Mit multimedialer Kunst in eine andere Welt
Das Lenbachhaus zeigt eine umfassende Ausstellung zum Werk der Multimedia-Künstlerin Cao Fei.
Digitalisierung, Globalisierung und Veränderung in multimedialer Kunst
Cao Fei (*1978) gilt als eine der wichtigsten und innovativsten Vertreterinnen post-digitaler Kunst, ein Begriff, der Kunst beschreibt, die aus dem Digitalen heraus gedacht wird und sich dessen Strukturen und Charakteristika aneignet. Die Künstlerin wuchs im Perlflussdelta auf, in einer Gegend Chinas, die im Zentrum rasanten Wirtschaftswachstums und städtebaulicher Entwicklung stand und sie früh für diese Themen sensibilisierte. In ihren Videos, Fotografien und Installationen verbindet sie politische Kommentare und soziale Kritik mit einer von der Popkultur inspirierten Ästhetik, um damit die rasanten Veränderungen zu reflektieren, welche die zeitgenössische chinesische Gesellschaft prägen. Digitalisierung, Globalisierung, die Veränderung urbaner und vorstädtischer Strukturen und damit unserer Lebensräume sind Kern ihrer künstlerischen Arbeit.
Die von Eva Huttenlauch kuratierte Ausstellung im Kunstbauzeigt einen umfassenden Einblick in das Werk der Künstlerin und spannt einen Bogen von frühen Arbeiten bis hin zu aktuellen Werken. Ein gelungener Parcours, der die Besucher anhand begehbarer Multimedia-Installationen eintauchen lässt in die Welt von Cao Fei. Ein gemeinsamer Nenner ihres vielfältigen Œuvres ist der rapide gesellschaftliche Wandel, der durch digitale Technologien noch beschleunigt wird und dadurch menschliche Erfahrungen prägt und das Selbstverständnis menschlichen Daseins im Innersten berührt und verändert.
Cao Fei agiert mitunter selbst mittels eines Avatars in ihren digitalen Bildwelten – ob wie in früheren Werken als China Tracy oder aktuell als Avatar Oz, der „DUOTOPIA“ bewohnt, einen Entwurf einer in unbestimmter Zukunft liegenden Traumwelt und Cao Feis erste architektonische Konstruktion im Metaversum. Doch immer wieder berühren ihre Werke die Realität. „A Holiday“ aus dem Jahr 2022 zeigt etwa, wie die Menschen in Bejing während der Covid-Pandemie trotz des strikten Verbots von Zusammenkünften in Naherholungsgebieten Möglichkeiten für gemeinsamen Austausch, für Sport und Bewegung fanden. Eine Idylle, die jedoch durch Aufsichtsorgane, die Picknicks auf den Grünflächen auflösten, jäh gestört wurde.
Auch Persönliches fließt in ihre Arbeiten ein, etwa das eigene Erleben der Covid-Pandemie, der Tod ihres Vaters oder der brutale Abriss historischer Stadtteile in der Gegend ihres Ateliers zugunsten des sogenannten Fortschritts.
Ein Trümmerfeld aus Schutt, Ziegeln und zurückgelassenem Mobiliar steht dabei in Kontrast zu neu errichteten Hochhäusern. Jugend- und Subkultur sind ebenso Teil der Ausstellung wie die Jahre der chinesisch-sowjetischen Verbrüderung zwischen 1949 und 1990. Sie bilden den letzten Teil der Schau. Surreal-dystopischen Bilder verbinden sich mit origineller Ästhetik und geben Einblicke in wahnwitzige Projekte wie die gescheiterte Utopie der Stadt Manzhouli an der russisch-chinesischen Grenze.
Cao Fei versteht es, diese komplexen Inhalte, denen stets eine umfassende Recherchearbeit zugrundliegt, in eine prägnante künstlerische Formensprache zu transformieren und Dokumentation mit fiktiven Narrativen zu verbinden. In der Ausstellung sind auch Schlüsselwerke der Künstlerin zu sehen, wie das Projekt „RMB City“, eine fiktive Stadt, die Cao Fei mit ihrem Avatar China Tracy 2006 in der virtuelle Welt Second Life gründete. Doch bei aller Ästhetik der virtuellen Bildwelten und technischer Finesse stellt Cao Fei stets die Frage, welche Herausforderungen und zugleich Gefahren in dieser technisierten, globalisierten und hypervernetzten Welt auf uns zukommen, und welche physischen und psychischen Auswirkungen diese auf uns hat. So verbinden sich in ihren Werken Melancholie und Humor, Utopie und Dystopie.
Städtische Galerie im Lenbachhaus
Luisenstraße 33, 80333 München
Deutschland
Cao Fei.
Meta-mentary
bis 8. September 2024