Gallery Diary - Sophie Tappeiner | Hadi Fallahpisheh & Kyle Thurman

Die Galerie Sophie Tappeiner zeigt die Ausstellung "Catfish" der Künstler Hadi Fallahpisheh und Kyle Thurman bis 6. März 2021.


Hadi Fallahpisheh und Kyle Thurman lebten nach ihrem Studium am Bard College im Norden des Bundesstaates New York zusammen in einem kleinen Ort namens Germantown. Obwohl die meisten diese ländliche Idylle schließlich hinter sich lassen würden, blieben sie. Aus Bekannten wurden Freunde; zwei unterschiedliche künstlerische Praktiken führten zu Kollaborationen. Im Jahr 2017 gab es eine Performance bei Off Vendome in New York, bei der Fallahpisheh sich mit seinem Gürtel am äußeren Geländer eines Balkons befestigte. Thurman saß auf dem Fensterbrett, die Beine in den Raum gestreckt. Beide führten Musik auf. In dem Video Sheeps Meadows (2017) rollen sie ein Rad schlagend über den Bildschirm, während sie sich gegenseitig halten. Im Laufe der Jahre schufen sie immer wieder Werke wie diese, obwohl jeder von ihnen auch unabhängig voneinander seine eigene Praxis entwickelte und etablierte. Damals wie heute informieren sich ihre Arbeitsweisen weiterhin gegenseitig. Umso interessanter ist es natürlich heute, sie gemeinsam in den Räumen der Galerie Sophie Tappeiner in Wien ausstellen zu sehen.

Hadi Fallahpisheh and Kyle Thurman, CATFISH, installation view, Sophie Tappeiner, 2020-2021. Photography: Kunst-Dokumentation.com

Das Werk von Hadi Fallahpisheh ist einerseits von den technischen Aspekten der Fotografie geprägt, andererseits von ihrem theoretischen Anspruch, das scheinbar "Reale" abzubilden. Das Problem der Fotografie ist oft die allzu präzise und klare Darstellung: So ist es und nicht anders. Genau hier greift er ein und beginnt zu abstrahieren. Seine Fotogramme, die er in performativen Akten in der Dunkelkammer entwickelt, sind kritische soziale Diagramme stark vereinfachter öffentlicher Wahrnehmungen. Sie sprechen von ihm, aber auch von der Art und Weise, wie Menschen über andere sprechen, über Einheimische, über Migranten, über Vorurteile - ein gereiztes fremdenfeindliches Klima, sowohl in sozialer als auch in politischer Hinsicht. Dabei zeichnet er mit einer Taschenlampe auf lichtempfindliches Papier. Es sind gestische Zeichnungen, die intuitiv gemacht werden. Die Dunkelheit zwingt ihn dazu. Die Motive sind gleichzeitig einfach und radikal. Fallahpishehs Charakterbesetzung ist auf Mäuse, Katzen, Hunde und Menschen reduziert. Ähnlich wie in alten Fabeln repräsentiert jede Kreatur bestimmte Charakterzüge. Keines von ihnen ist geschlechtsspezifisch. Sie unterscheiden sich nur in ihrem Status: herumstreunend/Einwanderer zu kultiviert/Einheimischen.

Die Werke leuchten in satten Farben. Thief (2020) ist ein solches Fotogramm, das wie ein Gemälde gespannt ist. Es zeigt eine schwarze Zeichnung auf einem leuchtend orangefarbenen Grund. Wir sehen eine Katze, die eine Maus auf den Boden drückt. In der rechten Hälfte des Bildes schaut ein Hund aus dem Fenster eines Hauses. In der Mitte des Bildes schaut ein Mann hinter dem Haus um die Ecke. Hier und da stellt Fallahpisheh mit einer Axt zerschlagene Gitterstäbe aus Holz vor die Werke; er rahmt sie ein. Es scheint, als würden die Figuren aus ihrer Funktion ausbrechen, aus ihrem gesellschaftlich diktierten Schicksal. Es hat etwas Slapstickartiges an sich, die Reduktion, die "Anarchie". Zugleich bricht Fallahpisheh aus dem Medium aus: Er dekonstruiert zuerst das Medium selbst, dann seine eigene Rolle als Künstler und Migrant, mit all den damit verbundenen gesellschaftlichen Vorurteilen. Die Motive, die sozialen Darstellungen (wir wissen, wer hier wer ist!) und die überzeugend poppigen, "beschwingten" Farben in seinem Werk haben etwas Amüsantes. Erwischt!

Hadi Fallahpisheh, Thief, 2020, unique light drawing on photosensitive paper, 183 x 107 x 4,5 cm. Photography: Kunst-Dokumentation.com

Die Körper in Kyle Thurmans Werken sind ruhelos und verletzlich; ihr Ausdruck ist leer. Wir sehen junge männliche Körper, allein oder in Gruppen. Sie sind unter anderem mit Kohle, Farbstift, Filzstift und Pastell auf Papier gearbeitet. Die Werke sind weder Zeichnungen noch Gemälde. Thurman greift auf die Techniken beider Verfahren zurück, um seine Werke auf Papier zu konstruieren. Es ist ein Hin und Her zwischen dem Auftragen von Farbe, dem Konstruieren, Übereinanderlegen, Kratzen, Verwischen und erneuten Dekonstruieren. Einige der Werke sind expressiver, andere entwickeln sich zu nahezu fotorealistischen Darstellungen. Die Kombinationen und Kontraste zwischen diesen Werken stechen hervor und verlagern sich auf die Bildinhalte. Die dargestellten Körper - einige ihrer Haarschnitte erinnern an junge amerikanische GIs, andere evozieren unschuldige Jungen - sind steif und bewegungslos. Sie alle teilen ein Gefühl der Unterdrückung. Sie scheinen nicht zu wissen, wohin sie gehören oder wer sie sind. Ihre Körper "schweben" ohne jegliche Unterstützung auf farbigen Hintergründen, oder sie liegen auf dem Boden. Wie der Titan Atlas scheint das Gewicht der Welt auf ihren Schultern zu ruhen. Diese Welt sagt ihnen genau, wer sie sein sollen.

Ihr individuelles Selbst, wie immer es sich auch ausdrücken mag, steht im Konflikt mit der Definition von Männlichkeit in unserer westlichen Kultur. Die Werke sind in einer Weise sozialkritisch, die weit über die Darstellung von Männlichkeit hinausgeht. Vielmehr weisen sie auf den Kampf vieler Menschen zwischen der Entwicklung ihrer eigenen Persönlichkeit und der gleichzeitigen Erfüllung ihrer "Rolle" in einer Welt hin, die rund um die Uhr vernetzt und sozial gefiltert ist. Hier muss ich an den deutschamerikanischen Maler George Grosz (1893-1959), die Neue Sachlichkeit und die Zeit denken, in der er arbeitete. Als Künstler nahm er eine politische Position ein; seine Werke waren provokativ. Sie verhandelten die Klassengegensätze der Großstadt, aber auch die verkrüppelte Vorstellung von Männlichkeit nach dem Ersten Weltkrieg. Thurmans Werke bieten ein Gegenbild, das eine ganz andere Art von Verletzlichkeit visualisiert. Sie zeigen die inneren Konflikte des Lebens in der global vernetzten Welt des 21. Jahrhunderts, einer Welt, in der Rückzug und Offensive aufeinanderprallen. Dazwischen? Der einzelne Mensch.

Kyle Thurman, Suggested Occupation 63 (man with child, Inherited Shadow), 2020 (detail)

Denken wir über Fallahpisheh und Thurmans gemeinsame Werke nach, so stoßen wir auf die Idee des Helden. Es mag absurd klingen, aber hier begegnen sich die Werke. Während Fallahpisheh auf Fabeln zurückgreift und seine Schauspieler auf eine Besetzung mit Mäusen, Katzen, Hunden und Menschen reduziert, setzt Thurman seinen Figuren eine Maske auf. Oder nimmt er sie ab? Ihre Macht kommt von gesellschaftlich konstruierten Vorstellungen von Männlichkeit. Ihre Schwäche besteht darin, dass sie nicht darüber sprechen dürfen, dass es ihnen nicht erlaubt ist, Trauer oder Wut zu zeigen. Diese Spannungen entladen sich in Gewalt oder gar Rückzug. Die Figuren sowohl in Fallahpishehs als auch in Thurmans Werken werden von ihren eigenen Gespenstern heimgesucht, von ihrem vergangenen Selbst, ihren Ursprüngen und Traumata. Natürlich kommt auch hier das Selbstporträt ins Spiel. Beide sprechen über sich selbst. Aber mehr noch, sie öffnen sich, machen sich verwundbar, um eine Art von Kritik zu produzieren, die sich nicht von ihnen abhebt, sondern mit ihnen glaubwürdig formuliert wird: Es geht um jeden unserer Kämpfe um inneren Frieden in einer Gesellschaft, die ständig unterhalten und alarmiert, überkritisch und unkritisch zugleich ist; einer Gesellschaft, in der das ständige Streben nach Aufmerksamkeit auf eine immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne trifft. Es wird Zeit, zu rebellieren.

Sophie Tappeiner

An der Hülben 3, 1010 Wien
Österreich

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