Nina Zimmer über Paul Klee
„Ad Parnassum“ gehört zu der etwa siebzig Bilder umfassenden Werkgruppe der so genannten „pointillistischen“ Bilder, die Paul Klee während seiner Lehrtätigkeit an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf von 1931 bis 1932 geschaffen hat. Das gemeinsame Merkmal dieser Gruppe ist der punktförmige Auftrag der Farbe auf der Malfläche, eine Technik, die von den „divisionistischen“ Malern des Spätimpressionismus Georges Seurat und Paul Signac etwa 50 Jahre zuvor erfunden worden war. Klee interpretierte das „pointillistische“ Prinzip aber viel freier als seine historischen Vorbilder und erreichte mit dieser Technik eine vorher unerreichte „polyphone“ Vielschichtigkeit seiner Malerei.
Das Werk „Ad Parnassum“ kann als Summe der gestalterischen Reflexionen und Konzepte gesehen werden, die Klee in den vorangegangenen Jahren am Bauhaus entwickelt hatte: sowohl in Bezug auf die Farben- und Tonalitätslehre als auch hinsichtlich so zentraler Fragen wie der Bildgliederung und Bildstruktur oder nach dem Verhältnis von Abstraktion und Ikonizität.
Dass „Ad Parnassum“ in Düsseldorf und nicht am Bauhaus entstanden ist, hat dennoch seine Logik: Klees Blick auf seine Bauhauszeit erfolgte – zwei Jahre nachdem er sein Engagement in Dessau beendet hatte – aus einer Position der Distanz. Als Professor an der Düsseldorfer Kunstakademie war er – nach den bewegten und konfliktreichen Jahren am Dessauer Bauhaus – nun in vergleichsweise ruhige Gewässer eingefahren. Man kann die Jahre 1931 und 1932 aus diesem Grunde als Zeit des Einhaltens und der Reflexion bezeichnen.
Im Mittelpunkt des 1932 entstandenen Gemäldes steht der Berg als Bildmotiv – konkret ist es wohl der Niesen, wie man ihn vom Thunersee aus in nahezu perfekter Pyramidenform wahrnehmen kann. Der „Parnass“ war in der griechischen Mythologie der Berg des Lichtgottes Apollo und Sitz der Musen. Vielleicht verweist Klee mit dem Bildtitel auch selbstbewusst darauf, dass er mit „Ad Parnassum“ den „Gipfel“ seines Werdegangs als Maler erreicht hat.
Es ist ein Gemälde, das von den Freunden des Kunstmuseums Bern vorausschauend zu einer Zeit für das Museum erworben wurde, als man der Moderne noch skeptisch gegenüberstand. Es steht für einen Schweizer Berg, der zugleich ägyptische Pyramiden aufruft, er wird so zum symbolischen Wunschbild für das Erreichen künstlerischer Ziele, aber auch für das Eigene im Anderen und das Andere im Eigenen.