Jose Dávila - A Simple Rule To Remember

Schwereloser Kraftakt

Jose Dávila, Joint Effort, 2017, One way mirror, smoked glass, clear glass and ratchet straps, 183 x 440 x 130 cm © Agustin Acre

Mit poetischer Leichtigkeit ermahnt Jose Dávila aktuell am Franz Josefs Kai 3 daran auf die physischen Aspekte der Welt zu achten sowie auch die Kräfte zwischen den großen Mächten nachzuspüren. Schwerer Stoff, der Große wieder Staunen macht wie Kleine.


Am Boden liegt ein Würfel aus Beton. Starr und schwer. An dessen oberer Kante aber balanciert ein weiterer, gleich großer, gleich schwererKubus. Balanciert als hätte er sein ganzes Gewicht abgegeben. Die beiden Würfel berühren einander gerade so viel, wie unbedingt nötig um einander noch Halt zu geben. Ein Gürtel befestigt an einem Stein gegenüber stützt die Konstruktion. Es fehlt nur ein Grad, der Gurt müsste nur einen Zentimeter länger sein – der Kubus würde zu Boden fallen und zerschellen. Doch er hält. Das ist die Kunst Jose Dávilas.

„Ich mag es mit der Psychologie des Betrachters zu spielen. Er glaubt, dass gleich etwas passieren wird, aber es bleibt bei dieser Erwartung, denn alles ist stabil. Nichts passiert. Wie Kinder verspüren wir aber eine gewisse Lust daran, dass gleich alles einstürzten könnte“, erklärt der mexikanische Künstler in der Ausstellung. Er bringt ins “Gleichgewicht” was gar nicht gleich gewichtet ist: industrielle Materie, überall auf der Welt gleich in Maß und Anspruch (um es uns, so der Künstler, „leicht zu machen”) und naturbelassene Steine, gefunden auf Wanderungen, jeder so „einzigartig wie ein Fingerabdruck”.

So arbeitet Dávila mit den „Elementarteilchen“ des Baus – Stahl, Stein und Glas und bringt sie in einem narrativen Moment so zusammen, dass sie eine Skulptur ergeben, die, so der Künstler, ein „Event” ist. Denn die Skulptur passiert einzig in der vorübergehenden Zusammenkunft der verschiedenen Materialien. Auch auseinandergenommen funktionieren sie – als Baustoffe. Doch wohnt nicht jedem Material mehrere Möglichkeiten der Existenz inne?

Jose Dávila, Joint Effort, 2017, San Andrés stone volume, rock, and strap, 95.5 x 259 x 46 cm © Agustin Acre

Jose Dávila, Joint Effort, 2017, San Andrés stone volume, rock, and strap, 95.5 x 259 x 46 cm © Agustin Acre


Kombinierte Kräfte und erstarktes Miteinander

Die im Ausstellungstitel angesprochene „Simple Rule To Remember”, ist für Dávila das Faktum, dass alle Objekte bloß ein Subjekt der Schwerkraft sind. Und dass diese Schwerkraft ein gemeinsamer Kraftakt ist. Viele der gezeigten Arbeiten kommen aus der treffend betitelten laufenden Werkserie „Joint Effort“. „Ich mag es, diese Werke als Kompositionen zu entwickeln, bei denen die verschiedenen Elemente zusammenarbeiten müssen, um sich gegenseitig zu stützen, nicht zu fallen und nicht zu brechen.“ Das kann man durchaus auch als Metapher verstehen – „als Gesellschaft sind wir gewissermaßen auch eine Komposition.“ Empathie spiele auch hier eine große Rolle, erklärt er.

Als Gesellschaft sind wir gewissermaßen auch eine Komposition.

Jose Dávila

Es ist die erste Einzelausstellung in Österreich des 1974 in Guadalajara geborenen Künstlers. Kuratiert wurde die die beide Ebenen des Ausstellungsraum Franz Josefs Kai 3 umfassende Schau von Marlies Wirth. Seit Jahren steht sie in Kontakt mit Jose Dávila und wollte ihn schon länger nach Wien holen, und zwar genau in diesen Raum, denn er sei, so Wirth, „a perfect match“.

Und tatsächlich interagieren Werk und Umraum hier besonders rhythmisch, stimmgewaltig zum einen, mit den nötigen Momenten der Stille zum anderen. „Da herrscht einerseits diese Ruhe im Raum und zugleich befällt einen ein Gefühl von Angst“, so die Kuratorin. An Dávilas Arbeit schätzt sie unter anderem wie sich kalkulierte und poetische Aspekte mischen.

Da herrscht einerseits diese Ruhe im Raum und zugleich befällt einen ein Gefühl von Angst.

Marlies Wirth, Kuratorin

Beiden, Künstler wie Kuratorin, war es ein Anliegen die Ausstellung spezifisch in diesem Raum zu denken und ihn auch mit neuen Arbeiten direkt zu integrieren. Das Glasdach war ein strategisches Moment das sich nun mit kleinen Eingriffen nahtlos in Dávilas skulpturale Praxis einschreibt. So gelingt dem Künstler abermals eine angenehm beiläufige Neubetrachtung des Gegebenen. Unaufdringlich und doch eindringlich.

Jose Dávila, 2017, Glass sphere, glass and ratchet straps, 186.5 x 110 x 130 cm | Courtesy the artist and KÖNIG Galerie Berlin, London | Foto: Stefan Lux

Jose Dávila, 2017, Glass sphere, glass and ratchet straps, 186.5 x 110 x 130 cm | Courtesy the artist and KÖNIG Galerie Berlin, London | Foto: Stefan Lux


Experimentelle Physik und strukturelle Poesie

„Ich mag es mit den Linien im Raum zu zeichnen“, so Dávila. Aber nicht nur das, auch das Malerische übersetzt er in die Dreidimensionalität. Pointiert kommentiert zum Beispiel eine hängende Arbeit das kunsthistorische Erbe Josef Albers. Sein abstraktes Denken macht Jose Dávila konkret und maximiert es durch Beweglichkeit. Eine nächste Arbeit kehrt dieses Denken um und bringt die Skulptur auf die Wand. Mit übereinandergelegten Glasplatten schichtet er „Gemälde“. Zeigt, wie das Übereinander desselben Tons zu neuen Farbtönen führt. Nur ein Blick hinter die Konstruktion legt die dahinterliegenden Kräfte offen. Immer hängt alles zusammen.

Auch Wissenschaften und die Poesie. Laut Dávila versuchen beide stets Antworten auf dieselben Fragen zu finden, als Künstler kann er das ausgleichende Element in der Mitte stellen. Dávila kennt die Gesetze der Mathematik und Physik, bezwingt sie jedoch mit dem Kraftakt der Ästhetik. Newton folgend erzeugt bei der Wechselwirkung zwischen zwei Körpern jede Aktion eine gleich große Reaktion.

Das ist der Stoff mit dem Jose Dávila seine Metaphern baut. Was erst wie Größenwahnsinn wirken mag, wie ein weiterer übermenschlicher Versuch die Grenzen zu überschreiten, ist ein stilisierter Fingerzeig auf das was längst gegeben ist. Der Versuch der Essenz unserer Existenz näher zu kommen. Und er gelingt. Nichts kollabiert. Alles funktioniert. Wir müssen dazu „bloß“ alle aktiv werden. Gleichzeitig.

FRANZ JOSEFS KAI 3

Franz Josefs Kai 3, 1010 Wien
Österreich

 

Jose Dávila - A simple rule to remember

bis 30. November

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