Martin Ogolter - Stardust

Martin Ogolter, untitled (Stardust 6), 120x180cm, Edition: 5 + 2AP

Collectors Room

Maria-Louisen-Straße 9, 22301 Hamburg
Deutschland

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Photographien sind Trugbilder. In einem populären Text aus dem Jahr 1980 vergleicht die amerikanische Essayistin Susan Sontag das photographische Bild mit den Schattenspielen in der berühmten Höhle des Philosophen Platon. Spätestens hier ist aus dem griechischen Denker des fünften vorchristlichen Jahrhunderts der erste Photograph der Weltgeschichte geworden. Platons weltberühmtes Gleichnis von den Gefangenen in einer dunklen Höhle, die durch einen Lichtspalt hindurch stets nur die Schatten der Erscheinungen wahrnehmen, ist vom Klassiker des philosophischen Idealismus zum Grundmotiv der photographischer Theorie mutiert.

Vermutlich hatte auch Martin Ogolter das Bild von den in Fels und Unwissenheit Eingeschlossenen irgendwo im Hinterkopf, als er sich 2016 erstmals an die Vorüberlegungen zu seiner Serie Stardust machte – einer Serie, die sich auf der Inhaltsebene mit dem zahlreichen Zusammenhängen zwischen Licht, Zeit und Wirklichkeit auseinandersetzt, auf der Bildebene aber zunächst vor allem Reduktionen und Rätsel abliefert. Indem der Künstlerin einem Block Eis gefrorene Blumen auf einem Spiegel drapiert, die im Sonnenlicht auftauenden Gewächse anschließend fotografiert und das fertige Bild in einem letzten Schritt noch einmal von einem iPad-Screen abfotografiert, weist er subtil auf die vielen Transformationen und Informationsverschiebungen im langen Prozess zwischen Bild und Abbild hin. Es hat den Anschein, als verhielte es sich mit dem Lichtbild irgendwie wie mit dem titelgebenden Sternenstaub – mit Informationseinheiten also, die von zumeist winzig kleinen Materiepartikeln im interstellaren Raum ausgehen, und deren Licht oft zehntausende Jahre benötigt, um von der schieren Unendlichkeit in die winzige Welt unsere Vorstellung hineinzugelangen.

Stardust, aber auch Ogolters aus vielen Einzelbildern zusammengesetze Arbeit pastPresentfuture bringen es somit an den Tag: In gewisser Weise sitzen wir noch immer in Platons Höhle. Wir sehen mit unseren photographischen Apparaturen und Bildern nie auf Mikro- oder Makrokosmen, wir sehen immer nur auf deren Spuren – auf Licht, Fragment, poetischen Staub. Gerade in einer Zeit, in der wir die Welt zunehmend über technische Daten und ikonografische Verpixelungen wahrnehmen, braucht es immer mehr medialer Prozesse – immer mehr Umwege und immer mehr Zeit – bis sich die Erscheinungen einer vermeintlichen Realität als Bilder auf unserer Netzhaut einschreiben. Genau diese wachsende Differenz ist es, die Martin Ogolter auf seinen Arbeiten immer wieder neu zum Thema erhebt; eine Differenz, die uns unsere Welt interessanterweise nicht klarer oder vertrauter, sondern am Ende zunehmend abstrakter und fremder erscheinen lässt.

—Ralf Hanselle

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