Nika Neelova im Porträt

Von Mythen und Riten, von Kunstgeschichte und Menschheitsgeschichte – und nicht zuletzt vom Heute und Morgen erzählt die erste große Einzelausstellung von Nika Neelova in Österreich. Es ist zugleich ihre bislang umfangreichste Soloschau überhaupt. Ein Jahr lang, bis April 2026, bespielt die 1987 in Russland geborene, heute in London lebende Künstlerin mit "Cascade" eine ganze Ebene im Museum der Moderne Salzburg (MdM). Neelova arbeitet mit empirischer Neugier und einer geduldigen Obsession. Sie fragt, wie sich Wissen durch die Zeit bewegt, wie Geschichten haften bleiben – oder verloren gehen. Ein Gespräch mit der Künstlerin.
PARNASS: Ihre Arbeiten wirken oft wie Artefakte einer fernen Vergangenheit oder möglichen Zukunft.
NIKA NEELOVA: Ich interessiere mich immer für Formen, die sich einer endgültigen Deutung entziehen – die keine abgeschlossene Gestalt zeigen. Zeit ist für mich ein Material, kein Hintergrund. Wenn ich zum Beispiel das Innere von Wasserrohren abforme, halte ich den negativen Raum des Flusses fest. Es ist ein Abdruck dessen, wo Wasser einst war – eine Erinnerung an eine Bewegung. Dort wird das Material zeitlich.
P: Also eher ein Fossil eines Prozesses als eines Objekts?
NN: Genau. Und auf gewisse Weise geht es mir immer um Berührung – menschliche Berührung, darum, eine Spur von etwas Flüchtigem zu bewahren.

Nika Neelova, Ausstellungsansicht "Cascade", Museum der Moderne Salzburg, 2025, © Museum der Moderne Salzburg, Foto: wildbild, Herbert Rohrer
Ich frage mich immer, "wann", nicht "wo" ich bin.
P: Sie bezeichnen Ihre Arbeiten oft als spekulative Archäologie. Was meinen Sie damit?
NN: Klassische Archäologie versucht, die Vergangenheit zu rekonstruieren. Ich werfe Dinge in die Zukunft. Ich spekuliere darüber, was aus diesen Fragmenten werden könnte. Manchmal denke ich an sie als Prothesen für eine unbekannte Zeit. Sie tragen ihre eigenen Geschichten in sich, sind aber offen.
P: Das spiegelt sich auch in Ihrer Zusammenarbeit mit den Museumssammlungen. Wie haben Sie die Stücke ausgewählt?
NN: Ich suche Objekte, die bereits Teil einer Erzählung sind. Für mich ging es darum, genau solche Artefakte auszuwählen – als Ankerpunkte in der Geschichte, die sich auf poetische Weise miteinander verweben lassen. Rituale, Mythen, Magie – auch das sind Themen, die in der Ausstellung mitschwingen. Und sie werden von den unterschiedlichen Künstler:innen aufgegriffen und bilden gemeinsam eine kollektive Überlieferung, die keine einzelne, eindeutige Erzählung vorgibt.
P: Wie verstehen Sie Ihre Rolle im Erzählen?
NN: Ich sehe mich eher als jemand, der eine Geschichte fortsetzt, nicht als jemand, der sie erschafft. Das meiste, was ich tue, ist Zuhören – Materialien, Räumen, dem, was schon da ist. Daher kommt auch Medusa ins Spiel. In jeder Sprache ist die Qualle eine Szene der Versteinerung. Glas ist wie gefrorene Luft. Es hält einen Atemzug.
Weiter lesen Sie in der PARNASS Sommerausgabe 02/2025.

Nika Neelova, Ausstellungsansicht "Cascade", Museum der Moderne Salzburg, 2025, © Museum der Moderne Salzburg, Foto: wildbild, Herbert Rohrer

Nika Neelova, Ausstellungsansicht "Cascade", Museum der Moderne Salzburg, 2025, © Museum der Moderne Salzburg, Foto: wildbild, Herbert Rohrer
