Candice Breitz in der Kunsthalle Krems

SCHWARZ-WEISS-SPEKTRUM

Candice Breitz, Whiteface, 2022, Installation View Museum Folkwang, Foto: Jens Nober

„Wer bist du?“ – „Nicht alle weißen Menschen sind Rassisten“ – „Was bedeutet Weißsein?“ Fragen und Sätze wie diese, die in der Zweikanal Videoinstallation „Whiteface“ von Candice Breitz durch den Ausstellungsraum tönen, hallen auch nach dem Besuch der Kunsthalle Krems nach.


Kritische Weißseinsforschung und politischer Aktivismus

Das rührt insbesondere vom Moment der Wiederholung, der Breitz´ Präsentation eingeschrieben ist: Nicht nur beruht die knapp über 35 Minuten lange Videoarbeit aus 2022 auf ständig wiederkehrenden Stimmen und Wortfetzen, auch läuft sie im Loop immerzu weiter. So wird sie zu einem eindrücklichen und gleichzeitig verstörenden Rauschen von Aussagen, die auf rassistischer Argumentation von „white people talking about race“ (auch das ein wiederkehrender Satz der Installation) beruhen, denn sie stammen mitunter aus dem rechtsextremen und nationalistischen Kontext in den USA. Von Menschen, die vom „weißen Privileg“ überzeugt sind.

Breitz sammelte mediale Mitschnitte in Bild und Ton, die sich zwischen „far right“ und Alltagsrassismus bewegen, von Influencerinnen der Neuen Rechten (Brittany Sellner) und Fernsehmoderatoren (Tucker Carlson), von Persönlichkeiten aus der Politik (Sarah Palin) und Öffentlichkeit (Sharon Osbourne).

Candice Breitz, Whiteface, 2022, comissioned by the Museum Folkwang with support from the Kunsthalle Baden-Baden

Candice Breitz, Whiteface, 2022, comissioned by the Museum Folkwang with support from the Kunsthalle Baden-Baden

Das Werk solle für „weitere weiße Menschen unangenehm“ sein.

Magdalena Mayer zitiert Candice Breitz

Steht man in der Installation mit Blick auf die zentrale Videoarbeit, so rücken die Quellen der found-footage-Aufnahmen jedoch in den Hintergrund. Mit wasserstoffblonden Perücken, weißen Hemden und stechenden Zombiekontaktlinsen ist es Breitz selbst, die auf dem großformatigen Bildschirm vor blendend weißem Hintergrund steht, die O-Töne wiedergibt, und so fesselnd das Zentrum der Arbeit einnimmt: Die Mitschnitte, die durch sie wie durch eine Bauchrednerpuppe fließen, klingen durch ihre optisch und gestisch überspitze Präsentation und die serielle Wiederholung in der Montage sowie aus Sitcoms bekannte Tonelemente (Lacher etwa) nunmehr satirisch an. Will man sehen, dass es die Rednerinnen und Redner ernst meinten, muss man sich abwenden, um auf einem kleinen Screen die Originalbeiträge zu sehen.

Ausstellungsansicht, Candice Breitz, Kunsthalle Krems © donaufestival/Kunsthalle Krems, Foto: David Visnjic

Ausstellungsansicht, Candice Breitz, Kunsthalle Krems © donaufestival/Kunsthalle Krems, Foto: David Visnjic

Breitz' provokative Kunst und ihre Konsequenzen

Dass es der Künstlerin hier aber nicht um individuelle Subjekte mit deren Meinungen geht, betonte sie bei einem vom Donaufestival Krems (im Rahmen dessen die Ausstellung realisiert wurde) organisierten Gespräch: Vielmehr interessiere sie sich für die Kondition und Konstruktion des Weißseins. Dafür, wie Machtgefüge einer weißen Vorherrschaft aufrechterhalten werden würden und wie sich die in Sprache manifestiert: Themen der kritischen Weißseinsforschung. Dass sie selbst auch als weiß gelesen wird, setzt sie als „Horrorelement“ ein: Daher der Zombielook. Das Werk solle für „weitere weiße Menschen unangenehm“ sein. Gelingt es durch diese Überzogenheit der Präsentation und Künstlichkeit durch Elemente wie die Perücken, die Aussagen ins Lächerliche zu ziehen und deren rassistische Logik offenzulegen, oder bietet sie den Sprecherinnen und Sprechern doch nur eine weitere Plattform für Aufmerksamkeit? Eine Frage, die die Installation beklemmend aufwirft und die sich die Künstlerin beim Gespräch vor Ort selbst stellte.

Die eigene Rolle von Breitz, die 1972 in Südafrika geboren wurde und in Berlin lebt, wird zumeist als politischer Aktivismus eingeordnet. Dass sie diesen durchaus für nötig hält, legte sie in Krems dar. Gleichzeitig zog sie durch die Brisanz eigener Äußerungen zuletzt Vorwürfe auf sich, die zur Absage einer von ihr initiierten Tagung über Rassismus, Antisemitismus und deutsche Erinnerungskultur sowie eine für 2024 geplante Ausstellung im Saarlandmuseum führte. Der Vorwurf dahinter: Zu kontroverse Aussagen zum Gaza-Krieg, eine einseitige Parteilichkeit. Die Videoinstallation, die die Kunsthalle Krems jetzt noch bis Ende September zeigt, kann durchaus als politische Positionierung gegen rechte Tendenzen gesehen werden – in den USA, in Europa. Gleichzeitig regt sie zur Reflexion darüber an, wie komplex Machtverhältnisse und deren Reproduktion in Medien sind.

Candice Breitz, Foto: Róbert Weinraub

Candice Breitz, Foto: Róbert Weinraub

Kunsthalle Krems

Museumsplatz 5, 3500 Krems an der Donau
Österreich

Candice Breitz: Whiteface
Teil drei der
White Noise Trilogy: Love Story (2016), TLDR (2017), Whiteface (2022)

bis 22. September 2024

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