Im Porträt

Xenia Hausner

Xenia Hausner, geboren 1951, hat sich mit ihren ambivalenten Porträts internationale Bekanntheit erworben. PARNASS besuchte die Malerin in ihrem oberösterreichischen Atelier. Im Interview sprach Hausner über ihre jüngsten Arbeiten, ihre Liebe zur Literatur und den „female gaze“.


PARNASS: Ihre Ausstellung in der Albertina ist als Retrospektive angelegt. Sie enthält einzelne Arbeiten aus den 1990er-Jahren, der Schwerpunkt liegt aber auf der jüngeren Vergangenheit. Wie war es für Sie, diese Arbeiten auszuwählen?

Xenia Hausner: Einige Bilder habe ich 20 Jahre nicht mehr gesehen. Bei einer Retrospektive stellt sich die Frage, was an den frühen Arbeiten gut, was schlecht ist – für mich ist es eine Werküberprüfung.

P: Was ist Ihnen sonst ganz konkret aufgefallen bei dieser Werküberprüfung?

XH: Vieles wird mir erst auffallen, wenn ich es in natura hängen sehe! Das ist etwas anderes als im Katalog. Manches habe ich am Anfang, technisch noch nicht auf der Höhe meiner Möglichkeiten, einfach mit Schwung gelöst – das würde mir heute vermutlich nicht mehr so leicht von der Hand gehen. Dafür habe ich heute einen einfacheren, direkteren Ansatz. Es geht um die Frage: Wo stehe ich, wo will ich weitermachen? Wo zieht es mich hin? Die Retrospektive ist nicht nur ein Blick zurück, sondern subjektiv auch einer in die Zukunft.

P: Ich nehme an, Sie stellten die Schau gemeinsam mit Kuratorin Elsy Lahner und Direktor Klaus Albrecht Schröder zusammen, oder? Wie verhandlungsbereit sind Sie als Künstlerin denn, wenn es um die Auswahl der Werke geht? 

XH: Wir waren uns ziemlich einig. Manches ist vielleicht an den Kosten gescheitert: Wir konnten nicht jedes Bild aus den USA holen, das wir ursprünglich wollten. Das scheitert manchmal am Geld, manchmal am Leihgeber. Private Leihgeber verhalten sich oft irrational.  

Xenia Hausner, Vor dem Leben, 2015, Öl auf Papier auf Hartfaser, The Bennett Collection of Women Realists © Studio Xenia Hausner | Bildrecht, Wien, 2021, Foto Stefan Liewehr

 

P: Im Vorjahr, als die Ausstellung gerade aufgrund der Corona-Krise verschoben worden war, gaben Sie PARNASS bereits ein Interview. Sie meinten damals, der Aufschub werde vielleicht die Möglichkeit bringen, auf die aktuellen Verwerfungen zu reagieren. Hat er sich nun tatsächlich in der Ausstellung niedergeschlagen? 

XH: Es gibt zwei Bilder von mir mit Corona-Maske, eines davon wird in Wien in der Ausstellung zu sehen sein, das andere voraussichtlich bei deren Station im Puschkin Museum in Moskau. Aber es ist wahr, ich konnte in diesem Jahr konzentriert an neue Arbeiten gehen. Ich habe mich vor einiger Zeit mit amorphen Formen beschäftigt, mit Bildern außerhalb des rechten Winkels – sie heißen „odd shapes“. Von dieser geschärften Wahrnehmung für formale „Ausreißer“ bin ich auf die Zacken der Briefmarke gestoßen. Und von da an bin ich in den Sog dieser versunkenen Welt geraten. Briefmarken sind ja eine verherrlichende Leistungsschau der Nationen: Sie zeigen Dichter, Denker, Feldherren und Natur.

Xenia Hausner, Exiles 1, 2017, Öl auf Papier auf Dibond, Courtesy of Xenia Hausner © Studio Xenia Hausner | Bildrecht, Wien, 2021, Foto Stefan Liewehr

 

Mich interessiert aber nicht der Wert der Briefmarken und die glorreiche Selbstdarstellung, sondern ich bin eher fasziniert von der Möglichkeit, die andere Seite zu zeigen, die Kehrseite dahinter. So entsteht hier die kritische oder subversive Briefmarke. Eines dieser neuen Bilder, „Pieces of a Woman“, wird vermutlich auch in der Ausstellung sein. Es basiert auf einer Briefmarke aus Saudi-Arabien aus dem Jahr 1963. Im Islam ist Menschendarstellung verboten, die beiden Felder in der Mitte sind ursprünglich leer und nur mit ein paar Zeichen versehen. Ich habe an dieser Stelle zwei Frauen hineingesetzt: Sie stehen für zwei unterschiedliche weibliche Lebensentwürfe – den einer islamischen und den einer westlichen Frau.

Weiter lesen Sie in unserer PARNASS Ausgabe 02/2021!

Albertina

Albertinaplatz 1, 1010 Wien
Österreich

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