Marion Ackermann über Karl-Heinz Adler
Das Werk „Schichtung von Rechteckscheiben“ (1960) von Karl-Heinz Adler besticht durch seine Einfachheit und Reduziertheit: Mehrere rechteckige Glasscheiben sind übereinandergestapelt und dank einer weißen Hartfaserplatte vertikal an einer weißen Mauer befestigt. Je nach Blickwinkel des Betrachters spiegelt das Relief sein Gegenüber wider, erzeugt unterschiedliche Schattierungen und lässt das durch das Prisma des Glases gefilterte Licht in all seinen Nuancen hervortreten. Die Glasscheiben von Adler können so als „transparentes“ Pendant zu Ad Reinhardts Gemälden gelten, die Schwarz als Erscheinungsfarbe in all den feinen Abstufungen analysieren und veranschaulichen. Kunstwerke wie „Schichtung von Rechteckscheiben“ stellen große Museumsverbünde auf die Probe und zwingen sie, ihre Sammlungsgeschichte selbstkritisch zu hinterfragen.
Im Jahr 1993 wurde das Werk von Adler für das Kunstgewerbemuseum, das seit 1947 Teil der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden ist, erworben; heute würde man eine solche künstlerische Arbeit eher im Albertinum (seit 1884 Teil der Kunstsammlungen und heute Haus der Kunst von der Romantik bis zur Gegenwart) verorten. Anfang der 1990er-Jahre war es für den Dresdner Museumsverbund aber schlicht nicht denkbar, diese Skulptur für das Albertinum als „Kunst“ anzukaufen, und so wurde sie als „angewandte Kunst“ dem Kunstgewerbe zugeordnet. Aus heutiger Sicht steht das Werk dank seiner künstlerischen Radikalität in einer Linie mit beispielsweise den „Glasscheiben“ von Gerhard Richter.
Adlers Werk stellt also die Frage nach Kategorisierungen. Wie kamen diese im musealen Kontext zustande und sind sie heute noch, vor dem Hintergrund von changierenden Wissenssystemen, aufrechtzuerhalten? Ironischerweise fiel diesem kurzsichtigen Inventarisierungssystem das Genie von Adler zum Opfer, der sich in seinen Arbeiten gerade mit Ordnungs- und Chaossystemen befasst und diese mittels der Geometrie, der streng kalkulierten Linien und des Seriellen ergründet.
Als der Künstler Ende der 1940er-Jahre nach Dresden zog, lag die Stadt in Trümmern. Unter diesen Eindrücken der Nachkriegszeit wandte er sich von der figurativen, der realistischen Malerei ab. Wie auch Hermann Glöckner arbeitete Adler mit seiner konkreten Kunst während der Zeit der DDR und des Kalten Krieges unter dem Radar der sozialistischen Funktionäre weiter, die gegenstandslose Kunst nicht duldeten. Erst im Alter von 65 Jahren hat Adler mit einer ersten Museumsausstellung in Brandenburg die ihm gebührende Aufmerksamkeit als Künstler erhalten. 2017, zu seinem 90. Geburtstag, sind seinem Œuvre mehrere Ausstellungen gewidmet, so auch im Albertinum unter dem Titel „Karl-Heinz Adler. Ganz konkret“.