Tipp: Mit Fleischmann über Film nachdenken

Philipp Fleischmann stellt sich gegen das System – indem er eigene entwirft. Er baut Kameras, die nicht nur filmen, sondern auch die Filmemacher:innen selbst ins Bild rücken. Er lädt sich selbst auf die Biennale von Venedig und in die Haupthalle der Secession ein, irritiert Institutionen mit anonyme Hauszustellungen und erschafft analoge Apparate von geradezu sakraler Ausstrahlung – im Zeitalter der totalen Digitalisierung wirkt das zugleich anachronistisch und visionär. Ein Blick in den Franz-Josefs-Kai 3.
Als Jugendlicher stand Fleischmann (*1985 Hollabrunn) schauspielerisch vor der Kamera – ein früher Moment, der zur lebenslangen Befragung des Apparats wurde. Denn die klassische Filmkamera sei für ihn ein „Monoblick“, sagt der Künstler – ein technisches Werkzeug, das patriarchale Hierarchien einschreibt, noch bevor überhaupt ein Bild entstanden ist. Was also bedeutet es, mit Licht zu schreiben – und wie lassen sich die Machtverhältnisse von Kamera und Subjekt auflösen?
Fleischmanns Antwort: radikale Neukonstruktionen. Seine Kameras entstehen in präziser Abstimmung auf die Bedürfnisse spezifischer Räume – etwa Museen. Sie benötigen mehrere Personen zur Bedienung und zeichnen simultan in mehrere Richtungen auf. Die so entstehenden Filmstreifen sind keine linearen Erzählungen, sondern visuelle Diagramme – ortsspezifisch, abstrakt und möglichst frei von subjektivem Blick. Im Franz-Josefs-Kai 3, der bisher umfassendsten Werkschau des Künstlers, werden nun seine Projektionsskulpturen gezeigt.

Philipp Fleischmann, 13 Film Works, Ausstellungsansicht, 2025, fjk3, Foto: Lisa Rastl
Fleischmanns Arbeiten sind keine trockenen Manifeste, sondern sinnliche Erfahrungen. Magisch, präzise, konzentriert.
Fleischmann, Künstlerischer Leiter der Schule Friedl Kubelka für unabhängigen Film, hat in den letzten Jahren international auf sich aufmerksam gemacht – u. a. bei den Biennalen in São Paulo und Lyon sowie im Rahmen des MAK-Schindler-Stipendiums in Los Angeles. Seine Praxis verbindet formale Strenge mit subversivem Witz und einer fast meditativen Sinnlichkeit.
Ein zentrales Element ist die Institutionskritik. Gerade Film zieht im Ausstellungswesen ja oft den Kürzeren. Statt ewig auf Einladungen zu warten, vermisst Fleischmann Institutionelle Kunst-Kathedralen mit seiner Kamera. So „filmte“ er etwa die Secession oder den Österreichischen Pavillon in Venedig, ohne offiziell Teil des Ausstellungsprogramms zu sein. In diese Räume künstlerischer Anerkennung schreibt er sich also quasi durch die Hintertür uns ästhetisch innovativ ein.
Ein besonderes Kapitel dieser Strategie bildet auch seine Intervention in die Sammlung des Kunsthistorischen Museums: Fleischmann schickte dem KHM anonym eine Filmkassette mit der Aufschrift „exposed negative for processing“. Wie sich später zeigte, rahmte das Museum das Objekt, die ungeöffnete Kassette, als Kunstwerk. Andere Institutionen, mit denen er ähnlich vorging legten die Kassette achtlos in Schubladen oder verwechselten die Lieferung mit erwarteten Ausstellungsdokumentationen. Auch Förderstellen adressierte Fleischmann so die Absurdität der Auswahlverfahren zu konterkarieren. In der Wiener Schau lässt sich nun nachvollziehen, wie unterschiedlich die Adressat:innen auf ihre unerwartete Kunstsendung reagierten – ein ebenso komischer wie entlarvender Spiegel der Kunstwelt.

Philipp Fleischmann, 13 Film Works, Ausstellungsansicht, 2025, fjk3, Foto: Lisa Rastl
Trotz aller Institutionskritik: Fleischmanns Arbeiten sind keine trockenen Manifeste, sondern sinnliche Erfahrungen. Magisch, präzise, konzentriert.
Die Filme im fjk3 – abgestimmt auf die Architektur des Raums selbst – entfalten eine ganz eigene Sogwirkung. Besonders im Untergeschoss der Ausstellung entsteht ein Raum für Wahrnehmung, der sich jeder Spektakelrhetorik entzieht. Die Installation „One.Two.Seven“ verteilt Diaprojektoren im Raum und lässt sie eine fesselnde Choreografie aus Licht und Sound aufführen. Während Werke von James Turrell oder Olafur Eliasson längst so überlaufen sind, das sie ihre ursprüngliche Intention einbüßen mussten, lässt sich hier noch eine intime, fast spirituelle Intensität erleben. Und die sollte man sich nicht entgehen lassen.

Philipp Fleischmann, 13 Film Works, Ausstellungsansicht, 2025, fjk3, Foto: Lisa Rastl
FRANZ JOSEFS KAI 3
Franz Josefs Kai 3, 1010 Wien
Österreich