Gruppenausstellung Technocare im Kunstraum Niederösterreich

Wer kümmert sich um uns?

Alexa Karolinski & Ingo Niermann, The Army of Love, Videostandbild, 2016 © Alexa Karolinski & Ingo Niermann

Katharina Brandls erste Ausstellung als künstlerische Leiterin der Kunstraum Niederoesterreich kümmert sich um Sie, mich und unsere tierischen wie robotisierten Nächsten. Gemeinsam mit Co-Kuratorin Friederike Zenker wirft die Gruppenshow „TechnoCare“ die Frage auf, ob ästhetische Erfahrung einen fürsorglichen Blick kultivieren kann. In der aktuellen Schau gelingt dies bedingt.


Die Pflege steckt in der Krise. Auf der einen Seite steht der akut wachsende Fachkräftemangel und auf der anderen drängen technoide Lösungen in ein grundmenschliches, hochemotionales Gebiet das bisher im weiblichen Niedriglohnsektor angesiedelt ist. Roboter, die unsere Kindererziehung übernehmen sind noch eine unausgereifte Zukunftsidee, doch „Paro“ die Roboter-Robbe die mit älteren Menschen kuschelt gibt es inzwischen bereits ein paar Jahre. Sie war unter anderem Teil der letzten Vienna Biennale 2017, die auch den milchgebenden Roboter von Stephan Bogner, Philipp Schmitt und Jonas Voigt ins Display rückte.

Weniger orientiert am Status Quo des Zukunftsdesigns präsentiert der Kunstraum Niederoesterreich nun, etwas zu kompakt, den künstlerischen Blick auf die Fürsorge im Zeitalter ihrer technischen Reproduzierbarkeit. Bereits 2012 etwa wandelte Addie Wagenknecht einen handelsüblichen Industrieroboter zur Wiegemaschine für eine Kinderkrippe um. Der Roboterarm schaukelt die Babywiege routiniert und variantenlos – ein Kommentar der Künstlerin auf die eigene Wahrnehmung der repetitiven Aufgaben der Mutterschaft.

Es ist die wohl konkreteste Arbeit der Ausstellung. Schritte weiter wird es abstrakter, wenn die Kuratorinnen den Care-Begriff auch als Drehpunkt von Beziehungen interpretieren. Etwa mit der spannenden Arbeit der in New York lebenden Künstelrin Elisa Giardina Papa deren Videoinstallation befragt wer sich hinter Online Pflegekräften befindet. Von Sex Arbeiterinnen über Dating Coaches bis hin zu Hausaufgabeassistenten verleiht sie jenen eine Stimme die als körperlose Dienstleistung agieren.

Auch soll Techno aber immer Sinne des altgriechischen „techne“, dem Handwerk verstanden werden. Direkt interpretiert etwa von Axelle Stiefel und Camille Aleña in der designtheoretischen Arbeit „Der rote Faden“, die nicht nur das Reparieren als Fürsorge begreift, sondern auch die Auseinandersetzung mit neuen Systemen für unsere Gesellschaft.


Eine Frage der Dominanz

Eine Gesellschaft deren einsame Tiefpunkte NEOZOON mit einer Videoarbeit im Ausstellungsraum unangenehm erfahrbar macht. Found Footage zeigt wie Haustierbesitzer ihre Haustiere im Internet präsentieren. Eine Grenzverschiebung zwischen Intimität und Macht, Dominanz und Fürsorge.

Welchen Anspruch auf Liebe haben wir und wie soll sie sich gestalten? Befragt unterdessen die Videoarbeit „Army of Love“ von Ingo Niermann und Alexa Karolinski. Sie umkreist inhaltlich Definitionsdebatten und sensorisch das Fürsorgliche Moment im Bewegtbild. Denn beispielsweise etwa 100 Minuten streamen Netflix User täglich, somit ist die Entspannung, die wir im Zusehen empfinden ein reales Phänomen.

Marlies Pöschl, Aurore found item hand, holding, 2018 © Marlies Pöschl

Marlies Pöschl, Aurore found item hand, holding, 2018 © Marlies Pöschl


Alles für die Arbeit

Marina Sula zeigt nebenan das Absurde darin auf, wie wir suchen uns zu entspannen um die Spannungen der Arbeitswelt besser zu (er-)tragen. Mitten in den Ausstellungsraum stellt sie ihr Daybed aus Memoryschaum mit Reliquien der alltäglichen Fürsorge: Thrombose Strümpfe, Heilerde, Prothesen. Wie nebensächlich bekümmert sich das Möbel um seine Ausstellungskollegen und bietet eine Sitzgelegenheit von dem Video von NEOZOON. Alles steht miteinander in Relation und Autonomie wird als Illusion demaskiert. Auch die technische Unabhängigkeit kommentiert Sula süffisant mit ihren Tafelbildern, die uns als Transkript unserer Bewegungen auf Handybildschirmen vor Augen führt wie innig wir unsere Displays streicheln – eine der prägnantesten Arbeiten der Ausstellung.

Es schwingen große Themen und Fragestellungen durch den Raum, der nicht ausreichend Werke beherbergt, um ihrer Herr zu werden.

Paula Watzl

Eine Ausstellung, die insgesamt aber nicht ganz befriedigt. Es schwingen große Themen und Fragestellungen durch den Raum, der nicht ausreichend Werke beherbergt, um ihrer Herr zu werden. Geplant ist allerdings ein ganzer Reigen an Performances. Am Eröffnungsabend kamen Ines Lechleitner und Alice Chauchat bereits zum Zug. Vielleicht muss ein solch zwischenmenschliches Thema auch in der Erfahrung demokratisch und angewandt angegangen werden. Es bedarf wohl des Beitrags der Besucher und einer wiederkehrenden Erfahrung.

Kunstraum Niederösterreich

Herrengasse 13, 1010 Wien
Österreich

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