Fabian Knecht: Gerahmte Natur im Neonlicht

Kunst im ehemaligen Bauernhof

Fabian Knecht, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria, © I-am-Escape

Kärnten, ein umgebauter Bauernhof in Reisenberg. An einer Felswand steht eine Treppe. Sie führt in einen neu geschaffenen Raum vor einer Felswand, vor einem Stück Natur. Der Felsen wird nicht verändert, doch er verändert sich, denn er ist nun Teil eines Kunstwerks, Teil von „Isolation“ (Felswand) des in Berlin lebenden Künstlers Fabian Knecht.


Knecht ist der erste Künstler des neuen „Artist Residency Reisenberg“-Programms von Kathrin und Bernhard Schluga. Die beiden sind Unternehmer und leben in Berlin. Doch Bernhard Schluga wuchs in Kärnten auf und hat den Hof in Reisenberg samt 70 Hektar Wald und Wiesen zu einem „Ort der Naturerfahrung, Erholung und Konzentration“ umgestaltet. Besucher können sich dort einmieten. Zukünftig wird jedes Jahr auch ein Künstler oder eine Künstlerin auf den Hof und in die Natur der Kärntener Berge eingeladen.

Zukünftig wird jedes Jahr auch ein Künstler oder eine Künstlerin auf den Hof und in die Natur der Kärntener Berge eingeladen.

Bernhard Schluga

Mit Fabian Knecht haben sich Kathrin und Bernhard Schluga für einen Künstler entschieden, der schon seit langem mit der Natur und mit dem, was er in der Natur vorfindet, arbeitet. „Isolation“ heißen Fabian Knechts Arbeiten, bei denen der Rahmen die entscheidende Zutat zur Natur ist. Dieser Rahmen besteht aus vier Wänden, Decke und Boden samt White Cube-typischer kalter, weißer Beleuchtung. Wände und Decken isolierten in früheren Werken Wald und Moor, See und Brachen von der Umgebung. Nun isolieren sie eine ganze Felswand in luftiger Höhe. Fabian Knecht sagt über seine Isolationen: „Es gibt beim Betreten der Isolationsarbeit eine Verschiebung der Wahrnehmung. Einen Konflikt beim Betrachter. So wirkt die aus sich selbst heraus gewachsene Natur durch die künstliche Beleuchtung und die weißen Wände künstlich und inszeniert. Gleichzeitig ist die gerahmte Natur so komplex, dass es unmöglich ist, diese zu inszenieren beziehungsweise sie in den Museumsraum zu übertragen.“

Artist Residency Reisenberg, Kathrin & Bernhard Schluga, Foto: Tomo Yarmush

Artist Residency Reisenberg, Kathrin & Bernhard Schluga, Foto: Tomo Yarmush

Fabian Knecht nutzt für seine Arbeiten oft das, was existiert, verändert es manchmal temporär und sorgt für nachhaltige Wahrnehmungsverschiebungen. Für die Arbeit „Konituitätsunterbrechung“ nahm er eine Diele aus dem Fußboden eines Ausstellungsraums, in Berlin „befreite“ er eine Straße von allen parkenden Autos („Befreiung“). Immer gibt es einen unerwarteten Moment, immer eine Irritation.

Ich war im April 2022 auf einem Schlachtfeld nördlich von Kiew. Das sind existentielle Erlebnisse, die auch auf meine Kunst wirken

Fabian Knecht
Ausstellungsraum, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria, © I-am-Escape

Ausstellungsraum, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria,  © I-am-Escape


Fabian Knecht, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria, © I-am-Escape

Fabian Knecht, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria,  © I-am-Escape


Fabian Knecht, 1980 in Magdeburg geboren, studierte an der Universität der Künste bei Olafur Eliasson und am California Institute of the Arts in den USA und arbeitet in Berlin – wenn er nicht in der Welt unterwegs ist. Das ist er häufig und hat auf diesen Reisen die Liebe zur Ukraine entdeckt – lange vor dem Krieg. Doch der beeinflusst und prägt nun auch sein Leben und seine Kunst. „Ich war im April 2022 auf einem Schlachtfeld nördlich von Kiew. Es war Frühling, alles fing an zu blühen, überall Vogelgezwitscher und dazwischen das Schlachtfeld, mit ausgebrannten Panzern, Schützengräben, Raketen und einer gesprengten Brücke. Das sind existentielle Erlebnisse, die auch auf meine Kunst wirken“, sagt Knecht. Gleich nach Beginn des Krieges sammelte er Geld und kaufte davon kugelsichere Westen, Verbandsmaterial, Pick-ups, die er selbst zu Freunden in die Ukraine brachte. Auf den Reisen entlang der Kriegsgebiete fotografierte er viel und sah überall die von Frauen und Kindern geknüpften Tarnnetze über Brücken, Autos, Checkpoints hängen. Er hat sie gegen Bundeswehr-Tarnnetze, die er in Deutschland kaufte – drei Bundeswehr-Netze gegen ein handgeknüpftes – eingetauscht und in Ausstellungen gezeigt und verkauft.

Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361, Foto: Bernhard Schluga

Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361, Foto: Bernhard Schluga

„Ich verstehe die Werke als ‚soziale Plastiken‘, also als Werke, die dabei helfen, humanitäre Projekte zu finanzieren und die somit direkten Einfluss auf die Entwicklungen vor Ort haben.“ Andere Arbeiten bestehen aus Leinenstoffen, die Knecht durch Panzerskelette gezogen hat. Dafür kippt er Leinöl in ausgebrannte russische Panzer am Rand der ukrainischen Schlachtfelder. Das Öl nimmt den Schmutz des Krieges auf und tränkt die Leinwände. Nachdem er den Stoff durch das Panzerskelett gezogen hat, trocknet er ihn auf dem verlassenen ukrainischen Schlachtfeld und zieht die Leinwände später auf Rahmen.

Die aktuelle Arbeit in Kärnten führt die längst nicht beendete Serie der „Isolation“ fort. Fabian Knecht gefällt, dass diese Arbeiten so vielschichtig sind. „Sie faszinieren ohne kunsthistorische Bildung und reflektieren gleichzeitig Kunst- und Museumstheorien.“

Artist Residency Reisenberg, 30. August bis 3. November 2024

Mehr Infos

Fabian Knecht, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria, © I-am-Escape

Fabian Knecht, Artist Residency Reisenberg, Am Reisenberg 2, St. Salvator, 9361 Austria,  © I-am-Escape

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