TROIKA. Terminal Beach

Zwischen Naturzerstörung und technologischem Fortschritt

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Kunstszene
Künstler
MAK Ausstellungsansicht, 2024, TROIKA. Terminal Beach, MAK Contemporary © kunst-dokumentation.com/MAK

Mit der für das MAK – Museum für angewandte Kunst konzipierten immersiven Rauminstallation „Terminal Beach“ hat das Londoner Künstlerkollektiv Troika eine ebenso eindrucksvolle wie dystopische Szenerie zwischen Naturzerstörung und technologischem Fortschritt geschaffen. Die von Marlies Wirth für den Ausstellungsraum MAK Contemporary kuratierte Ausstellung wirft Fragen über die Anpassung von Lebewesen an den Klimawandel und über das digitale Nachleben menschlicher Mythen, Kultur und Geschichte auf und war der Beitrag des Museums zur Klima Biennale Wien 2024.


„Terminal Beach“ mit dem letzten Baum auf der Erde

Die Installation besteht aus dem vierminütigen Animationsfilm „Terminal Beach“ aus dem Jahr 2020, einem Wasserbecken und der neuen Skulpturenserie „Grenzgänger“. Der Film, der auf einem riesigen LED-Bildschirm gezeigt wird, füllt eindrucksvoll die Breitseite des Ausstellungsraumes. Der Hauptakteur ist eine zottelige Kreatur – ein mit schwarzem Fell überzogener Roboterarm, der in einer verlassenen, trostlosen Landschaft, den letzten Baum auf der Erde fällt und in stets gleichem Rhythmus beharrlich mit einer Axt auf dessen Stamm einhackt. 
Die Perspektive der Szenen verändert sich: Sieht man die Handlung zunächst aus der Distanz des Zuschauers, so wechselt die Einstellung –die Handlung wird aus der Sichtweise der hackenden Kreatur, des Täters, gezeigt und involviert unversehens auch den Betrachter in die Szene.

Troika, Terminal Beach, 2020, Videostill, Motion Capture Animation, Courtesy of the artists and max goelitz © Troika

Troika, Terminal Beach, 2020, Videostill, Motion Capture Animation, Courtesy of the artists and max goelitz © Troika

Das Kameraauge nimmt in der Folge auch die Perspektive aus der Krone des Baumes ein. Seine Blätter bewegen sich mit jedem Hieb, man fühlt beinahe mit ihm. In der letzten Sequenz nimmt man das Geschehen aus dem Inneren des Baumes heraus wahr. Doch ob der Roboterarm es schafft, ihn zu Fall zu bringen, sieht man nicht.

Die Metapher des Films ist unverblümt: Wir zerstören die Welt, die uns ernährt, und jede Beschleunigung des technologischen, kapitalistischen und industriellen Fortschritts ist auch eine Beschleunigung in Richtung Auslöschung.

Troika

„Terminal Beach“ ist die erste Einzelausstellung in Österreich des deutsch-französischen Künstlerkollektivs, das 2003 von Eva Rucki, Conny Freyer und Sebastien Noel gegründet wurde und in London tätig ist. Ein zentrales Interesse ihrer stets medienübergreifenden Projekte ist die Wechselwirkung zwischen analogen und digitalen Realitäten. Ihre Arbeit sei eine Suche nach Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit: Was künstliche Intelligenz für unsere Gesellschaft bedeutet, wie sich der in unserer Gesellschaft konstruierte Widerspruch zwischen Mensch und Natur auflösen lässt, so die Künstler.

In „Terminal Beach“ verschwimmen die Grenzen zwischen Maschine und Lebendigem. Die Gestalt, deren Aussehen den industriellen Fließband-Maschinen nachempfunden ist, bewegt sich allerdings etwas zu geschmeidig für einen Roboter.

MAK Ausstellungsansicht, 2024, TROIKA. Terminal Beach, MAK Contemporary © kunst-dokumentation.com/MAK

MAK Ausstellungsansicht, 2024, TROIKA. Terminal Beach, MAK Contemporary © kunst-dokumentation.com/MAK

Das rührt daher, dass Sebastien Noel zunächst selbst die Bewegung ausführte, die anschließend digital animiert wurde. „Ein Crossover zwischen Stadien“ nennt das der Künstler, und Conny Freyer verweist auf den Begriff der Liminalität, der in den späten 1960er-Jahren von dem Kulturanthropologen Victor Turner für temporäre Schwellenzustände geprägt wurde, in denen sich Individuen oder ganze Gruppe befinden können. Ein Begriff, der heute – breiter gefasst – auch für Transition und für den Wandel des bisher Vertrauten steht und aktueller denn je erscheint. Er nimmt in ihrer Arbeit einen großen Stellenwert ein, so Eva Rucki:

Wir glauben, dass wir uns in einer Zeit von Schwellen zwischen Welten befinden, die aufeinanderprallen.

Da wäre die Technologie, die die Welt verändert, aber auch die akute Zerstörung der Natur durch den Mensch.  

Menschliche Schöpfungskraft und Zerstörungstrieb nach Science-Fiction-Geschichten

So geht es um die Frage, welches Nachleben der Natur und der menschlichen Kultur bleibt, wenn digitale Technologien die Welt verändern. Der letzte Baum in dieser Welt ist „eine Art Frankenstein-Baum“, sagt Rucki, entnommen aus einer digitalen Baumbibliothek: Er ist ein Prototyp eines Baumes einer virtuellen Landschaftssoftware. Teil der Installation sind auch die sogenannten „Grenzgänger“ – Objekte, die auf realen Exponaten des Museums basieren. Troika wählte diese aus der digitalen Sammlung des MAK und transformierte sie mittels 3D-Druck wieder in haptische Skulpturen, setzte jedoch mehrere Objekte zu neuen, sonderbaren Mischwesen zusammen: So wurde zum Beispiel für die Figur „Heron Sphinx“ ein Wachsmodell einer Sphinx aus dem 18. Jahrhundert aus dem Archiv der k. k. Wiener Porzellanmanufaktur mit einem japanischen Bronzeguss eines Reihers mit Nashornkäfer aus dem 19. Jahrhundert kombiniert.

Geisterhaft schweben diese eigenartigen Mischwesen im Raum und stehen oder sitzen im überdimensionalen Wasserbecken, das an die LED-Leinwand anschließt. Der Screen spiegelt sich im sonst dunklen Raum im Wasser, und ist er zwischendurch schwarz, so wirken die Axtschläge als Wellen im Wasser nach. Dazu kommt eine unheimliche Soundkulisse, die an Vogelgesang erinnert, jedoch aus Radiowellen von Blitzeinschlägen und geomagnetischen Stürmen erzeugt und vom British Antarcitc Survey aufgezeichnet wurde.

Der „Terminal Beach“ ist kein Strand, an dem man liegen will. Allein, die skulpturalen Wesen und das seltsame Roboterwesen haben sich den widrigen Gegebenheiten angepasst. Den Titel der Rauminstallation entnahm Troika einer Sammlung von Kurzgeschichten eines „Schriftsteller-Helden“ des Kollektivs: James Graham. Ballards Science-Fiction-Geschichten, die sich inhaltlich zwischen Schöpfungskraft und Zerstörungstrieb des Menschen bewegen. Dementsprechend kreist die Installation um Bedrohungsszenarien und Chancen einer digital konstruierten Welt. Oder wie Conny Freyer sagt: „Wir interessieren uns für verschiedene Blickwinkel, die Welt zu sehen.“ Ob der letzte Baum nun gefällt wird oder nicht, bleibt offen.  

MAK Ausstellungsansicht, 2024, TROIKA. Terminal Beach, Troika, Grenzgänger, 2024, MAK Contemporary © kunst-dokumentation.com/MAK

MAK Ausstellungsansicht, 2024, TROIKA. Terminal Beach, Troika, Grenzgänger, 2024, MAK Contemporary © kunst-dokumentation.com/MAK

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