In Kärnten wird Landschaft umgewidmet
Die Rede ist von verlorener Natur, akutem Klimawandel und radikaler Bodenversieglung. Wo bleibt hier eigentlich noch Raum für den Begriff „Landschaft“, fragt die Sommerausstellung des Museum Moderner Kunst Kärnten. Und wie kann man mit diesem Wort umgehen? Wie muss man den Begriff Landschaft re-artikulieren, umdenken und umwidmen, um ihm Raum und Relevanz einzuräumen? Zwei Kuratoren und über zwanzig Künstler:innen wagen den Versuch.
Wenn Landschaft politisch wird
Auch „Landschaft“ muss als Begriff und Idee eine politische Ebene bekommen argumentiert die aktuellen Hauptausstellung des Museum Moderner Kunst Kärnten. Das will der Schau gelingen indem sich zahlreiche und höchst unterschiedliche Stimmen zur Landschaft äußern. Im Zentrum der komplexen Ausstellung steht ein umfassendes künstlerisches Forschungsprojekt. Rund um die Pečnik-Wiese, einem landwirtschaftlich genutzten Landstrich in Süd-Ost Kärnten initiierten Zdravko Hderlap und Herwig Turk eine mehrjährige Auseinandersetzung mit Grund und Boden. Die globale Sitaution der sich ewig verändernden Landschaft sollte hier an einem bestimmten lokalen Punkt festgemacht und in die Tiefe analysiert werden. Hier ist Umweltverschmutzung ebenso ein Thema wie historische Funde der Kriegsgeschehnisse an diesem Fleck Land. Auch nicht menschliche Akteure werden als Autoren dieser Landschaft thematisiert.
In Schulprojekten wurden außerdem die heimischen Kräuter lesen gelernt und das Gebiet vielfältig erkundet. Mehrere Objekte, Videos und Dokumente verweisen in der Ausstellung „Landschaft re-artikulieren“ auf die umfassende Beschäftigung. Dazu kuratierte Reinhard Braun zwölf internationale künstlerische Positionen. Hier ist die Installation „Perpetual Harvest“ von Anca Benera und Arnold Estefán ein Höhepunkt der Schau. Die Arbeit besteht aus neun Objekten – geflochten aus Weizenstroh ragen symbolische Waffen in die Ausstellungshalle. Sie sind Verweis auf die tragische Rolle von Nahrungsmitteln in kriegerischen Auseinandersetzungen. Auch im aktuellen ukrainischen Kriegsgebiet musste ehemals fruchtbarer Ackerboden einem Nato-Stützpunkt weichen und die Bauern sind verschwunden.
Wesentliche Symbole der Umweltkatastrophen finden im Ausstellungsraum Relevanz. So beeindrucken etwa große Ölkanister inszeniert von Lucie Stahl. Zu ihnen gesellt sich humorvolles – groteske und doch reale Bushaltestellen fotografiert von Hans Schabus etwa. Die Schau ist gleichsam ernst und intelligent wie melodisch und stimmungsvoll – auch eine Kraft des klassischen Landschaftsbildes, das hier allerdings anspruchsvoll aufgebrochen wird. Im zur Ausstellung erschienenen Katalog schreibt Christine Wetzlinger-Grundnig, Direktorin des MMKK:
Künstler:innen der Ausstellung
Klaus Amann (AT) | Iris Andraschek (AT) | Manuel Cyrill Bachinger (AT) | Marika Balode-Haderlap (LV) | Anca Benera & Arnold Estefán (RO) Ferdinand Bevc (AT) | Lisa D. (AT) | Josef Dabernig (AT) | Anastasia Eggers (NL) | Karolina Haderlap (AT) | Maja Haderlap (AT) | Zdravko Haderlap (AT) | Erika Inger (IT) & Wolfgang Wohlfahrt (AT) | Elisabeth Johann (AT) | Karrabing Film Collective (AU) | Stephanie Kiwitt (DE) | Markus Krottendorfer (AT) | Jochen Lempert (DE) | Elsa Logar (AT) | Markus Orsini-Rosenberg (AT) | Walter Poltnig (AT) | Oliver Ressler (AT) | Hans Schabus (AT) | Gebhard Sengmüller (AT) | Nicole Six & Paul Petritsch (AT) | Lucie Stahl (DE) | Superflux (GB) | Herwig Turk (AT) | Sandra Vitaljić (HR)
Museum moderner Kunst Kärnten
Burggasse 8, 9021 Klagenfurt
Österreich
Landschaft re-artikulieren
bis 01.09.2024