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Jürgen Messensee: Sehen ist nicht reden

Ein ehemaliges Jagdhaus am Waldrand etwas außerhalb von St. Margarethen fungiert vor allem in den wärmeren Jahreszeiten als Wohnsitz und Arbeitsort von Jürgen Messensee. Hier hat er Ruhe, mittels seiner Malerei nach Erkenntnis zu suchen.


Das Jagdhaus war Anfang der 1970er-Jahre eine Ruine, Jürgen Messensee hat es renoviert. Die hohen Räume haben etwas Schlossähnliches. Das Atelier hat Jürgen Messensee selbst geplant und gebaut, es ist über sechs Meter hoch. Eine parkähnliche Anlage umgibt das nach außen mit seinen hohen Mauern und dem Eingangstor hermetisch abgeschlossene Haus.

Das weiträumige Atelier ermöglicht das Malen großer Formate. Jürgen Messensee hat im Laufe der Jahre zunehmend seine Verfahrensweisen und Arbeitstechniken erweitert. Mittels des reproduktiven Verfahrens des Jetprints vergrößert er Zeichnungen oder vorgefundene Drucksorten und bearbeitet sie. Manche Bilder erhalten auch einen dreidimensionalen Aspekt durch Einschneiden und Aufklappen von Partien. Dieses Aufklappen ist für ihn ein Durchbrechen einer Wirklichkeitsebene, die er „Ebene 1“nennt. Sie sei die scheinbare Wirklichkeit, die wir glauben zu erfahren. Es gebe aber auch die „Ebene 2“, die weiter in die Tiefe gehe, das Wesentliche erfasse. So sei auch die Kunst ein Teil dieser „Ebene 2“. „Sehen ist mehr als reden. Sehen ist komplex“, setzt er hinzu.

Atelierhaus Jürgen Messensee, Fasangarten, Foto: Christian Guyonnet

Sehen ist mehr als reden. Sehen ist komplex.

Jürgen Messensee

Jürgen Messensees Mutter war eine sehr gescheite, aber auch schwierige Frau, erzählt er, die ihn früh geprägt habe. Sie habe Philosophie studiert, sich mit Mathematik beschäftigt, war sehr musikalisch. Auch Messensee ist beseelt von philosophischen Gedanken.

Er setzt sich mit der theoretischen Physik von Albert Einstein, Max Planck und Werner Heisenberg auseinander. Die Relativitätstheorie und die Quantenphysik haben das traditionelle Weltbild aufgebrochen. Kunst ist für Messensee „Metaphilosophie“, es gehe um Erkenntnis. Das Wissen ist immer gegenwärtig, aber es gibt nur wenige, denen dieses Wissen geschenkt wird. Es bedürfe einer unendlichen Anstrengung, um die Information, die man geschenkt bekommt, zu verstehen. Es gehe auch um eine gewaltige Neugier. „Was ist an großen Malern gewaltig? – Die Information, die durch sie kanalisiert wird.“ Messensee versteht sich als „Kreator“, wobei Kreation nicht lehrbar sei.

Eines seiner Bilder mit dem Titel „Yoyo“ besteht aus Malerei auf einem überdimensional gedruckten Kalenderblatt, für ihn ein Code für Zeit. Auf einem anderen sind als Bild im Bild teilweise gefaltete Papierbögen per Jetprint aufgebracht, die wiederum malerisch bearbeitet werden. Die Papierbögen werfen die Illusion eines Schattens auf den Untergrund und thematisieren die verschiedenen Wirklichkeitsebenen

Jürgen Messensee, Foto: Hans Wetzelsdorfer

Als „Chiffren“ werden in der Lyrik verdichtete sprachliche Bilder bezeichnet, wobei ein individueller Code gefunden wird, der die Rezipienten fordert, aber auch anregt. Der Code birgt Mehrdeutigkeit, Offenheit und Rätselhaftigkeit in sich, er kann und muss nicht vollends entschlüsselt werden. Auch in Zusammenhang mit Jürgen Messensees Malerei und Zeichnung kann man von „Chiffren“ sprechen. Andeutungen des weiblichen Körpers oder auch Teile von ihm werden in raschen, expressiven Gesten auf den Bildgrund geworfen. Dem geht ein längerer Denkprozess voraus. „Ich sitze und warte auf mich selbst, die Dinge finden im Geist statt. Durchführung ist oft sehr schnell, es kommt, wenn es vollständig präsent ist. Es muss die richtige Zeit sein.“ So beschreibt der Künstler seinen Arbeitsprozess, in dem es ihm um Erkenntnis über das Menschsein, die menschliche Befindlichkeit geht, um Wirklichkeit, ja ästhetische Kategorien wie Schönheit und Wahrheit. Dabei geht er von ganz konkreten Personen aus, doch sein Ziel ist ein überzeitliches Ergebnis. Für ihn ist im Prozess des Arbeitens Präsenz, ein Im-Hier-und-Jetzt-Sein notwendig. Diese Unmittelbarkeit spürt man auch beim Betrachten.

Atelierhaus Jürgen Messensee, Fasangarten, Foto: Christian Guyonnet

Atelier Jürgen Messensee, Foto: Christian Guyonnet

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