichnung.

Die Idee der Raumzeichnung artikuliert sich prototypisch in seiner 1979 entstandenen und im Akademiegarten in der Böcklinstrasse aufgenommenen Arbeit. Die in Wien so manifeste Tradition der Wotruba Schule war hier komplett überwunden. Für mich, der Würtinger damals bei der Aufstellung der Arbeit behilflich war, öffneten sich hier vielmehr Wege zu El Lissitzky, Naum Gabo, aber auch Pier Luigi Nervi oder Lina Bo Bardi als Bezugsebenen, die damals in Wien wenig wahrgenommen wurden.