Unsere Ausstellungshighlights 2020 | Top 10

Das größte Highlight überhaupt ist wohl, dass aller Umstände des Jahres 2020 zum Trotz die Kunstwelt an vielen Plänen festhielt und schnell und kreativ reagierte, wenn es darum ging Ideen auch unter neuen Umständen umzusetzen. So blicken wir trotz monatelanger Schließzeiten auf ein in Summe spannendes Ausstellungsjahr zurück in dem zahlreiche Großprojekte neu öffneten und die Museen sich als systemrelevanten Ort einer Gesellschaft bewiesen. Die Reihung ist keine Wertung.


 

Beethoven Bewegt | Kunsthistorisches Museum Wien

Völlig anders hatte sich die Stadt Wien das große Jubiläumsjahr zum 250. Geburtstag Beethovens vorgestellt. Und dennoch – einiges wurde geboten und zahlreiche Ausstellungshäuser beteiligten sich am Schwerpunktprogramm zum Beethoven Jahr, ob das Haus der Musik, das Mozart House Vienna oder gar das Bestattungsmuseum. Wirklich eindrucksvoll begegnet man dem Genie Beethovens aktuell im Kunsthistorischen Museum Wien. Eine hochkarätig besetzte Gruppenschau fühlt der Inspiration Beethovens nach. Herausragend etwa die feinen Zeichenarbeiten Jorinde Voigts, das magische Klavier Rebecca Horns oder die Dauerperformance von Tino Sehgal. Auch die Ausstellungsarchitektur vermag in eine andere Welt zu verführen. Und zu Schließzeiten begeistert eine akustische Arbeit von Ayşe Erkmen auf der Eingangstreppe des Museums.

John Baldessari (1931–2020) Beethoven’s Trumpet (with Ear) Opus, 2007, Harz, Fiberglas, Bronze, Aluminium, Elektronik, L. 179 cm, B. 110 cm, H. 42 cm (Ohr); L. 224 cm, B. 130 cm (Rohr) © John Baldessari Courtesy of the artist, Sprüth Magers and Beyer Projects, Foto: KHM-Museumsverband


Andy Warhol | mumok

Bunt und aspektreich feiert das mumok aktuell den König der Pop Art. Gleich drei Ausstellungen widmen sich dem Genie Warhol und dessen Vermächtnis und das in einer sehenswerten Dichte und Aufarbeitung. Für Kunsthistoriker besonders spannend – „DEROSTING THE ICEBOX. Die verborgenen Schätze der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museums und des Weltmuseum Wien zu Gast im mumok“. Hier fühlt das mumok der fantastischen Ausstellung „RAID THE ICEBOX“ nach, in der Andy Warhol 1969/1970 als Kurator agierte und eine völlig untypische Ausstellung zusammentrug die Depot-Objekte vollkommen hierarchiegelöst und fern jedes Kanons zeigte. In Anlehnung an Warhols untypische Werkliste – er stellte unter anderem 7 Decken, 12 Skulpturen, 17 Stühle, 57 Regenschirme und 194 Paar Schuhe aus – liegt der Fokus im mumok nun auf ausgewählten Werken der Sammlung des Weltmuseums Wien sowie auf griechischen und römischen Skulpturenfragmenten der Antikensammlung des Kunsthistorischen Museum Wien.

Ausstellungsansicht / Exhibition view MISFITTING TOGETHER. Serielle Formationen der Pop Art, Minimal Art und Conceptual Art / MISFITTING TOGETHER. Serial Formations of Pop Art, Minimal Art and Conceptual Art Dóra Maruer, 5 aus 4, 1978 Andy Warhol, Flowers, 1970 Lutz Bacher, Firearms, 2019 Charlotte Posenenske, Vierkantrohre (Serie DW), 1967 (1986) Robert Smithson, Six Stops on a Section, 1969 Photo: Klaus Pichler © mumok


Jakob Lena Knebl | LENTOS

Die News dass Jakob Lena Knebl und Ashley Hans Scheirl Österreich auf der nächsten Kunstbiennale in Venedig vertreten werden gingen im Februar wie ein Lauffeuer durch die Szene. Befeuert wurde die Begeisterung durch die große Einzelausstellung von Jakob Lena Knebl im LENTOS. Eindrucksvoll lies die Künstlerin Kulissen entstehen und übersetzte Querverweise aus der Sammlung des LENTOS in gegenwärtige Thematiken und Ästhetiken.

Einmal mehr bewies Knebl wie die Rollen des Künstlers und des Kurators lohnend ineinandergreifen können. Man darf schon gespannt sein, auf das was uns 2022 in Venedig erwarten wird, zuvor steht allerdings noch eine große Schau im Kunsthaus Bregenz am Programm.

Jakob Lena Knebl, Fashion Drive, Ausstellungsansicht Kunsthaus Zürich, 2017, Foto: Franca Candrian; © Bildrecht Wien, 2020


HERBERT BRANDL | Belvedere 21, Kunsthaus Graz und Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien

Gleich drei Ausstellungen widmeten sich 2020 dem vielfältigen Werk des österreichischen Künstlers Herbert Brandl. Den Beginn machte „Exposed Paintings. Die letzten 20 Jahr" im Belvedere 21. Bis Anfang März ist noch „Morgen“ im Kunsthaus Graz zu sehen und bis Ende Jänner „24/7“ im Grazer Künstlerhaus, Halle für Kunst & Medien. Die Kuratoren dieser Einzelausstellungen Rolf H. Johannsen vom Belvedere, Sandro Droschl vom Grazer Künstlerhaus, und Barbara Steiner Kuratorin der Ausstellung und zugleich Direktorin des Kunsthaus Graz ist es gelungen, jeweils andere Schwerpunkte zu setzen und dadurch die verschiedenen Aspekte in Brandls Werk zu zeigen und auch darzustellen, dass sich sein Kunstbegriff nicht nur auf die Malerei beschränkt.

Die Ausstellungen erschließen im Zusammenspiel die Vielschichtigkeit und den konzeptuellen Zugang seines Œuvres. Im Kunsthaus Graz wird zudem die räumliche Dimension seiner Malerei im gelungen Dialog mit der nicht einfachen Architektur des Ausstellungshauses nachvollziehbar. Es ist natürlich der künstlerischen Qualität Brandls geschuldet, aber vor allem auch der klugen Ausstellungsgestaltung, dem Zusammenspiel dreier Häuser und KuratorInnen das diese Übung gelungen ist. Dreimal gleich, jedoch dreimal anders. 

Herbert Brandl, "Ohne Titel", 2008, Foto: Christian Schindler, Sammlung Angermair


FIONA TAN | Museum der Moderne Salzburg und Kunsthalle Krems

Die in Amsterdam lebende Künstlerin Fiona Tan (*1966 Pekan Baru, Indonesien) stellt in ihrem Werk Themen wie Erinnerung, Zeit und Geschichte in den Mittelpunkt. Diese visualisiert sie in den Medien Fotografie, Film und Video zumeist als räumliche Installationen. Das Museum der Moderne Salzburg und die Kunsthalle Krems präsentieren nahezu zeitgleich Ausstellungen der Künstlerin, die jeweils besondere Schwerpunkte setzen. Für beide Ausstellungen entstand eine neue Arbeit. 

Eindrucksvoll ist die filmische Installation des SW-Films „Gray Glass“, eine Auftragsarbeit des Museum der Moderne, die in den Wäldern, Almen und Gletschern des Hohen Sonnblicks und in der Eisriesenwelt in Werfen gedreht wurde – wie insgesamt die räumliche Einbindung von Film und Fotografie als räumliches Display im Museum der Moderne gelungen ist. Eine der bemerkenswertesten Ausstellungen 2020 und eine Midcareer-Retrospektive, die das Schaffen der letzten zwanzig Jahre von Fiona Tan umspannt. 

Fiona Tan, Gray Glass, 2020. Dreikanal-Ultra-high-definition-Videoinstallation. Video (schwarz-weiß, Stereoton), Filmstill. In Auftrag gegeben vom Museum der Moderne Salzburg Mit Unterstützung von Mondriaan Fund, NL, Museum der Moderne Salzburg. © Courtesy die Künstlerin, Frith Street Gallery, London, Peter Freeman Inc., New York, Wako Works of Art, Tokyo


SHOW OFF. Austrian Fashion Design | MAK – Museum für angewandte Kunst

Ungewöhnliche Ausstellungsarchitekturen, unterhaltsame Videos, lesenswerte Einblicke in Modemagazine vergangener Zeiten und ein bisschen Avantgarde am Catwalk. Das MAK versuchte mit seiner ersten großen Modeschau ein bisschen Eventcharakter ins Museum zu holen und holte Fashion Design made in Austria von den 1980er-Jahren bis ins Heute erlebnisreich vor den Vorhang angewandter Kunst. 

MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design MAK-Ausstellungshalle © Ditz Fejer/MAK

MAK-Ausstellungsansicht, 2020 SHOW OFF. Austrian Fashion Design MAK-Ausstellungshalle © Ditz Fejer/MAK


Nach uns die Sintflut | Kunst Haus Wien

“Kunst. Klima. Zukunft?“, fragen wir uns aktuell in einer fortlaufenden Scherpunktserie in den PARNASS Ausgaben in der zweiten Jahreshälfte 2020. Auch 2021 werden wir der Klimakrise viel Raum geben und versuchen die Herausforderung aus den Aspekten der Kunst zu betrachten. Gleich mehrere Ausstellungen werfen aktuell Fragestellungen rund um die Klimakatastrophe auf. International etwa sehr sehenswert das Migros Museum in Zürich oder das ZKM in Karlsruhe. In Wien beschäftigt sich das MAK stark mit dieser Thematik und auch das Kunst Haus Wien trägt mit der aktuellen Ausstellung „Nach uns die Sintflut“ zur Sichtbarkeit der Klimakrise bei.  

BENEDIKT PARTENHEIMER, Methane experiment, Alaska 2017, aus der Serie »Memories of the Future« | © by the artist, Bildrecht Wien 2020


Bunny Rogers | Kunsthaus Bregenz

Apropos Bregenz. Ebenda begann das Ausstellungsjahr 2020 fulminant mit einer Solopräsentation von Bunny Rogers. „Eine düstere und schwermütige Inszenierung, die mit feinsinnig gesetzten Zitaten Themen wie Trauer, Verlust und verdrängte Ängste, aber auch die Überwindung dieser Gefühle durch kollektive Handlungen, durcharbeitet“, schrieb unsere Autorin Fiona Liewehr über ihren Besuch im Kunsthaus Bregenz im Jänner diesen Jahres. Auch international wurde die Schau der jungen amerikanischen Künstlerin Bunny Rogers in Österreich sehr gut rezipiert.

Bunny Rogers Cement Garden, 2020 Ausstellungsansicht 2. Obergeschoss, Kunsthaus Bregenz, 2020 Foto: Markus Tretter Courtesy of the artist © Bunny Rogers, Kunsthaus Bregenz

Bunny Rogers  Cement Garden, 2020 Ausstellungsansicht 2. Obergeschoss, Kunsthaus Bregenz, 2020  Foto: Markus Tretter  Courtesy of the artist  © Bunny Rogers, Kunsthaus Bregenz

Family Matters | Dom Museum Wien

Ist die Familie ein verstaubtes, bürgerliches Auslaufmodell, das Ideal konservativer Gesellschaftspolitik oder doch ein soziales Erfolgskonzept? Und was bedeutet Familie heute? Das Dom Museum Wien widmete sich 2020 dem Thema Familie, das einem radikalen Wandel unterworfen ist und zeigte damit eine ebenso ungewöhnliche wie mutige Ausstellung. Anhand von künstlerischen Arbeiten vom Mittelalter bis zur Gegenwart wurde der Wandel der Familie in der Ausstellung dargestellt und umfasste sowohl die historische Dimension des Themas wie auch die stets brisante Aktualität und das in künstlerischer wie gesellschaftlicher Dimension. Umso überraschender ist, dass Familie sowohl im Ausstellungsbetrieb als auch in künstlerischen Arbeiten bislang eher eine geringer Beachtung findet. Die Gründe sind vielfältig und reichen von Label konservativ bis hin zu ideologischer Vereinnahmung, die dem Begriff anhaftet. Oder liegt es einfach nur daran, dass es dabei um etwas allzu Persönliches geht? 


Ladies First | Neue Galerie Graz


Bei den Highlights zu 2020 darf diese Ausstellung nicht fehlen. Viele der Künstlerinnen in der von Gudrun Danzer und Günter Holler-Schuster kuratierten Ausstellung mögen nur regional bekannt sein, den im Fokus stehen Künstlerinnen der Steiermark und dennoch ist die Ausstellung in jeder Hinsicht bemerkenswert. Die Kunst von Frauen hatte traditionell nicht die gleichen Chancen, bekannt und anerkannt zu werden, wie jene von Männern. In der Steiermark unterschied sich die Situation von Frauen, die künstlerisch tätig sein wollten, nicht grundsätzlich von jener im übrigen Österreich oder Europa. Mit „Ladies First“ wird dieser allgemeinen Verdrängung ein weiterer Puzzlestein hinzugefügt. Sie präsentiert Werke von rund 60 Künstlerinnen, informiert über ihre Biografien und die Bedingungen, unter denen die Künstlerinnen arbeiteten. Damit setzt die Neue Galerie Graz ihre Tradition fort, unser Geschichtsbild zu korrigieren und vergessene Positionen zu rehabilitieren und steht damit im Reigen von Ausstellungen wie „Stadt der Frauen“ oder den monografischen Schauen, wie zur Berliner Malerin Lotte Laserstein in der Berlinischen Galerie (2019) oder zu Schweizer Künstlerin Ottilie W. Roederstein die noch bis Anfang April im Kunsthaus Zürich zu sehen ist.


Curated by | Galerienfestival

Keine Museumsausstellung, aber da und dort Ausstellungen von musealer Qualität. Es war ein unglaubliches Lebenszeichen, das die Wiener Galerien diesen September mit dem diesjährigen Festival Curated by international aussendeten. 24 Galerien, so viele wie noch nie zuvor, beteiligten sich an der 12. Ausgabe des Galerienfestivals die sich dem Thema „Hybrids“ widmete. Ganz großartige Beiträge kamen hier zusammen die Brückenschlugen zwischen nationalem und internationalem Kunstschaffen und maßgeblichen Diskurs in einem veranstaltungsarmen Jahr anregten.

Ausstellungsansicht,  Curated By Noit Banai: Sedimentations: Brushing History Against the Grain, Galerie Martin Janda, Vienna, Courtesy Galerie Martin Janda, Vienna, Foto: kunst.dokumentation.com / Manuel Carreon Lopez

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