Sabine Wiedenhofer – Messa da Requiem

Bild- und stimmgewaltig erwies sich die Premiere von Verdis Messa da Requiem mit Klagenfurter Stadttheater. Bühnenbilder, Kostüme und Lichtführung wurden von der Wiener Künstlerin Sabine Wiedenhofer konzipiert. Ihr gelang damit eine eindrucksvolle Interpretation von Verdis Requiem, das sie unmissverständlich in die Gegenwart katapultierte und mit einer brisanten Themensetzung verband. Sie legt die Finger in die Wunden unserer Zeit. Ihre Handschrift: klar politisch, emotional aufgeladen und voller Symbolkraft.
Wenn die Elemente zurückschlagen: Verdi im Zeichen der sieben Todsünden
Sabine Wiedenhofer interpretierte das Verdis Requiem als bildstarken Anklage gegen die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen – gleichsam als apokalyptische Totenmesse für die Erde per se. Durch die weißen Gewänder trat das aus zwei Chören bestehende Ensemble gemeinsam mit den stimmenstarken Solist:innen als Einheit auf. Ein wichtiger Punkt, damit das Bühnenbild als Gesamtheit funktioniert, und auch die Interpretation des Themas. Wiedenhofer hat sich eingehend mit dem lateinischen Text und der Geschichte des Requiems beschäftigt. Bombastisch und bedrohlich hat Verdi die sieben Todsünden, das Flehen um Erbarmen und das Bitten um Vergebung in einem monumentalen Werk zum Erklingen gebracht. 150 Jahre später haben diese Todsünden – Neid, Völlerei, Habgier, Wollust, Hochmut, Trägheit und Zorn – die Menschheit an den Abgrund ihrer eigenen Existenz geführt. Die Elemente des Lebens schlagen zurück und werfen den Menschen von der Erde.

Messa da Requiem von Sabine Wiedenhofer, Stadttheater Klagenfurt © Christian Lorenz, Dresden
Neben den Elementen Wasser, Luft, Erde, Feuer, lässt Sabine Wiedenhofer auch die von uns allen verursachten Müllberge über den in aufsteigenden Reihen stehenden Chor fließen. Und zeigt damit unmissverständlich auf, dass es nicht der andere ist, der all das verursacht, sondern wir alle dafür verantwortlich sind. Verdis Requiem wird zu einem unbequemen und ungeschönten Sinnbild unserer Zeit. Mit dem Bühnenbild setzt Sabine Wiedenhofer das bedrohliche Donnergrollen, die lodernden Flammen des Fegefeuers und das jämmerliche Wimmern um Vergebung vor dem Weltenrichter spektakulär in Szene. Die vier Solist:innen, stets gut mit gezielter Lichtführung während ihrer Performance hervorgehoben, verkörpern die Elemente, die als Hohepriester:innen der Menschheit um Gnade baten – während die Erde sich schon längst zur Richterin erhoben hatte.
Das Publikum erlebte kein klassisches Requiem, sondern eine künstlerische Intervention: ein Aufruf zum Innehalten, ein visuelles Echo auf die brennenden Fragen unserer Zeit – eindrucksvoll, unbequem, notwendig.

Messa da Requiem von Sabine Wiedenhofer, Stadttheater Klagenfurt © Christian Lorenz, Dresden
Das Finale gibt Hoffnung, in dem Wiedenhofer das Verhalten ausklingende Requiem Verdis nicht mit dem einem totalen Kollaps der Erde enden lässt, sondern mit der Vision einer möglichen Auferstehung. Verkörpert wird diese durch eine Frauengestalt, die eindrucksvoll unter Wasser tanzt und schließlich aus dem Wasser aufsteigt – gleichsam als Metapher für die schöpferische Kraft, das Leben selbst. Wiedenhofer ist hier etwas ganz Besonderes gelungen: ein genau abgestimmter Dialog zwischen Musik und bildender Kunst, eine zeitgemäße Interpretation und ein Schauerlebnis das erschüttert und ein Appell für ein Umdenken ist. Man müsste es nur schaffen, es auch den Verantwortlichen zu zeigen. Daher ist zu hoffen, dass Wiedenhofers Messa da Requiem noch weitere, vor allem auch internationalen Aufführungen erhält.

Messa da Requiem von Sabine Wiedenhofer, Stadttheater Klagenfurt © Christian Lorenz, Dresden