Zeichner. Maler. Grafiker

Nachruf auf Robert Hammerstiel

Der Künstler Robert Hammerstiel wurde oft als Einzelgänger bezeichnet – vielleicht weil man wenig Vergleichbares in dieser prägnanten Verbindung von Figuration und einem der Abstraktion verpflichteten, flächigen und buntfarbigen Stil in der österreichischen Kunst findet. Am 23. November verstarb der Künstler im Alter von 87 Jahren an seinem Wohnort in Pottschach bei Ternitz in Niederösterreich. 


Normalerweise lautet der Satz, verstarb an seinem Heimatort. Doch er selbst stellte in dem vor einigen Tagen aus Anlass seines Todes wieder ausgestrahlten ORF-Porträt den Begriff Heimat in Frage. Für den ORF besuchte Hammerstiel auch seinen Geburtsort Werschetz im heutigen Serbien/Vojvodina zu dem er zeitlebens eine enge Verbindung hatte, jedoch auch traumatische Erlebnisse seiner Kindheit verband. Hammerstiel wurde 1933 in Werschetz als Kind deutscher Auswanderer geboren. Seine Familie besaß eine Bäckerei, die sein Vater weiterführte. Doch neben seinem Beruf malte er Schilder und Ikonen. Letztere waren, so Robert Hammerstiel auch prägend für seine spätere Formensprache. Die deutschen Auswanderer, ehemals als Siedler in das serbische Banat geholt, wurden Opfer der Kriegsereignisse. Hammerstiel verbrachte Jahre seiner Kindheit in einem Internierungslager, ehe seiner Mutter mit ihm und seinem Bruder 1947 die Flucht nach Österreich gelang. Später kam sein Vater aus der Kriegsgefangenschaft zurück. Noch Jahre später wird er diese Erlebnisse und Eindrücke in seinen Bildern wiedergeben. Den alltäglichen Kampf ums Überleben, die Einsamkeit und Entbehrung, die Gewalt und den Tod, aber auch die Hoffnung, das Mitgefühl, die Liebe, die Würde und die Humanität sind in diesen Bildern eindrucksvoll zu sehen.

© Robert F. Hammerstiel

Seit Ende der 1940er-Jahre lebte Robert Hammerstiel in der Gemeinde Pottschach/Ternitz im Bezirk Neunkirchen. Im Alter von 26 Jahren begann er sein Studium der bildenden Künste in Wien bei Professor Gerda Matejka-Felden. Mit seinen Studien in den 1950er-Jahren an der Wiener Kunstschule fand Hammerstiel rasch einen Anschluss an die Kunstszene, die auch bald in eine rege Ausstellungstätigkeit mündete. Studienreisen führten den Künstler durch Europa, Israel, Jordanien, Ägypten und in die USA. Vor allem die Reise nach New York 1988 war für sein weiteres künstlerisches Werk von großer Bedeutung. Ebendort lernte er die Pop Art kennen. Die Freiheit der Sujets und Farben faszinierte ihn und führt zu einer Veränderung seiner Bildkonzeption und einer Hinwendung zu starken Farben. In einer sehr persönlichen Interpretation der Pop Art entwickelte Hammerstiel eine Formensprache an der Schnittstelle von Figuration und Abstraktion. Angesprochen auf seine stets präsenten und sehr signifikanten Figuren, weist Hammerstiel im ORF-Interview auf den Einfluss seines Vaters und dessen Ikonen-Malerei hin. Man würde den Zusammenhang vielleicht nicht sofort erkennen, er macht aber sobald der Künstler ihn anspricht Sinn und man erkennt Parallelen. Wenngleich eine dekorative, ornamenthafte, Binnenzeichnung kein Thema für den Künstler war.

Im Gegenteil, die Figuren sind abstrahiert sowohl im Körper, als auch im Gesicht – in der Gestaltung verzichtet er auf Nebensächliches und Detailverliebtes. Ihn jedoch als Pop-Art Künstler zu bezeichnen, wie dies nun vielfach geschieht, gelingt auch nicht, denn weder nahm er Anleihen an den Motiven, von der Warenwelt bis hin zu Medienbildern, noch arbeitete er im Sinne der Appropiation-Art oder antizipierte die Idee von Warhols Factory im Sinne einer Vervielfältigung.

„Der Besuch am gelben Tisch“, Öl auf Leinwand, 1994, 110 x 110 cm © Robert F. Hammerstiel, Foto: Sebastian Drüen

Doch formten die Möglichkeiten der Farbe und Flächigkeit in der Bildkomposition, die er durch die Pop Art kennenlernte seine neuen Werke und lösten die dunkle Palette des Frühwerkes ab. Er selbst erklärt dies in einem von Petra Noll zitierten Interview: „Diese Bilder finde ich faszinierend, was Komposition und Farbe betrifft, aber sie haben keine Magie. Es fehlt das Unheimliche, das Geheimnis. Irgendein Geheimnis will der Mensch ja haben! Er muss irgendetwas Magisches haben, etwas Transzendentes. Und ich dachte mir, ich könnte doch so malen, dass ich die Pop Art benutze und dabei extrem magisch werde.“ – was ihm auch gelang.

Waren die Figuren in seinem Frühwerk Ausdruck von Schmerz und Trauer, so sind sie nun in Haltung und Bewegung reduziert und auf ihre Umrisse begrenzt, wobei sich die Körper überdecken und überschneiden. Es macht dabei keinen Unterschied, ob Hammerstiel die Figuren im Außenraum oder Innenraum zeigt. Er entwickelt ein Inventar von Figuren und Gegenständen. Doch obwohl seine Figuren (zumeist) keine Gesichter haben, sind sie nicht ohne Ausdruck. Hammerstiel gelingt es durch die gesamte Bildkonzeption, die Stellung der Figuren zueinander eine Narration aufzubauen, in der die Atmosphäre der Szene für den Betrachter spürbar wird. Die flächig ausgearbeiteten Figuren - oft mit typischer Kopfbedeckung oder symbolhafter Kleidung - erzählen ihre Geschichte durch ihre Beziehung zu einem reduzierten Raum, durch die vom Künstler gewählte Perspektive, unterstützt von weiteren Motiven und Objekten.

„Das Vermächtnis“, Öl auf Leinwand, 2000, 115 x 125 cm © Robert F. Hammerstiel, Foto: Sebastian Drüen

Seine Bilder sind auch Auseinandersetzungen mit Raum, der immer in die Tiefe gestaffelt ist: Wie wird der Raum aufgeteilt, wie verhalten sich die Figuren zueinander und zu ihrer Umgebung, welche Rolle spielen Farbe und Form, wie weit kann die Form noch vereinfacht und gleichzeitig verklärt und mystifiziert werden, wie kann immer wieder neu kompositorische Spannung erreicht werden, ohne die Harmonie einer Manieriertheit zu opfern.“, so Petra Noll in ihrem Nachruf auf Robert Hammerstiel.

Neben den Menschen sind es auch immer wieder die urbanen Landschaften die Hammerstiel als Motiv dienten von New York bis in seine Geburtsstadt Werschetz. Neben der Malerei war er auch einer der wenigen Gegenwartskünstler, die sich mit der Technik des Holzschnittes auseinandersetzten. In beiden Techniken, der Malerei und auch im Holzschnitt war Hammerstiel auch ein genauer Beobachter der Gegenwart und durchaus kritisch in ihrer künstlerischen Umsetzung.

Robert Hammerstiel wurde mit vielen nationalen und internationalen Preisen und Auszeichnungen geehrt. 1985 wurde ihm zudem der Ehrentitel „Professor“ durch den Bundespräsidenten verliehen. Seine Werke waren weltweit in Ausstellungen zu sehen. 2006 wurden seine Arbeiten im Leopold-Museum Wien, 2007 im Künstlerhaus Wien und 2012 in der Albertina gezeigt. Hammerstiels größtes Werk war das 4.000 Quadratmeter große Bild, mit dem er 2007 den Wiener Ringturm verhüllte. Es zeigte Stationen des Lebens - mit den für ihn signifikanten abstrahierend-figurativen, in kräftigen Farben leuchtenden, stark reduzierten Schablonenfiguren. 2010 widmete ihm seine Geburtsstadt Werschetz ein eigenes Museum.

„Hommage an Ernst Ludwig Kirchner", Acryl auf Leinwand, 2008, 120 x 150 cm © Robert F. Hammerstiel

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