Gallery Diary - Galerie Kandlhofer | Markus Redl

Die Galerie Kandlhofer zeigt die Ausstellung "Flussmitte" von Markus Redl bis 25. Jänner 2022! 


Der Ausstellungstitel FLUSSMITTE geht auf Markus Redls publiziertes Kunstbuch Flussmitte- Porträts der Dinge zurück. Darin: Zeichnungen aus den Jahren 2015-2020. Großteils aus der Zeit der ersten beiden Lockdowns 2020, in der Pandemie von COVID19 und den Folgen. Redl’s Zeichnungen werden dabei zu berichtende Zeitzeugen, dokumentieren eine Reise auf engstem (Lebens-)Raum - und dem Weg zum Nahrungsmittelhandel. Ohne große räumliche Bewegung durchlaufen auch Illustrationen mit Kombination von Text ihre eigene Art Reise. Sprache, Text, Raum. Schicht für Schicht legen sie sich in den Zyklen von Zeichnungen über- und ineinander und verdichten sich in diesem Prozess.

Ein Teil der verschiedenen Zyklen von Bildern ist in der Ausstellung präsentiert. Die Arbeit an dem Buch Flussmitte, ist nach der Publikation nahtlos in die Arbeit an dem Folgeband Flussrand I übergegangen. Den Auftakt dafür hat eine Recherche zu Bertolt Brecht eröffnet, aus der die Brecht-Zyklen I und II, sowie Der Ring-Zyklus I entstanden sind. Hintergrund der Arbeiten sind die Fragen nach politischen und sozialen Maßnahmen in einer Gesellschaft, die das Individuum, also den Einzelnen, wie auch die Gesamtgemeinschaft betreffen. Fragestellungen, die sich naturgemäß aus Situationen in einer Pandemie ergeben, wie auch aus den Umständen des Klimawandels, der ebenso die Gemeinschaft aller Menschen betrifft. In die Zeichnungen sind Textfragmente eingearbeitet von AutorInnen, die im Zuge der Recherchen gelesen wurden. (Aleida Assmann, Italo Calvino, Heinrich v. Kleist, Thomas Bernhard, Franz Kafka, Antonia Birnbaum, Heiner Müller, Andreas Reckwitz, Peter Weiss, Ilija Trojanow, u.a.)

Ausstellungsansicht, Galerie Kandlhofer, Markus Redl, Flussmitte, 2021, Foto: kunstdokumentation.com

Neben Zeichnungen aus seiner Publikation Flussmitte, ergänzen Steinskulpturen die Ausstellung. Redl’s Skulptur Stein 156-157131 [Wendemittel I] verbindet dabei dreierlei europäisches Gestein (aus Italien, Belgien und Portugal) in Form eines Projektils auf hohem, quadratischen Postament. Die Sprengkappeninschrift EGAL trifft auf ihr Pendant in der Postamentinschrift ABER. EGAL ABER. ABER EGAL. Die Reihenfolge der Leseart ist unklar, die Bedeutung der Weiteren Schriftzeichen Rund um den Projektilkörper erfunden - Wobei sie an existierende Zeichen verschiedenster Kulturen und Epochen erinnern. Die Mischung mit Schriftzeichen, die auch heute noch in Verwendung sind, verstärken den Eindruck, dass es sich um reale Zeichensysteme, Datensätze und Botschaften handelt. Ihre Kombination lassen hinzu Mutmaßungen zu kulturellen, räumlichen und zeitlichen Verknüpfungen anstellen. Wie früher Geister kamen aus Vergangenheit, so jetzt aus Zukunft ebenso, schreibt Bertolt Brecht in „Der Untergang des Egoisten, Johann Fatzer“. In diesem Sinn könnte dieses Projektil ein Relikt oder ein Vorbote sein, ein Objekt aus großer Entfernung, räumlicher und zeitlicher Natur.

Ausstellungsansicht, Galerie Kandlhofer, Markus Redl, Flussmitte, 2021, Foto: kunstdokumentation.com

Auch Redl‘s Skulptur Stein 159-160133 [Wendemittel II] ist mit Zeichen aufgeladen. Ausgangspunkt war die Auseinandersetzung mit der Funktion von Ambo („Tisch des Wortes“) und Rahle (abgeleitet aus dem arabischen Wort für „Sattel“). In beiden Fällen - in der christlichen wie muslimischen Welt - geht es um eine Beschäftigung mit der Aufnahme und Wiedergabe des geschriebenen Wortes als ein zentrales Ereignis. Umgesetzt erheben sich aus einem mit Eisen geschlagenen Grund an einer Seite des dreiecksförmigen Steinobjekts, das an ein Lesepult oder eine Buchstütze erinnert, die altgriechischen Buchstaben Alpha und Omega, repräsentativ für das christliche Narrativ von Anfang und Ende, während auf der anderen Seite der arabische Schriftzug für In schā All ́ āh aus dem Stein ragt. Eine Aussage, die zu einem Idiom geworden ist. Einer Redewendung im Alltag, die über die Grenzen der Konfessionen hinweg, von Juden, Christen und Muslimen gleichermaßen verwendet wird. Der Ausgang bzw. Endpunkt von Überlegungen zu möglichen Aussagen der Zeichen wird nicht zugunsten einer einzelnen Interpretation von der Skulptur vorgezeichnet, sondern manifestiert in seiner Materialität die Gleichzeitigkeit von Antagonismen. Mehr noch spiegelt er den Zustand, der Gruppen und Individuen innerhalb einer pluralistischen Gesellschaft vor die Mammutaufgabe stellt, mit Diversität und Widersprüchlichkeit leben lernen zu müssen.

Galerie Lisa Kandlhofer

Brucknerstraße 4, 1040 Wien
Österreich

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