Elif Saydam & Goshka Macuga | Galerie Rüdiger Schöttle

Everybody´s Fool

Galerie Rüdiger Schöttle, Amalienstraße 41, 80799 München, Deutschland

Beteiligte Künstler_innen: Elif Saydam

Datum: 3. Dezember 2020 - 20. Februar 2021


Natural Transformation

Galerie Rüdiger Schöttle, Amalienstraße 41, 80799 München, Deutschland

Beteiligte Künstler_innen: Goshka Macuga

Datum: 3. Dezember 2020 - 20. Februar 2021

Pressetext

In Elif Saydams Ausstellung in der Galerie Rüdiger Schöttle „Everybody’s Fool“, tauchen die Betrachter*innen in eine Welt ein, in der sich osmanische Miniaturmalerei und die abendländische Figur des Narren auf engem Raum kreuzen. Während die DIN A 4 großen Ölmalereien einen Kosmos aus morgenländischen Ornamenten und fragmentarischen Körpern eröffnen, greifen die großformatigen Arbeiten formal auf das Kostüm eines Harlekins zurück. Bei beiden Werkserien vollzieht sich dies technisch auf verschiedenen Ebenen: Meist bilden Fotografien, oder Stoffscans – welche auf die Leinwände gebügelt werden – die erste Ebene ihrer Arbeiten. Anschließend bedient sich Saydam der klassischen Öl- Malerei und überlagert diese mit einer Collagetechnik , indem sie goldene Elemente – meist 23 Karat Blattgold - einsetzt.

Immer wieder taucht die Silhouette einer Figur auf, die geisterhaft mit großen Füßen durch das Bild taumelt. Everybody’s Fool – Jedermanns Narr – das ist der Titel der Ausstellung und ebenjener Narr ist das wiederkehrende Motiv in Elif Saydams Arbeiten. Dieser wird fragmentarisch angedeutet. In der Arbeit „Fancy Fool“ 2019 erscheint er als Hybridwesen. Jenes Wesen blickt den Betrachter*innen schelmisch entgegen. Das ironische Moment wird durch den dadaistischen Einsatz von lieblich–paradiesischen Symbolen hervorgehoben – Rosen oder Granatäpfel dienen als Platzhalter für die Augen, wodurch eine unbekannte Welt aus Früchten und phantasievollen Figuren geschaffen wird. Zugleich sind es die Gegensätze die verwirren, die durch die Bügeltechnik und das Gold hervorgehoben werden. Kulturgeschichtlich betrachtet stammt die Commedia dell’Arte Figur des Harlekins aus der Unterschicht, die mit zerlumpter Kleidung auf der großen Bühne stand und auf Maskenfesten mit naiv-gewitzter Gestalt das Publikum unterhielt, diesem Potential bedient sich Saydam. Ihre/Seine humoristischen Darstellungen visualisieren einen Kosmos aus Motiven des Abendlandes und Morgenlandes und aus Symbolen unserer heutigen visuellen Kultur. Die technischen Divergenzen umgreifen eine Klassenpolitik des guten Geschmacks und stellen diese zugleich in Frage. Astrologisch versierte Betrachter*innen kennen die Trumpfkarte des Narren aus der Tarotkarten – Deutung. In jener Verwendung kann er, je nach Nummerierung, als ein Symbol für Unbekümmertheit oder das Sorgenlose gelten. Zugleich ist der Narr aber auch ein Symbol des Versagens und des Scheiterns. So wird er je nach Deutungsebene vielschichtig auslegbar und es bleibt schließlich offen, ob es sich um den Narren Jedermanns handelt oder vielleicht doch jeder ein Narr ist? Am ehesten – so könnte man meinen – steckt das Närrische in uns allen.


Elif Saydam (geb.1985, Calgary) studierte Bildende Kunst an der Concordia University, Montréal (2009) und unter Monica Baer und Amy Sillman an der Städelschule in Frankfurt. Zuletzt wurden ihre/seine Werke bei Selfing, Mélange, Cologne (2020); What me worry, Stadium, Berlin (2019); and La Belle Dame sans Merci, Franz Kaka, Toronto (2019) gezeigt. Gruppenausstellungen und Performances umfassen: Von Fleisch und Zucker, Montez Press Radio, Hamburg (2019); Art Book Fair, Kölnischer Kunstverein, Köln (2019); and Telephone: Miss St’s Hieroglphyic Suffering, KW Institute for Contemporary Art, Berlin (2018). Im März 2021 werden ihre/seine Arbeiten im Harburger Bahnhof in Hamburg zu sehen sein.

Pressetext

„From Gondwana to Endangered, Who is the Devil Now?" ist die jüngste Iteration von Macugas großformatiger 3D-Gobelinserie, die sich mit den aktuellen Umweltproblemen befasst, mit denen wir als Teil des Anthropozäns konfrontiert sind. Zu sehen ist ein in Brand gestecktes Waldstück, das an die vielen verheerenden Brände erinnert, die die Welt in letzter Zeit erdulden musste. Durch den perspektivischen 3D-Effekt des Gewebes wird der Betrachter förmlich in die Feuersbrunst hineingezogen und zum Teil des Szenarios. Figuren protestierender Tiere, als verkleidete Menschen, versuchen dem Feuer zu entkommen, das ihren Tod und die mögliche Auslöschung ihrer Spezies bedeuten würde. Die Tierprotestler erinnern, sowohl an die Furry-Fandom- Bewegung der 1980er-Jahre, als auch an die politischen Tierkarikaturen des 19. Jahrhunderts. Sie prangern humorvoll und kritisch zugleich das politische Inferno von heute an, als befänden wir uns bereits im Purgatorium.

„Natural Transformation“ ist der Titel der Ausstellung, der nicht nur wie ein Warnslogan auf den durch den Menschen verursachten Wandel der Natur anspielt, sondern auch auf die Kategorientheorie, einem Zweig der Mathematik, verweist, in dem durch „natürliche Transformation“ neue Möglichkeiten geschaffen werden. Ein Ansatz, den Goshka Macuga sowohl in den neu entwickelten Tapiesseriearbeiten als auch in den seit 2018 systematisch entstandenen Collagen der Serie „Discrete Model“ verfolgt. In den Collagen lässt Macuga uns auf die Geschichte der Menschheit, die Entwicklung der Technologie und auf eine posthumane Zukunft blicken. Die Bildsequenzen, die wie gewebt hinter einem Millimeterpapierraster erscheinen, sind repräsentativ für die ökologische Krise, mit der wir uns heute konfrontiert sehen. Dieses Interesse, verschiedene Wissensgebiete zu systematisieren und eine der Computerprogrammierung ähnliche Methode zu schaffen, die es Macuga erlaubt, Gruppen von visuellen Referenzen in sich wiederholenden Mustern zu restrukturieren, zeigt sich auch in einem neuen Werkzyklus kleinformatiger Tapisseriearbeiten. Aus Fragmenten von zuvor hergestellter Tapisserien entstehen, unter Verwendung des systematisierten Prozesses des Siebdrucks, in einem destruktiven wie rekontextualisierenden Akt, gewebte und zugleich bedruckte Unikate, die erstmals in dieser Ausstellung gezeigt werden.


Goshka Macuga ist 1967 in Warschau, Polen, geboren; studierte von 1991 bis 1996 am Central Saint Martins College of Art and Design und an der Goldsmiths, University of London. Sie lebt und arbeitet in London. Macuga ist bekannt für ihre großformatigen Teppicharbeiten, aber auch für ihre Installationen, in denen sie mit unterschiedlichen Medien wie Collagen, Skulpturen, Video und Performance arbeitet. Ihre Werke werden in zahlreichen internationalen und nationalen Institutionen ausgestellt, darunter: Metropolitan Museum of Art, New York (2019), Neues Museum, Nürnberg (2018), Hamburger Bahnhof, Berlin (2018), Witte de With, Rotterdam (2017), Fondazione Prada, Mailand (2016), New Museum, New York (2016), Schinkel Pavillon, Berlin (2016), Documenta 13 (2012), Venedig Biennale (2009). 2008 war Goshka Macuga für den Turner-Preis nominiert. (I.Lohaus)