Wiener Porzellanmanufaktur

Wiener Porzellanmanufaktur

Die Unterzeichnung des Privilegs zur Porzellanerzeugung durch Kaiser Karl VI. und das Geschick des Hofkriegsratsagenten Claudius Innocentius du Paquier, das Produktionsgeheimnis in Erfahrung zu bringen, führten 1718 zur Gründung der Wiener Porzellanmanufaktur. Das MAK nimmt das 300-jährige Jubiläum zum Anlass für eine große Ausstellung.


Eine Schnupftabakflasche aus 1730, auf der ein chinesisches Paar zu sehen ist, ein Löwen-Teller aus dem Jagd-Service, das Kaiserin Maria Theresia dem Kloster St. Blasien im Schwarzwald schenkte, eine allegorische Figurengruppe über die Bildhauerei oder eine Teetasse aus 1825, verziert mit goldener Kaiserkrone, sind nur einige der Objekte, die im großen Ausstellungsraum des Museums für angewandte Kunst (MAK) zu sehen sind. An die 1.000 Stücke beweisen die Professionalität und Kreativität der Manufaktur, geben Einblick in die Welt der Auftraggeber und erzählen von einer untergegangenen Kultur.

Das Gründungsjahr des Museums war zufällig auch genau das Jahr der Schließung der Wiener Porzellanmanufaktur, deren Nachlass sich seit damals im Besitz des MAK befindet. Bisher waren der Manufaktur nur zweimal, 1904 und 1970, umfassende Ausstellungen gewidmet. Für das heurige Jubiläum hat Kurator Rainald Franz, Kustode der MAK-Sammlung Glas und Keramik, jahrelang vorgearbeitet. Er berief schon 2015 ein wissenschaftliches Symposium ein, das sich mit aktuellen Themen und Problemen der Porzellanforschung rund um die Wiener Porzellanmanufaktur auseinandersetzte, die Ziele der Jubiläumsausstellung definieren half und die eine oder andere Erkenntnis zutage brachte.

Europa und Asien

Die Geschichte der nach Meißen zweitältesten europäischen Porzellanmanufaktur ist das Ergebnis eines Kulturtransfers zwischen Europa und Asien. Über viele Jahrhunderte galt Porzellan hierzulande als kostspieliger Luxus, den man aus China und Japan importierte. Erst einige Jahre nachdem die Rezeptur und das Verfahren zur Herstellung von Porzellan durch den Chemiker und späteren Gründer der Manufaktur Meißen, Johann Friedrich Böttger, in Europa bekannt wurden und Rohstoffe sowie Spezialisten von dort abgeworben werden konnten, begann man auch in Wien Porzellan zu brennen. 1718 wurde in der Rossau, im Bereich der heutigen Liechtensteinstraße 43, später dann unweit davon in der Porzellangasse 43, mit anfänglich zehn Arbeitern aus einer Mischung von Kaolin, Feldspat und Quarz Porzellan hergestellt.

„Kaiser Karl VI. wollte nicht länger von teuren Luxusimporten abhängig sein und außerdem die österreichische Produktion fördern“, erzählt der Kurator, und so war es auch logisch, dass Maria Theresia nach dem Verkauf der Manufaktur durch dessen Gründer Du Paquier das Unternehmen als kaiserliche Produktionsstätte in Wien weiterführen ließ. „1784 übernahm der Beamte Conrad Sörgel von Sorgenthal die Führung der Manufaktur und führte sie zur Hochblüte“, erklärt der Kurator. Hauptabnehmer seiner Ware war der heimische und ausländische Hochadel, aber auch das Bürgertum, unter ihnen viele jüdische Familien, wie aus den Bestellbüchern erkennbar ist.

Von Tafelservice, Vasen und Uhren über Porzellanskulpturen, szenische und florale Miniaturen sowie Porzellanmalereien mit Reliefgolddekor und Kobaltblau bis hin zu großformatigen Porzellanbildern mit Blumenstillleben reicht die Bandbreite der in der Ausstellung gezeigten Erzeugnisse der Manufaktur. Sie sind zwischen 1718 und 1864 entstanden und müssen den Vergleich mit Produkten der Manufakturen in Meißen, Nymphenburg, Berlin und Frankenthal, aber auch dem italienischen Doccia und dem französischen Sèvres nicht scheuen.

Zwettler Tafelaufsatz

Eines der Herzstücke der Sammlung des MAK ist der mehr als vier Meter lange Zwettler Tafelaufsatz. Er trägt 60 Figurengruppen aus dem Repertoire der Porzellanwerkstätte und wurde anlässlich des Goldenen Professjubiläums des Abtes Rainer Kollmann vom Konvent des Stiftes Zwettl um 1768 in Auftrag gegeben. Ebenso weltberühmt ist das Porzellanzimmer aus dem Brünner Palais Dubsky. Das mit Abstand wichtigste Werk der Manufaktur wurde für eine Fürstin von Liechtenstein gefertigt und besteht aus 1.500 Porzellanteilen, die von der Wandvertäfelung bis zum Kamin, von den Lustern bis zu Vasen und Bilderrahmen reichen. Das Zimmer wurde 1912 als Ganzes für die Sammlung des MAK angekauft.

Kurator Rainald Franz kann aber auch sonst für die Jubiläumsausstellung aus dem Vollen schöpfen. Er hat an die 700 hauseigene Objekte, dazu Fotografien, Entwürfe, Grafiken und Modelle aus dem Archiv geholt und zusätzlich an die 300 Leihgaben aus dem In- und Ausland zusammengetragen. Eine davon ist ein Geschenk Kaiser Franz I. an den Duke of Wellington, den Sieger über Napoleon bei Waterloo, dessen Original „nun nach 200 Jahren erstmals wieder in Wien zu sehen ist“, erzählt Rainald Franz. Ergänzt wird die Ausstellung mit Objekten aus der Sammlung von Philipp Revertera. Der Forstwirt und Unternehmer sammelt Tassen der Wiener Porzellanmanufaktur aus dem Zeitraum von 1790 bis 1815. Das Interesse an Porzellan wurde durch ein paar geerbte Stücke aus der Familie geweckt.

Das Hauptaugenmerk der Sammlung liegt sicher auf Tassen mit der typischen Zylinderform und obwohl mich die Vielfalt der Dekore und die Kreativität der Objekte aus der Wiener Porzellanmanufaktur beeindrucken, lege ich den Schwerpunkt auf reine Ornamente aus der klassizistischen Periode. Im Laufe der Jahre hat sich mein Blickwinkel immer wieder verschoben. Was aber all den ungefähr 200 Objekten meiner Sammlung gemeinsam ist, ist der moderne Appeal. Die Muster und Motive sind bis heute nicht aus der Mode gekommen. Manche Dekore könnten aus dem 20. Jahrhundert stammen. Für die Ausstellung wurden zehn Stücke aus der Sammlung ausgesucht, darunter drei Objekte, die eine Spielerei mit Steinimitation sind. Die Tassen sind mehrfärbig und täuschen naturechte Steinfarben vor.

Philipp Revertera

Erst viele Jahre nach der Schließung der legendären Manufaktur beginnt für die Porzellanherstellung in Österreich mit der Gründung der Augarten Manufaktur 1923 unter dessen „Spiritus Rector“ Josef Hoffmann eine neue Epoche, die bis heute bei Wienern und auch international großen Zuspruch findet.

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