Up & Coming

Nachwuchskunst in der Steiermark

Der Künstler und Kurator Jakob Kolb präsentierte auf der diesjährigen viennacontemporary zehn Positionen junger Kunst in einer sehenswerten Inszenierung. Sie alle erhielten zuletzt Atelierstipendien vom Land Steiermark, welches einen besonderen Fokus auf künstlerische Förderprogramme legt. Mit der Schau "Escape.Resonance" waren die Atelierprogramme nun zu Gast auf der viennacontemporary 2024 und sollten dort "entschleunigen und aus der Reihe tanzen".


 

Michael Fanta

Aktuell lebt Michael Fanta in Athen. 1989 in Graz geboren, führte ihn das Studium nach Wien an die Akademie der bildenden Küst in Daniel Richters Klasse. Sein Werk ist geprägt von Humor, Ironie und Widerspruch. Naive Formen wechseln sich mit geormetrischer Ernsthaftigkeit, so hat Fanta einen wiedererkennbaren Stil kreiert, der nicht leicht in Schubladen passt. Das Format ist gerne klein und unaufdringlich, für die inhärenten Botschaften trifft dies jedoch nicht zu. So zeigt er eine Ölmalerei von gerade einmal 21 x 24 Zentimetern, auf der in stilisierten Lettern "Truth" prangt.

Michael Fanta, Turning Lies into Truth 2024, Öl auf Baumwolle, 21 x 24 cm, © y the artist, Bildrecht Wien 2024


 

LISA REITER

Versatzstücke des menschlichen Alltags und die Beziehungsgeflechte von Raum und Umraum beschäftigen Lisa Reiter (*1994). Sie verfolgt eine dynamische skulpturale Praxis, die zunächst banale Objekte neu interpretiert und dadurch alltägliche Wahrnehmungsprozesse auflockert. „Mich interessiert, welche Spuren menschliche Interaktionen hinterlassen und wie Räume im erweiterten Sinne Realität und Utopie formen“, erklärt die Künstlerin.

Seit 2021 studiert die ausgebildete Buchbinderin „Plastische Konzeptionen und Keramik“ an der Kunstuniversität Linz. Im Rahmen des Auslandsatelierstipendiums war Lisa Reiter Anfang 2024 für zwei Monate im art quarter budapest zu Gast.

Lisa Reiter, loop 17-19, 2024, aus der Serie "loops", Kupfer, Wachs, Polymer, 27 x 175 x 10 cm, © by the artist, Bildrecht Wien, 2024


 

Katharina Pichler

Die in Graz lebende Filmemacherin und Sound-Designerin Katharina Pichler (*1995) ist Trägerin des KUNSTRAUM STEIERMARK Stipendiums und zeigt auf der Wiener Messe den zehnminütigen Kurzfilm „Murmur“ aus dem Jahr 2021. Der Dokumentarfilm fragt, was passieren würde, wenn irgendwann natürliche und von Menschen gemachte Geräusche nicht mehr voneinander zu unterscheiden wären? „Heute imitieren Vögel Telefone und Menschen stellen sich kleine Zwitscherboxen ins Haus. Katharina Pichler sammelt nüchtern solche Beobachtungen, während Natur und Zivilisation audiovisuell zusammenkommen und schließlich in einer unheilvollen Allianz verschmelzen“, so die Beschreibung der Diagonale, die den Film 2022 zeigte.

Katharina Pichler, Murmur, 2021, Film, 10 min, OV, © by the artist


 

Nina Schuiki

Objektkünstlerin Nina Schuiki (*1983) aus Graz lebt und arbeitet aktuell in Berlin, wo sie  an der Universität der Künste studierte. Zuvor hatte sie in der Klasse für Fotografie an der Universität für angewandte Kunst Wien studiert. Schuiki ist Gewinnerin des Erste Bank MehrWERT-Kunstpreis 2021 der Stadt Wien und stellte bereits mehrfach aus, unter anderem im Hamburger Bahnhof in Berlin und im Museum bildender Künste Leipzig. In der ersten Jahreshälfte war sie finanziert vom Land Steiermark, aktuell ist sie Stipendiatin am WIELS Contemporary Art Centre in Brüssel.

Auf der viennacontemporary zeigt sie die Arbeit „Sanft aus der Zeit gefallen“ von 2022: ein Objekt komponiert aus neu gegossenen Wachsresten von verwendeten Kerzen, gesammelt in Privathäusern in Manhattan. So reflektiert die Künstlerin die unmögliche Gleichzeitigkeit verschiedener Zeitlichkeiten und tänzelt zwischen Vergangenheit und Gegenwart. „Indem sie mit kunsthistorisch bedeutenden Medien wie Glas, Wachs und Licht arbeitet, verweist Schuiki auf die atmosphärische Hohlheit des Minimalismus und setzt dieser Ästhetik gleichzeitig ein romantisches Gefühl von Intimität und Nostalgie entgegen“, beschreibt Kuratorin und Autorin Anna Cahn die Arbeitsweise der Künstlerin.

Nina Schuiki, Gently Out of Time, 2022, Wachs, Docht, 158 cm Länge, 4.2 cm Durchmesser, © by the artist, Bildrecht Wien, 2024


 

Susanna Hofer

Susanna Hofer (*1985) lebt zwischen Wien und der Steiermark, wo sie zeitweise auf der Pack, dem Gebirgspass zwischen der Steiermark und Kärnten, arbeitet. Das Leben zwischen Stadt und Land prägt auch die Kunst der Absolventin der Universität für angewandte Kunst in Wien. Ihre fotografische Praxis bewegt sich an der Schnittstelle von Stillleben und Tableaux vivants, Skulptur und Werbefotografie. Im Gegensatz zum klassischen Stillleben verwebt sie in ihre akribisch komponierten Bilder ein sozio-dokumentarisches Interesse, Hinweise auf kulturübergreifende Bezüge und literarische Objektsymbolik.

Die Objekte, die in ihren Arbeiten auftauchen, entstehen durch die Kombination von Dingen des täglichen Lebens, die ihre ursprüngliche Rolle verloren haben und neue Funktionen und Beziehungen erhalten. So zeigt sie im Rahmen der viennacontemporary die Serie „Yeastologie“, eine Art „Bildgebäck“. Kunstvoll geformtes Brot, aufgeladen mit zahlreichen religiösen und mythologischen Funktionen, findet sich erstmals in frühen Formen von Totenfesten, bei denen gewürzte Brotskulpturen verzehrt wurden, um böse Geister abzuwehren. Das Bildgebäck, das als Gemeinschaftseigentum und privilegiertes Mittel zum Teilen betrachtet wird, steht im Mittelpunkt dieser Serie. Sie bietet verschiedene Perspektiven auf Brot, sei es als sozialer, politischer, wirtschaftlicher oder ökologischer Vektor.

Susanna Hofer, Yeastologie ll, 2020, 40 x 50 cm, Transferdruck auf Leinen, Öllasur, © by the artist, Bildrecht Wien, 2024


 

LENA BALOCH

Eine Blumenwiese mitten im Messegelände – dafür zeichnet die Fotografin Lena Baloch (*1994) auf der viennacontemporary 2024 verantwortlich. Die Absolventin der Grazer Ortweinschule sammelte auch Erfahrungen in Detroit und lebt und arbeitet in Graz. Lena Baloch ist Mitbegründerin des Künstlerkollektivs kollektiv:raum.

2023 publizierte sie als FOTOHOF>EDITION den Band „bruch stück“. Die darin zusammengefasste komplexe fotografische Werkserie erforscht die Auswirkungen chronischer Depressionen auf Wahrnehmung und Erinnerung anhand ihrer eigenen Vergangenheit.

„Depression löst Erinnerungen von ihrer zeitlichen Verortung und hinterlässt Lücken. Die Gestaltung der Bilder ist diesem Erinnerungsmodus angeglichen – blitzartig, verschwommen, diskontinuierlich – jedenfalls flüchtig“, fasst der Fotohof Salzburg die Serie „bruch stück“ zusammen, aus der die entlehnte Arbeit „nigella damascena“ in Wien zu sehen ist.

Lena Baloch, nigella damascena, 2021 aus der Werkreihe "bruch stück", digitale Fotografie, Fine Art Inkjet Print auf Hahnemühle Fine Art Baryta Satin, 60 x 90 cm / Auflage 3+1, © by the artist, Bildrecht Wien 2024


 

Miriam Schmid

Das Auslandsatelierstipendium führte Miriam Schmid (*1989) nach Tirana und zum ZETA Contemporary Art Center. Der künstlerische Schwerpunkt der ausgebildeten Theaterpädagogin liegt in der Entwicklung von Performances (live oder als Video), die meist auf humorvolle Weise die Grenzen von Realität und Fiktion ausloten. Ihr in Tirana entstandener Kurzfilm „MONEYBEE“ ist, so beschreibt es die Künstlerin, „ein selbstironischer Kurzfilm über Privilegien, die nicht wahrgenommen werden, und die kulturelle Hegemonie, die in uns eingeschrieben ist.“

Miriam Schmid, MONEYBEE, 2024, Video, © by the artist


 

Nathalie Koger

„‚Die Videokonferenz der Tiere‘ ist eine 30-minütige Doku-Fiction, die die Erzählungen von Erich Kästners Kinderbuch ‚Die Konferenz der Tiere‘ (1949) adaptiert und in die vom Anthropozän geprägte Gegenwart verlegt“, beschreibt Nathalie Kogler (*1978) ihren Beitrag. Die multidisziplinär tätige bildende Künstlerin arbeitet bevorzugt partizipativ und kollektiv. Kogers Werk konzentriert sich auf feministische Vermittlung als künstlerisches Format und die Politik des Bildes des Kindes in Film und Videokunst. So entstand auch das aktuelle Projekt mehrstufig und der Prozess des Filmemachens wurde als soziale Praxis konzipiert. Die Förderprogramme des Landes Steiermark führten sie nach Prishtina.

Nathalie Koger, DIE VIDEOKONFERENZ DER TIERE, 2024, 4K Video, 29.33 min, 16:9, stereo, © by the artist, Bildrecht Wien 2024


 

Eva-Maria Jocham & Ulrich A. Reiterer

Eva-Maria Jocham (*1984) und Ulrich A. Reiterer (*1978) studierten Architektur an der TU Graz und sind als Architekturschaffende und als Filmemacher:innen tätig. Reiterer studierte auch an der Akademie der bildenden Künste Wien, während Jocham das Studium der Landschaftsplanung an der BOKU in Wien absolvierte. Als Künstler:innenkollektiv beschäftigen sich die beiden mit Fragen der Klimakrise, der autarken Energietransformation und der Qualität des Wohnens, welche in Installationen und filmische Arbeiten einfließen. Die Arbeit „Hofbaum“ beschäftigt sich mit der Bedeutung von Bäumen als architektonisches Element, als Lebensraum und als Symbiont. Im ruralen wie auch im urbanen Kontext wird der „Hofbaum“ als zentrales Element von Lebensqualität proklamiert.

Eva-Maria Jocham & Ulrich A. Reiterer, Hofbaum, 2024, Film, digital, 10 min, 16:9, ©  by the artist


 

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