Wenn Frauen* endlich über Geld sprechen

Die Berliner Künstlerinnen Julie Legouez und Evelina Reiter laden nur FLINTA-Künstler*innen zu ihren Ausstellungen ein.
Über Geld spricht man nicht? Und ob! Die Künstlerinnen Julie Legouez und Evelina Reiter wollen nicht nur über Geld sprechen. Sie haben es zum Thema der von ihnen kuratierten Ausstellung „An exhibition about money“ gemacht. Es ist die zweite in einer Reihe mit dem Obertitel „Fight or flight“. Die erste beschäftigte sich mit Angst. Passenderweise laden sie in die StadtWERKSTATT Friedrichshain-Kreuzberg, gleich hinter dem Finanzamt, ein.
Ziel aller Ausstellungen der beiden Künstlerinnen ist – neben der Kunst – die eingeladenen FLINTA-Künstler*innen (Frauen, Lesben, Intersexuelle, Nicht-Binäre, Transgender und Agender Personen) zu vernetzen. „Wir wollen uns verbünden und als Gemeinschaft von Künstler*innen auftreten“, sagt Julie Legouez. Eine Beschränkung durch die Konzentration auf FLINTA-Künstler*innen sieht sie nicht in diesem Konzept. Denn: „Frauen kommen immer noch zu selten in Ausstellungen vor. Deshalb wollen wir sie unterstützen.“

Julie Legouez „Jobcenter“, 2025, © VG Bild-Kunst, 2025
Nur eine der 33 Eingeladenen kann von ihrer Kunst leben.
Für neue Netzwerke und viele Entdeckungen sorgen die Kuratorinnen, die auch selbst ausstellen, durch die Auswahl der Eingeladenen. „Ich habe viele Künstler*innen, denen ich auf Instagram folge, angeschrieben und gefragt, ob sie nicht mitmachen wollen“, sagt Julie Legouez. Um das Feld der Entdeckungen zu vergrößern, gab es außerdem einen open call.
Dass ihre Ausstellung über das Thema Geld angesichts drastischer Kürzungen im Berliner Haushalt so brandaktuell sein würde, haben die Kuratorinnen vor einem Jahr noch nicht geahnt. Aber das Thema, wie Künstlerinnen und Künstler ihr Leben finanzieren, wie sie von ihrer Kunst leben können, ist nicht neu und beschäftigt viele. Und so werden in der Ausstellung nicht nur Jobcenterbesuche thematisiert, sondern auch Glücksspiel als Einnahmequelle, Bausparverträge zur Altersversorgung und Hunger im prekären Künstlerdasein. Es geht um die Möglichkeit (oder Unmöglichkeit), als prekär lebende Künstlerin die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen, um die Ateliersituation, die durch gekürzte Förderungen und steigende Mieten in Berlin immer schlechter wird. Und auch um die Jobs, die die Künstlerinnen machen, um ihr Leben und ihre Kunst zu finanzieren. „Eine der eingeladenen Künstlerinnen arbeitet in der Pflege, nur eine der 33 Eingeladenen kann von ihrer Kunst leben, denn sie hat eine Professur“, sagt Julie Legouz. Wie schon bei der vorigen Ausstellung ist die Kunst-Vielfalt groß: Es gibt Performance und Malerei, Musik und Installationen, Videos und Texte.
Beim Gallery Weekend sehen alle aus, als hätten sie viel Geld, aber wer Kunst macht, hat nicht viel Geld.

Nadine Fecht „surplus“, 2024, © Nadine Fecht

Felix Deiters „The Questionnaire III - gaslight, gatekeep, hopelabour “, 2024, Foto: Alice Stella, © Felix Deiters
Ziel der Ausstellung ist nicht allein das Ausstellen. „Wir wollen verändern, wie über Geld in der Kunst gesprochen wird“, sagt Julie Legouez. Denn bisher erlebe sie, dass es ein Stigma ist, als Künstlerin arm zu sein. „Beim Gallery Weekend sehen alle aus, als hätten sie viel Geld, aber wer Kunst macht, hat nicht viel Geld. Man darf dort nicht sagen, dass man arm ist, denn das heißt, dass man erfolglos ist. Man kann aber erfolgreich sein und tolle Ausstellungen machen, ohne dass man Geld damit verdient“, sagt Julie Legouez, die immer wieder erlebt, dass Ausstellungsbeteiligungen nicht bezahlt werden.
Die Frage, wer es sich leisten kann, heute noch Kunst zu machen, können die beiden Kuratorinnen-Künstlerinnen sehr klar beantworten: Immer weniger. Schon jetzt ziehen Künstlerinnen aus Berlin weg, suchen sich Festanstellungen in anderen Berufen und haben damit weniger Zeit für die künstlerische Arbeit. Thema und Künstler*innen-Auswahl haben der vergangenen Ausstellung in nur vier Tagen Laufzeit 1200 Besucher:innen beschert. Dieses Mal läuft die Ausstellung – dank der Förderung durch das Land Berlin und das Österreichische Kulturforum – sogar zehn Tage lang.

Fight or Flight - an exhibition about fear, 2024, © Arshia Maljaei
FIGHT OR FLIGHT II. AN EXHIBITION ABOUT MONEY
Eröffnung: 12.06.2025, 19:00 Uhr
Laufzeit: bis 22.06.2025
StadtWERKSTATT Friedrichshain-Kreuzberg
Mehringdamm 20, 10961 Berlin