Kunstgeschichte Kompakt | Meisterwerke

Sandro Botticelli „Junger Mann mit dem Medaillon“

Das Tafelbild (Tempera auf Pappelholz) des italienischen Malers Sandro Botticelli (1445–1510) „Junger Mann mit dem Medaillon“ erzielte bei der Online-Auktion von Sotheby´s in der Sparte „Old Master Paintings & Sculptur“ am 28. Jänner in New York inklusive Gebühren und Kommission einen Rekordpreis von 92,2 Millionen Dollar.


Zuvor wurde das Bild vom Auktionshaus auf Welttournee geschickt und war in den Dependancen in London, Dubai, LA und New York zu sehen. Mittels eines speziellen Augmented Reality Instagram Filters,  war es darüber hinaus weltweit abrufbar. Soweit so gut. Doch interessiert uns die Geschichte hinter diesen Preis – wer war der nun über 550 Jahre junge Mann im Porträt, welche Provenienz hat das Bild und warum ist es kunsthistorisch so interessant?

Porträts wie dieses kommen selten auf den Kunstmarkt – bestens erhalten und sehr exquisit. Es ist eines von nur insgesamt zwölf erhaltenen Porträts des Renaissancemalers. Das Bild war seit über 500 Jahren in Privatbesitz und war – jedoch durch seinen letzten Besitzer durchaus der Öffentlichkeit zugänglich, unter anderem als Leihgabe in der National Gallery in London, im Metropolitan Museum in New York oder in der National Gallery in Washington D.C. 2009 war es Teil der großen Botticelli-Schau im Städel Museum in Frankfurt /Main. „Mit diesem Bild“, sagt Christopher Apostle, Leiter der Abteilung Alte Meister bei Sotheby's New York, „öffnet Botticelli ein Fenster in die Welt der Florentinischen Renaissance. Der ‚Junge Mann mit Medaillon‘, verkörpere nichts weniger als „die geistigen, höfischen und humanistischen Tugenden dieser Zeit.“ In jeder Hinsicht ist es ein besonderes Bild, nicht nur, dass Botticelli damit die alte und damals populäre Profilansicht überwand – das Bild hat auch eine interessante Provenienz.

Doch wer ist dieser forsch aus dem Bild blickende Jüngling?

Datiert wird das Bild aus stilistischen Gründen in die Mitte der 1480er-Jahre, was es in die Nähe von Botticellis bekannter Tafel „Primavera“ (1482 I Uffizien) bringt. Botticelli brach mit der damals in Italien populären Profildarstellung und malte den jungen Mann in Dreiviertelansicht. Das Geheimnis um die Identität des Porträtierten konnte nie gelüftet werden. Es wird gemutmaßt, er stamme aus dem Umfeld des damaligen Regenten und Kunstmäzens Lorenzo de´Medici, genannt Il Magnifico. Bereits die bekannte „Venus“ und auch „Primavera“ malte Botticelli für die Medicis. In der Versteigerung von 1982 lautete der Titel des Bildes „Porträt von Giovanni die Pierfrancesco de´Medici. Dieser gehörte zur jüngeren Linie der Patrizierfamilie. Giovanni hatte einen älteren Bruder, der ebenfalls Lorenzo hieß , Lorenzo di Pierfrancesco deMedici und ein großer Förderer Botticellis war. Giovanni zählte zur Florentiner Jeunesse d'orée, sein Leben war jedoch sehr bewegt. Nach dem Tod seines Vaters übernahmen Lorenzo di Medici, für ihn und seinen älteren Bruder Lorenzo die Obsorge – und hatte dadurch, Zugriff auf deren Vermögen. Es kam in der Folge zum Zerwürfnis. Giovanni änderte seinen Namen in „Il Popolano“. 1497 heiratete er Caterina Sforza. Sein Sohn wird der spätere Condottiere Giovanni dalle Bande Nere. Giovanni selbst stirbt mit nur 31 Jahren. Forever young also – nicht nur am Bild. Doch ist die Identität des Dargestellten keineswegs gesichert. Fest steht nur, dass Botticelli wiederholt Porträtaufträge der Medicis übernahm, und es sich daher durchaus um ein Mitglied der Familie handeln könnte.

Woher kommt das Bild?

Laut Sotheby´s wurde das Bild höchst wahrscheinlich von Sir Thomas Wynn, Lord Newborough (1736–1807) in der Toskana erworben, wo Wynn von 1782 bis 1791 lebte und in zweiter Ehe mit der Italienerin Maria Stella Petronilla Chiappini verheiratet war. Das Bild blieb über die nächsten Generationen in Familienbesitz und hing in Glynllifon, dem Familiensitz der Newboroughs in Wales – angeblich ziemlich unbeachtet in einem Vorraum. Es war der Kunstwelt nicht bekannt bis in die 1930er-Jahre.

Sandro Botticelli, Portrait of a Young Man Holding a Roundel, Courtesy Sotheby´s

Wie Richard Stapleford im Burlington Magazin über den weiteren Verlauf schreibt, wurde das Porträt vom Kunsthändler Frank Sabin während seines Besuches auf Schloss Newborough entdeckt und 1935 weit unter dem tatsächlichen Wert dem Besitzer, der wohl keine Ahnung von der Bedeutung des Bildes hatte, abgekauft und 1941 weiter an Sir Thomas Merton weiterverkauft.Hier wird das Gemälde erstmals auch al sein Porträt Botticellis beschrieben, so Stapleford. Kenneth Clark, der damalige Director der National Gallery in London, unterstützte diese erste Zuschreibung an Botticelli und beschrieb das Gemälde als „one of the finest fifteenth-century portraits I have ever seen on the market." so Stapleford. (Quelle: Sotheby´s) Damit kam es zu einem Besitzer, der es auch zu schätzen wusste. Merton besaß eine  bemerkenswerte Kollektion an Malerei mit einem Schwerpunkt auf die Zeit zwischen 1450 bis 1520. Das Bild war bis auf eine Ausstellung 1960 der Royal Academy Exhibition at Burlington House in London der Öffentlichkeit entzogen. Doch Botticellis Porträt galt als eines der Hauptwerke der Sammlung und durfte es auch für einige Jahrzehnte bleiben.

Courtesy of Sotheby´s

Erst im Dezember 1982 ließen die Nachfahren das Bild bei Christie´s in London versteigern, Das Lot 92 erreichte damals 810.000 Pfund und ging an einen nicht näher von Sotheby´s genannten amerikanischen Privatsammler, der das Gemälde wie erwähnt auch immer wieder als Leihgabe für Ausstellungen zur Verfügung stellte. Der ORF allerdings zitiert in seinem Bericht das Medienportal Bloomberg, das den Milliardär Sheldon Solow, als damaligen Käufer nennt, der nun 92-jährige verstarb und so das Bild von seinen Erben bei Sotheby´s eingebracht wurde. Kein Unbekannter, vermehrt hat der Sammler Kunstwerke in Auktionen eingebracht und zumeist sensationelle Preise erzielt.

Warum ist das Bild jetzt viel teurer als damals?

Dass die aktuelle Schätzung bei 80 Millionen Dollar liegt, hat damit zu tun, dass in den letzten Jahrzehnten die Zweifel an der Eigenhändigkeit Botticellis widerlegt wurden.Doch auch noch 2015 wurde in der Ausstellung "The Botticelli-Renaissance" kuratiert von Stefan Weppelmann und Ruben Rebmann, die Autorenschaft Botticellis thematisiert. Aber gerade in der "Unbekanntheit des Künstlers, und darin, dass er sich dem Zustand, dass wir überhaupt wüssten, worüber wir reden, komplett entzieht", liege so die Kuratoren damals im Interview mit Deutschland-Funk, seine Faszination.Die Zuschreibung der Werke erfolgt quellenbasiert und durch visuellen Vergleiche. In der Ausstellung waren auch eine Reihe von Arbeiten – gehängt in einem monolithische Block zu sehen – die nicht sicher Botticelli zugeschrieben werden können. Dazu Stefan Weppelmann: „Die Popularität liegt in der eigentlichen Unbekanntheit des Künstlers, und darin, dass er sich dem Zustand, dass wir überhaupt wüssten, worüber wir reden, komplett entzieht. Also: Botticelli hat nur ein Werk signiert, und bei der Signatur ist man sich nicht einmal sicher, ob sie überhaupt von ihm eigenhändig ist. Alles andere sind – zum Teil quellenbasiert, zum Teil dokumentbasiert, zum Teil einfach auch nur durch visuellen Vergleich – ihm zugeschriebene Werke.“ An der Wand hing damals auch: Botticellis Jüngling. (Quelle: deutschlandfunk.de)

Was macht es zum Meisterwerk?

Liest man die verschiedenen Beschreibungen so sind die Interpretationen oft konträr. Manche sprechen von einem schlichten Gewand, andere wieder von einer kostbaren Tunika in einem dunklen Mauveton. Wie auch immer die Kleidung, Haltung und Frisur weisen den Dargestellten als ein Mitglied einer Patrizierfamilie aus. Selbstbewusst blickt er aus dem Bild. Besonders ist der von Botticelli angewandte illusionistische Trick. Der rechte Mittelfinger ragt über die Brüstung hinaus und täuscht so eine nicht vorhandene Dreidimensionalität vor. Das Bildnis ist im Stil und seiner piktoralen Synthese geradezu idealtypisch für die Florentiner Malerei der Renaissance. Es ist, so ist sich die Fachwelt einig, in der Qualität Botticellis Meisterwerken ebenbürtig und entstand am Höhepunkt seiner Karriere zwischen 1470 und den frühen 1480er-Jahren. Die Klarheit der Malerei ist bestechend. Röntgenaufnahmen zeigen, dass Botticelli mehrmals subtil die Pose und Details veränderte, während er am Bild arbeitet. Dieser Prozess einer kontinuierlichen Überarbeitung ist symptomatisch für das Streben nach Perfektion und einer idealen – dem Zeitgeist entsprechenden Darstellung.

Das Medaillon

Eines der faszinierendsten Details des Bildes ist das Medaillon, der der junge Mann in Händen hält. Ein Bildnis eines alten, bärtigen Mannes auf rotgoldenem Grund, wahrscheinlich die Darstellung eines Heiligen, Petrus oder Johannes, der die Hand zum Segensgestus erhoben hat. Die Technik ist ungewöhnlich: Das Medaillon laut Sotheby´s ein Original des sienesischen Malers Bartolommeo Bulgarini aus dem 14. Jahrhundert und wurde auf die Bildtafel collagiert. (Bisher las man immer die Version es wurde diese Darstellung nachempfunden)

Detail: Sandro Botticelli, Portrait of a Young Man Holding a Roundel, Courtesy Sotheby´s

Wie auch viele andere kunsthistorische Beschreibungen nimmt auch Sotheby´s an, dass der Mann in irgendeiner Weise mit dem Dargestellten in Beziehung steht, etwa als Namenspatron oder der Schutzpatron seiner Familie. Der junge Mann hält es zweifelsohne sehr selbstbewusst den Betrachter entgegen. Die Maserung des Holzes wie auch die Stanzarbeiten auf der Rückseite des Bildes, bestätigen, dass es sich um ein Fragment handelt, das wahrscheinlich nicht immer eine runde Form hatte, sondern sich eher um einen Ausschnitt aus einem größeren, vertikalen Tafelbildes handelt. 

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