Spätes Leuchten

Greta Schödl im Porträt

Greta Schödl, Atelier, 2025, Fotos: Andreas Maurer

Als Greta Schödl (*1929) vergangenes Jahr auf der Teilnehmer:innenliste der Biennale von Venedig stand, kannte sie hierzulande so gut wie niemand. Der Grund: Die in Hollabrunn geborene Künstlerin mit den blitzblauen Augen lebt seit den späten 1950er-Jahren in Bologna und stellte zuletzt 1977 in Wien aus – bis zu diesem Frühling, als Phileas ihr eine Einzelausstellung widmete. Der Stein ist ins Rollen gekommen, die internationale Kunstszene entdeckt das stille Werk der 96-Jährigen neu. PARNASS hat sie in ihrem Atelier in Bologna besucht.


 

PARNASS: In Ihren Arbeiten beschreiben Sie handschriftlich unter anderem Steine und Textilien, ganz im Geiste der visuellen Poesie. Im Zentrum steht dabei stets die Frage: „Was ist Schrift und was Bild?“ Wie begann Ihre Suche?
GRETA SCHÖDL:
Kreativität war mir immer das Wichtigste. Ich wuchs als Einzelkind auf einem Vierkanthof in Niederösterreich auf, mit Obstbäumen und Wiesen. Mein Spielmaterial war die Natur. Schon damals wollte ich mit meiner Umgebung in Verbindung treten. Mein Vater, ein Tierarzt, hat das bestärkt. Zusammen betrachteten wir unter dem Mikroskop die unterschiedlichen Pflanzen und schon als Kind wollte ich immer mehr wissen: Warum? Warum? Dieses Fragen ist bis heute Teil meines Schaffens – eine stetige Annäherung an das, was sich dem bloßen Auge entzieht.

P: In Ihrer Kunst treffen poetische Elemente auf wissenschaftliche Verweise, materialisieren sich unsichtbare Ströme.
GS:
Ich erinnere mich gut: Als Kind sah ich einmal einen Lichtstrahl durch ein Loch im Fensterladen fallen. Er schien stillzustehen und bewegte sich doch. Ich wollte ihn damals mit der Hand berühren, konnte ihn aber nicht fassen. Seitdem suche ich diese feine, ungreifbare Essenz. In jedem Strich, in jeder Handschrift liegt eine Spur davon verborgen.

Greta Schödl, Marmo Rosso 2 (Serie SCRITTURE), 2023, EB-Monogramm in Rot, Tinte und Blattgold auf Trani Marmor, 14.5 x 12 x 9.5 cm, © the artist, Courtesy Richard Saltoun Gallery London, Rome, New York

Greta Schödl, Marmo Rosso 2 (Serie SCRITTURE), 2023, EB-Monogramm in Rot, Tinte und Blattgold auf Trani Marmor, 14.5 x 12 x 9.5 cm, © the artist, Courtesy Richard Saltoun Gallery London, Rome, New York

Wenn ich arbeite, verschmelze ich vollkommen mit dem Material.

Greta Schödl

P: Also ein sichtbares Echo des Inneren?
GS:
Genau! Man sieht nur das, was man bereits in sich trägt. Unser Leben besteht aus aufgenommenen Geschichten. Wir sind ein Gewebe aus Verbindungen.

P: Sie haben aber dann nicht die Arbeit Ihres Vaters fortgesetzt, sondern bewusst einen anderen Weg eingeschlagen.
GS:
Schon als Mädchen wusste ich: Ich würde seine Forschungen nicht fortsetzen und auch keinen seiner hübschen Assistenten heiraten. Ich wollte an die Akademie. Um mich selbst zu erhalten, bemalte ich Schals, fertigte Hüte und stellte Keramik her.

P: Sie haben angewandte Kunst bzw. Textilkunst studiert, 1959 zeigten Sie erste Werke in der Neuen Galerie, danach präsentierten Sie erste Schriftbilder.
GS:
Schrift ist für mich ein Gewebe – ein „tessuto“. Ich webe die Worte buchstäblich in das Material hinein. Jeder Moment, jede Stimmung, die durch mich hindurchfließt, stößt in einer Arbeit einen anderen Ausgang an. Es ist die Schrift des inneren Lebens, die ich in meinen Werken sichtbar mache.

Greta Schödl, Atelier, 2025, Foto: Andreas Maurer

Greta Schödl, Atelier, 2025, Foto: Andreas Maurer

Weiter lesen Sie in der PARNASS Sommerausgabe 02/2025.

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