Kunstmuseum Wolfsburg

Hoffnungslos und erklärungsbedürftig in der „Polykrise“

Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová, Try Again. Fail Again. Fail Better., 2011, Video, Farbe, Ton, 7:57 min, © Anetta Mona Chişa & Lucia Tkáčová

Das Kunstmuseum Wolfsburg widmet sich aktuellen künstlerischen Utopien unter dem Titel „Utopia. Recht auf Hoffnung“ und kommt dabei – zwischen einigen vielversprechenden Arbeiten – in Erklärungsnot.


 

Diese Ausstellung beginnt überraschend, denn sie warnt vor ihrem eigenen Thema: Auf einem langen Podest liegen zerbrochene Sterne, wie sie einst rot leuchtend kommunistische Staaten und ihre Gebäude schmückten. „Firmament“ von Raimund Kummer und Stephan Huber ist ein Abgesang auf diese Utopie, auf Utopien an sich. Und auch die Fotoarbeit von Sven Johne, der entlang des ehemaligen deutsch-deutschen Grenzstreifens Heilpflanzen fotografierte, spielt lustvoll mit dem Ende einer Utopie.

Trotz dieser sehr klaren Statements, vertrauen die Wolfsburger Ausstellungsmacher, Museumsdirektor Andreas Beitin und seine Mit-Kuratoren Sebastian Mühl und Dino Steinhof, auf die Kraft utopischer Ideen. Denn: „Auch aktuell wird die Gegenwart von vielen Menschen als negativ, ja als bedrohlich wahrgenommen, denn wir erleben eine bisher so nicht gekannte Phase der Polykrise: Neben Kriegen, Genoziden, weltweiten Fluchtbewegungen, dem in vielen Ländern erstarkendem demokratiezersetzenden Populismus und Rechtsradikalismus sowie einem sich ausdehnenden Vertrauensverlust in Demokratien dominiert vor allem die menschengemachte Klimakatastrophe das Denken und Handeln vieler“, schreiben sie auf der ersten von vielen Erklärtafeln.

Ausstellungsansicht "Utopia. Recht auf Hoffnung", Kunstmuseum Wolfsburg, 27.9.2025–11.1.2026, Foto: Marek Kruszewski

Ausstellungsansicht "Utopia. Recht auf Hoffnung", Kunstmuseum Wolfsburg, 27.9.2025–11.1.2026, Foto: Marek Kruszewski

Es scheint, als vertrauten die Ausstellungsmacher der Kunst und den von ihr geschaffenen Bildern so wenig – und erklärten deshalb so viel.

Uta Baier

Selten wurde am Anfang einer Ausstellung so viel schlechte Laune verbreitet.

Doch die Wolfsburger Kuratoren haben ein Mittel dagegen gefunden: sie nennen ihre Ausstellung „Utopia. Recht auf Hoffnung“, wobei nicht erklärt wird, warum eines der menschlichsten Gefühle, wie es die Hoffnung ist, eines Rechts bedarf. Denn Hoffnung existiert seitdem es Menschen gibt. Ob sie träge macht, oder die Grundlage für Veränderungen ist, wird seit jeher diskutiert. Doch selbst unter schlimmsten, hoffnungslosesten Bedingungen lebte und lebt die Hoffnung.

Das alles ist hier nicht Thema, auch nicht die Stimmen derer, die sagen, die Welt werde besser. Thema ist die Suche nach Antworten auf Fragen wie diese: „Wie können wir das vorhandene Wissen so einsetzen, dass die Welt zu einem solidarischen und ökologisch-verantwortungsvollen Ort wird?“ Warum man sich dabei auf das „vorhandene Wissen“ beschränken sollte, wird leider nicht erklärt.

Ausstellungsansicht "Utopia. Recht auf Hoffnung", Kunstmuseum Wolfsburg, 2025, Chitra Ganesh, A city will share her secrets if you know how to ask, 2020/2025, Ortsspezifische Installation, adaptiert für das Kunstmuseum Wolfsburg, Vinylfolien auf Fensterscheiben, 665,5 x 516 cm, Courtesy die Künstlerin © Chitra Ganesh, Foto: Marek Kruszewski

Ausstellungsansicht "Utopia. Recht auf Hoffnung", Kunstmuseum Wolfsburg, 2025, Chitra Ganesh, A city will share her secrets if you know how to ask, 2020/2025, Ortsspezifische Installation, adaptiert für das Kunstmuseum Wolfsburg, Vinylfolien auf Fensterscheiben, 665,5 x 516 cm, Courtesy die Künstlerin © Chitra Ganesh, Foto: Marek Kruszewski

Dabei ist die Ausstellung voller Erklärschilder.

Es scheint, als vertrauten die Ausstellungsmacher der Kunst und den von ihr geschaffenen Bildern so wenig – und erklärten deshalb so viel. Offenbar spürten sie, dass viele der ausgewählten Werke ästhetisch wenig überzeugen und eher bebilderte Konzepte als eigenständige Kunstwerke sind. Etwa die Arbeit von Maja Smrekar, die ein Foto von sich zeigt, auf dem sie einen Hund säugt. Wir lernen nicht nur, dass es Beziehungen zu Joseph Beuys gibt, sondern auch, dass diese Arbeit an die Forderung der US-amerikanischen Philosophin Donna Haraway erinnern soll, „Solidarität zwischen den Arten“ zu praktizieren. Auch wenn die Philosophin das so gemeint haben sollte, wie Smrekar es verstanden hat – einen Weg in ein „besseres Morgen“ zeigt diese verstörende Arbeit nicht. Ebenso wenig wie das Video von Egle Budvytyte, in dem eine Gruppe junger, schöner Menschen durch die Natur läuft und kriecht und dabei immer schmutziger wird. Doch die Kuratoren sind Optimisten und behaupten, dass das Video „die Utopie eines symbiotischen Zusammenlebens menschlicher und nichtmenschlicher Naturen und Bewusstseinsformen“ visualisiere.

Ausstellungsansicht "Utopia. Recht auf Hoffnung", Kunstmuseum Wolfsburg, 2025, Philipp Fürhofer, Phantominsel, 2025, Acryl auf PVC, Spiegel, Truss-System, Ø 700 cm, Höhe ca. 600 cm, Courtesy der Künstler, © Philipp Fürhofer, Foto: Marek Kruszewski

Ausstellungsansicht "Utopia. Recht auf Hoffnung", Kunstmuseum Wolfsburg, 2025, Philipp Fürhofer, Phantominsel, 2025, Acryl auf PVC, Spiegel, Truss-System, Ø 700 cm, Höhe ca. 600 cm, Courtesy der Künstler, © Philipp Fürhofer, Foto: Marek Kruszewski

Aktuell wird die Gegenwart von vielen Menschen als negativ, ja als bedrohlich wahrgenommen, denn wir erleben eine bisher so nicht gekannte Phase der Polykrise.

die Wolfsburger Ausstellungsmacher

Versteht man die Ausstellung mit ihren insgesamt 60 Positionen als Angebot, utopischem Denken Raum zu geben, dann führt das leider meist nicht weiter als zu Anklagen über Umweltzerstörung und in wenig überraschende digitale Welten. So beklagt Khvay Samnang in einem Video die Zerstörung des Regenwaldes in Kambodscha und Ursula Biemanns Video-Installation „Forest Law“ erzählt vom Gerichtsverfahren, die die Rechte des Waldes in der Amazonasregion verhandelten.

Das Künstler-Kollektiv Keiken versteht Utopie als Eskapismus. In ihrem Videospiel, für das die Besucher:innen in ein kindisches Bällebad steigen müssen, werden „technologische Entwicklungen im Metaverse ebenso wie utopische Hoffnungen, die sich an hybride, nichtbinäre und transhumane Identitäten heften“, erkundet, heißt es dazu. Zu sehen sind computergenerierte Figuren, die an Engel erinnern sollen. Ideen auf der Grundlage neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse werden hingegen nicht vorgestellt.

Keiken, Morphogenic Angels, 2023, HD-PC-Spiel mit Xbox-Controller, Dauer 50-70 min, Installationsansicht, Choose your Player, © Zeppelin Museum Friedrichshafen, Foto: Markus Tretter

Keiken, Morphogenic Angels, 2023, HD-PC-Spiel mit Xbox-Controller, Dauer 50-70 min, Installationsansicht, Choose your Player, © Zeppelin Museum Friedrichshafen, Foto: Markus Tretter

Immerhin gibt es einige Arbeiten mit praktischem Potential.

Etwa die Architekturen von OX2architekten. Sie stellen Ideen vor, mit denen abgebaute Rotorblätter von Windrädern weiterverwendet werden können.
Auch Violeta Burckhardt und Andreas Greiner plädieren für Aktivität – jenseits von Anklage und Schuldzuweisungen. Sie kauften nicht perfekt gewachsene Bäume in Baumschulen auf, die nun von interessierten Wolfsburger Ausstellungsbesucher:innen gepflanzt werden können. Eine Utopie ist das nicht, aber „ökologisch-verantwortungsvoll“, wie von den Kuratoren gefordert.
Ebenso wie die Arbeit von Achim Mohné. Er sammelt Pflanzen, scannt sie und stellt die sehr detaillierten Scans als Fotoarbeiten aus. Die Pflanzen werden von ihm anschließend in einer Performance genannten Aktion gekocht und gegessen.

Uýra Sodoma, Série Elementar – Lama, 2017, Druck auf Aludibond, 80 × 120 cm, Courtesy Uýra Sodoma, Foto: Keila Sankofa, Instagram: @uyrasodoma

Uýra Sodoma, Série Elementar – Lama, 2017, Druck auf Aludibond, 80 × 120 cm, Courtesy Uýra Sodoma, Foto: Keila Sankofa, Instagram: @uyrasodoma

Utopia. Recht auf Hoffnung

Kunstmuseum Wolfsburg

bis 11. Januar 2026

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