Mailand: Wo sich die Gegensätze treffen

Das „Opposites United“-Festival schafft während der Mailänder Design Woche einen Ort, an dem Kunstformen zusammentreffen und das Publikum in einen Raum entführen, in dem Gegensätze sich nicht nur anziehen, sondern harmonisch ausgleichen.
In Mailand findet in diesen Tagen der Salone del Mobile statt, die größte und wichtigste Möbelmesse weltweit. Das ist nicht nur ein Highlight für Mobiliar-Begeisterte und Interieur-Designer:innen, denn zeitgleich startet in der Stadt die „Milan Design Week“. Sie verwandelt die Straßen in ein Wimmelbild von schön gekleideten, Design interessierten Menschen, die zu den „fuori salone“ (außerhalb des Salone) Veranstaltungen strömen. Alle großen Marken – von Möbel über Mode bis Technik – laden die internationalen Gäste und Mailänder:innen dazu ein, ihre neuen Kreationen zu betrachten. Inmitten des Treibens steht das Museo della Permanente, ein eigener Kosmos, in dem Kunst, Musik und Theorie durch Design zusammenfließen.

A.A.Murakami, Beyond the Horizon, © A.A.Murakami. Commissioned by M+, 2024, Film and photography by Adam Kovář and PETR&Co., Courtesy of the artist
„Opposites United“ heißt das Festival, dass die Räume des Museums in dieser Woche bespielt. Zum dritten Mal in Folge hat Kia Global Design ein interdisziplinäres Programm zusammengestellt, in dem Beiträge von Kunst- und Kulturschaffenden aufeinander und auf ein involviertes Publikum – von Denker:innen bis Künstler:innen – treffen. So entsteht eine Plattform, auf der ein kultureller Austausch Zugehörigkeit spürbar macht und kreative Ansätze Zusammenarbeiten fördern.
Wir beschäftigten uns mit der Frage: Was ist die Form von Gedanken?
„Opposites United“ beschreibt auch die Designphilosophie der Marke, die sie bei der Gestaltung der Beiträge anwandte. Spannungen sollen nicht aufgelöst, sondern in Produktives transformiert werden. In einen Ort, in dem Gegensätze koexistieren und dadurch das, was uns bewegt, noch ausführlicher beleuchtet werden kann. Innerhalb der Mailänder Design Woche werden hier Kunstinstallationen ausgestellt, Konversationen über Ästhetik und Ethik oder Klang und Stille geführt und Musik gespielt, die von französischem Ambient bis zu italienischem Synth-Pop variiert.

Opposites United, 2025, Courtesy of Opposites United, © Agnese Bedini / DSL Studio
Andrea Lissoni, Kunst-Kurator des Festivals und Künstlerischer Geschäftsführer am Haus der Kunst München, erklärt das Konzept. Laut ihm sind alle Formate mit der Hauptausstellung verknüpft, die im Erdgeschoss zu sehen ist. Betritt man das „Museo della Permanente“, wird man gleich von dem Kunstwerk „Marquee“ von Philippe Parreno begrüßt. Die fast fünf Meter breite Markise aus Neonleuchten und Glühbirnen reagiert auf die im Gebäudeinneren stattfindenden Performances, durch eine speziell für den Ort entwickelte Lichtprogrammierung des Künstlers.
Ich wusste, dass tagsüber eine intime Sphäre geschaffen werden sollte. Etwas, das nahbar ist, und gleichzeitig ein Raum für tiefes Zuhören, an dem Menschen wirklich das Gefühl haben, gemeinsam etwas zu erleben.
So dunkel, dass man die Hand vor den Augen kaum sehen kann, sind im Gegensatz dazu die mit schwarzem Samt verkleideten Flure, die die Besuchenden zu den Installationen des Künstlerduos A.A.Murakami führen. Wie auch die Lichter am Eingang, beschäftigen sich die Arbeiten mit dem Konzept der Zeit. Beyond The Horizon versteht sich als meditative Auseinandersetzung mit der Vergänglichkeit. Automaten kreieren enorme, mit Dampf gefüllte Seifenblasen, die nach kurzem Schweben in der Luft zerplatzen. The Cave hingegen kombiniert archaische und futuristische Elemente, um den schöpferischen Antrieb der Menschheit zu erkunden. „Die Technik hat sich weiterentwickelt. Kunst bleibt immer das gleiche Konzept“, kommentiert es Alexander Murakami.

Opposites United, 2025, Courtesy of Opposites United, © Cratere
Die musikalischen Performances locken wohl die meisten Zuschauer:innen an. „Ich wusste, dass tagsüber eine intime Sphäre geschaffen werden sollte. Etwas, das nahbar ist, und gleichzeitig ein Raum für tiefes Zuhören, an dem Menschen wirklich das Gefühl haben, gemeinsam etwas zu erleben, ohne eine starke Trennung zwischen Künstler:in und Publikum,“ so die Musik-Kuratorin des Festivals, Sarah Miles. Der Konzertsaal ist bis zum letzten Platz besetzt, als die mailändische Musiklegende Venerus die Bühne betritt. Normalerweise füllt er riesige Hallen. Alle singen mit, er ist zum Greifen nah – die gewünschte einende und vertraute Atmosphäre entsteht.
Der Musiker Dawuna hingegen singt feinfühlig, sanft, man spürt jeden Ton. Eine gewisse Melancholie schwingt mit. „Ein Hauch von Traurigkeit, die vielleicht mit dem Vergehen der Zeit zusammenhängt. Ich würde sagen, das ist vielleicht ein Thema, das sich durch das ganze Programm zieht“, erklärt es Miles. Eine künstlerische Klammer, die zeitgemäß wirkt und die Stimmung über den Design-Trubel hinaus einfängt.

Live-Performance Dawuna, 2025, Courtesy of Opposites United
Nicht nur während der Konzerte und Gespräche werden unterschiedliche Sinne angesprochen. Bei einem Rundgang durch das museale Festivalgelände greifen sie ineinander, wie die verschiedenen Disziplinen. Wie in einer Zeitkapsel taucht man ein in Klang, Wahrnehmung, riecht die Seife der Luftblasen, wird absorbiert von der Dunkelheit, die so viel Platz für eigene Interpretationen und Gedankengänge lässt.

Opposites United, 2025, Courtesy of Opposites United, © Agnese Bedini / DSL Studio