Imagine Climate Dignity – Mensch, Natur, Zukunft

 Kinga Kiełczyńska, Polarpunk, 2025, Videostill, © by the artist, Courtesy of Exile Gallery

Die Ausstellung im Wiener Künstlerhaus verbindet Mensch und Natur in der globalen Klimadebatte anhand von sehenswerten Projekten.


„Der Titel der Schau fungiert als inhaltliche Klammer“, erklärt der Kunsthistoriker Simon Mraz den vielschichtigen Diskurs des Projekts – eine Zusammenarbeit der Sektion für Internationale Kulturangelegenheiten im Außenministerium, der Österreichischen Kulturforen und der Künstlerhaus Vereinigung. Unter seiner Mitwirkung und in enger kuratorischer Zusammenarbeit mit der Künstlerin Barbara Höller präsentiert die zweite Ausgabe des internationalen „ON THE ROAD AGAIN“-Calls (2021) des Außenministeriums unter dem Titel „IMAGINE CLIMATE DIGNITY“ einen interdisziplinären künstlerischen Appell, der weit über herkömmliche Vorstellungen von Menschenwürde hinausgeht. 

„Bei Climate Dignity geht es nicht allein darum, dass jeder Mensch das Recht hat, in einer Welt voller Gesundheit, Freiheit und stabiler Lebensgrundlagen zu leben – der rote Faden schließt auch die Würde der Natur, aller Lebewesen und Ressourcen mit ein. Wichtig ist mir festzuhalten, dass das IMAGINE-CLIMATE-DIGNITY-Projekt von Christoph Thun-Hohenstein stammt. Es gibt wenige Menschen, die so beschlagen sind in dem Gebiet wie er und das Projekt fände ohne ihn ganz bestimmt nicht statt“, so der Kunsthistoriker.

Imagine Climate Dignity, Ausstellungsansicht, Künstlerhaus Wien, 2025, Foto: Michael Nagl

Imagine Climate Dignity, Ausstellungsansicht, Künstlerhaus Wien, 2025, Foto: Michael Nagl

In Zeiten, in denen die menschengemachten Folgen des Klimawandels und der Verlust der Biodiversität immer deutlicher werden, wird klar: Wer die Würde der Natur verletzt, untergräbt zugleich die Grundlagen menschlicher Existenz. Die thematische Offenheit des Projekts ermöglichte es österreichischen Künstler:innen, individuelle Perspektiven auf diese brennenden Fragen zu entwickeln. „So ein Thema muss breit gestaltet sein, damit die Kunstschaffenden genug Spielraum zur Interpretation haben“, betont Mraz und unterstreicht damit die kreative Freiheit, die die Ausschreibung kennzeichnete. 

Die Aufgabe der Kunst ist es nicht, die Welt direkt zu ändern, aber sie kann bewegen und zum Nachdenken anregen.

Simon Mraz

2023 wurden Künstler:innen dazu augerufen, zum Themenkomplex „Imagine Climate Diginity“ ihre Konzepte für 14 Destinationen einzureichen, gemäß dem Netzwerk der österreichischen Auslandskultur. Diesmal mit dabei: die Kulturforen in Belgrad, Brüssel, Istanbul, Kairo, London, Madrid, New Delhi, New York, Peking, Prag, Rom, Sarajewo, Tokio und Warschau. Neu gegenüber der ersten Ausgabe war die Vorgabe, ein Projekt in Kooperation mit selbstgewählten internationalen Kolleg:innen zu entwickeln. Aus 200 eingereichten Projekten wurden 15 von einer Fachjury ausgewählt und zunächst in den jeweiligen Kulturforen gezeigt.

Wolfgang Lehrner und Mladen Miljanović, Stone Whispers Smoke Signals, 2023/2024, Imagine Climate Dignity, Künstlerhaus Wien, 2025, Foto: Michael Nagl

Wolfgang Lehrner und Mladen Miljanović, Stone Whispers Smoke Signals, 2023/2024, Imagine Climate Dignity, Künstlerhaus Wien, 2025, Foto: Michael Nagl

 

Die Vielfalt der Arbeiten entpuppte sich als Spiegel aktueller Krisen: „Für den ukrainischen Künstler Leo Trotsenko stehen existenzielle Erfahrungen des russischen Angriffskrieges im Mittelpunkt, während Sabine Bitter und Helmut Weber die architektonischen Veränderungen in der Innenstadt Kairos und deren gesellschaftliche Auswirkungen untersuchen. 

Ada Kobusiewicz’, Javier Vianas und Alberto Lomas Arbeit für Madrid ‚Atacama Fashion‘ macht eindringlich auf die rücksichtslose Ausbeutung der Wasserressourcen durch die Fast-Fashion-Industrie aufmerksam.“

Ada Kobusiewicz, Javier Viana, Alberto Lomas, Atacama Fashion, 2024, Lackierte Wassertanks, LED-Lichter, Installation im öffentlichen Raum, Paseo Marítimo, Algeciras, Spanien, 2024-2025, © by the artists, Foto: Javier Viana

Ada Kobusiewicz, Javier Viana, Alberto Lomas, Atacama Fashion, 2024, Paseo Marítimo, Algeciras, Spanien, 2024-2025, © by the artists, Foto: Javier Viana


Das Gemeinschaftsprojekt von Selbi Jumayeva, Alisa Verbina, Olha Vinichenko für London „Steppe Synanthropies: Extant Across Continents“ interpretiert das Phänomen der Migration anhand der Symbolik von Zugvögeln. 

Gleich zu Beginn der Ausstellung beeindruckt eine intermediale Installation, in der sich eine Vielzahl an Künstler:innen zum Kollektiv „Shaken Grounds“ zusammengeschlossen haben und sich mit den seismisch aktiven Zonen der Erde beschäftigen, deren Spannungen durch das menschliche Zutun noch verstärkt werden.

Shaken Grounds, Vulcano, 2024, Performance Nikolaus Gansterer, Peter Kozek-Foto Victor Jaschke

Shaken Grounds, Vulcano, 2024, Performance Nikolaus Gansterer, Peter Kozek-Foto Victor Jaschke

 

Die Stadt als „Klimamaschine“ thematisieren Wolfgang Lehrner und Mladen Miljanović für das Kulturforum in Sarajewo.

Mathias Kessler und Ahmet Civelek dokumentieren die illegale Entsorgung europäischen Plastikmülls in Istanbul. In Zusammenarbeit mit dem Kulturforum in Tokio entstand die poetisch-sinnliche Filminstallation „Interbeing“ von Kay Walkowiak, Andreas Wesle und Natalia Domínguez Rangel, gefilmt in der unberührten Natur Yakushimas. Sie zeigt den Menschen im Einklang mit der Natur.

Ernst Logar und Kinga Kiełczyńska beschäftigen sich mit Märchen. Kiełczyńskas Video „Polarpunk“ interpretiert das Märchen „Iona“ als Animation, die mit Hilfe von KI-gesteuerter sowie mit Prompts generierter Bildsynthese erzeugt wird.

Kay Walkowiak, Andreas Wesle, Natalia Domínguez Rangel, Interbeing, 2025, Imagine Climate Dignity, Künstlerhaus Wien, 2025, Foto: Michael Nagl

Kay Walkowiak, Andreas Wesle, Natalia Domínguez Rangel, Interbeing, 2025, Imagine Climate Dignity, Künstlerhaus Wien, 2025, Foto: Michael Nagl

Die Zusammenarbeit der österreichischen Künstler:innen mit ihren Projektpartner:innen aus aller Welt zeigt, wie global vernetzt die künstlerische Auseinandersetzung mit Klimafragen geworden ist.

ist Simon Mraz überzeugt.

Im Wiener Künstlerhaus verschmilzt diese Vielfalt der internationalen Ansätze nun zu einer gemeinsamen Schau. Diese versteht sich aber nicht nur als Präsentation ästhetischer Werke, sondern als eindringlicher Appell, der zum Nachdenken und Handeln aufruft. „Ich würde mir wünschen, dass die Ausstellung Bewusstsein schafft. Die Aufgabe der Kunst ist es nicht, die Welt direkt zu ändern, aber sie kann bewegen und zum Nachdenken anregen“, so Mraz. Diese Aussage betont die politische Dimension des Projekts und zeigt, wie Kunst als Katalysator für gesellschaftliche Debatten und Veränderungen dienen und als Medium über nationale und disziplinäre Grenzen hinweg verbindende Impulse setzen kann. „Die Ausstellung lädt dazu ein, das komplexe Verhältnis zwischen Mensch und Natur neu zu überdenken und dabei die wechselseitige Abhängigkeit beider Seiten in den Blick zu nehmen.“ 

Mit einem erweiterten Würdeverständnis, das sowohl den Menschen als auch die Natur umfasst, leistet das Projekt einen wertvollen Beitrag zur aktuellen Debatte über Klimagerechtigkeit und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen – und fordert uns alle auf, aktiv an der Gestaltung einer würdevollen Zukunft mitzuwirken.

Smelting Friendship (in Smederevo), Radinac, 30.10.2018 13:00, © Jelena Micic

Smelting Friendship (in Smederevo), Radinac, 30.10.2018 13:00, © Jelena Micic

Künstlerhaus

Karlsplatz 5, 1010 Wien
Österreich

IMAGINE CLIMATE DIGNITY

bis 09.06.2025

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